Erkelenz Flüchtlingshelfer schlagen Alarm

Erkelenz · Flüchtlingshelfer im Kreis Heinsberg machen sich Sorgen über die verschärfte Abschiebepraxis. Gemeinsam haben sie einen Brief an NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) verfasst. Afghanistan sei kein sicheres Herkunftsland, sagen sie.

Sie kennen keine Heimat. Sie wissen auch nicht, was es bedeutet, zu Hause zu sein oder sogar ein eigenes Zuhause zu haben. Sie wissen nur, was Krieg und Flucht bedeuten - denn das kennen sie ihr Leben lang. Es sind junge Männer aus Afghanistan, die zumindest im Kreis Heinsberg seit einiger Zeit in Sicherheit leben können. Doch die Diskussion um die verschärfte Abschiebepraxis, macht denjenigen, die sich hier um diese jungen Männer kümmern, ernsthafte Sorgen. Es sind unter anderem der Flüchtlingsrat des Kreises Heinsberg, Flüchtlingsseelsorger Achim Kück, das Diakonische Werk des evangelischen Kirchenkreises Jülich und zahlreiche ehrenamtlich aktive Menschen, die sich in Gerderath und Kückhoven um diese Gruppe der Flüchtlinge kümmern.

Sie haben sich zusammengetan, um einen Brief an NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) zu verfassen. Andrea Ludwigs-Spalink, die sich als Vertreterin der Kückhovener Dorfgemeinschaft von Anfang an in dem Erkelenzer Ortsteil stark für die Flüchtlinge engagiert hat, erklärt: "Es geht darum, dass Afghanistan ein sicheres Herkunftsland sein soll. Dabei wissen wir doch alle, dass dem nicht so ist. Überall, vor allem von Seiten der Politik, wird die wichtige Arbeit der Ehrenamtler als unerlässlich dargestellt." Darum, so betont sie stellvertretend für alle anderen, die mit ihr in einem Boot sitzen, müsse man nun ein klares Zeichen setzen. Zu ihren Mitstreitern zählen Engagierte wie Jutta Schwinkendorf, Martina Hackenholt und Hans Paffen. Sie meinen übereinstimmend: Werden die jungen Männer nach Afghanistan abgeschoben, droht ihnen erneut große Gefahr.

Am 14. Mai wählt Nordrhein-Westfalen. Bis zu dieser Wahl, da könne man sicher sein, meint die Initiative, werde es wohl keine Abschiebungen nach Afghanistan geben. Doch was ist nach der Wahl? Diese Frage stellt man sich mit einem hohen Maß an Angst - das wird im Gespräch deutlich. Angst machen nämlich schon die Mitteilungen aus den Asylverfahren, die den Männern so gut wie keine positive Aussicht auf ein Bleiben in Deutschland prognostizieren. Die Briefe stammen aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.

Gemeinsam erinnert man sich an 2015, als die große Flüchtlingswelle nach Deutschland eine große Hilfsbereitschaft auslöste. Neben der schnellen Unterbringung fielen dann auch Stichworte wie Integration, um die es nun ganz besonders gehe. Die Menschen, um die sich die Ehrenamtler kümmern, wollen sich integrieren, wollen hier arbeiten. In der Runde sitzen betroffene junge Männer, die davon träumen, eine Ausbildung machen zu dürfen, Deutsch zu lernen. Einer von ihnen möchte Maler und Lackierer werden, ein anderer Kfz-Mechatroniker. Wenn sie dürften, würden sie sofort loslegen wollen. In diesem Zusammenhang weist die Initiative darauf hin, wie offen die Unternehmen, die Wirtschaft, sind, um Flüchtlingen Perspektiven zu bieten. Unzählige Betriebe haben bereits offen berichtet, wie gut die Zusammenarbeit und Qualifizierung dieser Menschen funktionieren.

Weil sie ihr Leben lang auf der Flucht sind, kennen die betroffenen Männer ihr Herkunftsland Afghanistan kaum bis gar nicht. Ihre Wege führten in den Iran oder nach Syrien. Nie wurde eine neue Heimat daraus. Die Unterzeichner des Briefes kritisieren auch die Bundesregierung, die die Sicherheitslage in Afghanistan offenbar falsch einschätze. Dass es so oft hin und her geht, dass klare Ansagen fehlen, dass Zuständigkeiten kaum transparent sind - all' das seien Dinge, die für die derzeitige Lage gesorgt hätten, meinen die Engagierten.

Im Verlauf des Gesprächs nutzt ein Flüchtlingsseelsorger einen Satz, der die ganze Situation auf den Punkt bringt: "Wenn wir es verpassen, diese Menschen hier zu integrieren, vergeben wir Chancen."

(RP)
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