Erkelenz Fast wäre Jansen der Kragen geplatzt

Erkelenz · In der bundesweiten Deutschlandfunk-Radiosendung "Länderzeit vor Ort" ging es am Mittwoch 80 Minuten lang um den Braunkohlentagebau und die Folgen für die von der Zwangsumsiedlung betroffenen Dörfer der Stadt Erkelenz.

 In der bundesweiten Deutschlandfunk-Radiosendung "Länderzeit vor Ort" ging es am Mittwoch 80 Minuten lang um den Braunkohlentagebau und die Folgen für die von der Zwangsumsiedlung betroffenen Dörfer der Stadt Erkelenz.

In der bundesweiten Deutschlandfunk-Radiosendung "Länderzeit vor Ort" ging es am Mittwoch 80 Minuten lang um den Braunkohlentagebau und die Folgen für die von der Zwangsumsiedlung betroffenen Dörfer der Stadt Erkelenz.

Foto: Jürgen Laaser

Nach dem zweiten Block mit Welt- und Deutschlandnachrichten sowie Verkehrsmeldungen aus NRW steigerte Bürgermeister Peter Jansen seine Stimme ungewohnt heftig, es hatte den Anschein, gleich würde ihm der Kragen platzen: "Es muss unbedingt politisch entschieden werden. Das ist doch alles ein Spielball, aber ein solcher wollen wir nicht sein."

Deutliche Worte am Mittwoch Vormittag in der Radiosendung "Länderzeit vor Ort" des Deutschlandfunks, die von 10.10 bis 11.30 Uhr live und öffentlich (60 Zuhörer vor Ort) aus dem Pfarrheim in Keyenberg übertragen wurde, an die Entscheidungsträger aus Politik und Wirtschaft gerichtet. Auch war das der direkte Konter zur Aussage von Matthias Hartung (Vorstandsvorsitzender von RWE Power), der sich kurz zuvor zum Braunkohleabbau bekannt hatte: "Wir machen weiter."

Genau das aber war im Herbst plötzlich der Unsicherheitsfaktor für fast 2000 betroffene Bürger im Abbaugebiet, seit es vage Meldungen gab, wonach sich RWE Power aus dem Braunkohletagebau Garzweiler II zurückziehen könnte.

Die Stadt Erkelenz hatte darauf ohne zu zögern die Reißleine gezogen und die Umsiedlungsplanungen für die Orte Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich sowie Berverath ausgesetzt. In einen offenen Brief wurde NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft aufgefordert, "zügig Verlässlichkeit für die von der Umsiedlung betroffenen Bürgerinnen und Bürger herbeizuführen". Die Antwort aus dem "Stadttor 1" in Düsseldorf steht jedoch noch aus.

Mit Glockengeläut des vor knapp zwei Monaten entwidmeten und damit dem Abriss geopferten Immerather St. Lambertus-Doms stieg der Deutschlandfunk in die 80-minütige Diskussionsendung ein, die im Unterschied zur Runde in WDR-5 vor einer Woche nicht nur regional, sondern bundesweit ausgestrahlt wurde.

Die Moderatoren Michael Roehl und Thekla Jahn waren hörbar gut vorbereitet, schilderten auch ihre kaum für möglich gehaltenen Eindrücke bei der Fahrt durch das Braunkohleabbaugebiet mit den Geisterdörfern Pesch und Immerath, wo immer noch die roten Schilder "Ja zur Heimat. Stop Rheinbraun. Wir bleiben hier." zu sehen und zu lesen sind.

Auch hatte sich Thekla Jahn einmal bei der zehnköpfigen und drei Generationen umfassenden Bauernfamilie Portz in Immerath (alt) umgesehen. Deren Aussagen im Mitschnitt waren eindeutig: "Seit 38 Jahren schwebt Rheinbraun wie eine Wolke über uns, das ist ein gravierender Einschnitt in unser Leben." Diese, aber natürlich auch weitere heftige Beschwerden ("Seit 30 Jahren schwebt ein Damoklesschwert über uns." "Wir sind schon geschädigt, auch wenn die Bagger noch nicht direkt im Ort sind."

"Wir fordern Planungssicherheit.") von Betroffenen im Pfarrheim hatten wohl auch die vielen Anrufer in der Deutschlandfunk-Zentrale in Köln beeinflusst: nicht einer pro Braunkohle, alle dagegen. Anruf — aus Berlin: "Es bleiben Mondlandschaften"; — aus Köln: "Braunkohleverstromung ist die primitivste Art, Energie zu gewinnen", — aus Göttingen: "Es muss insgesamt mehr gespart werden, dann brauchen wir keinen Braunkohleabbau." Bei zig Anrufern stand die Politik in der Kritik, auch wenn der Grüne Reiner Priggen sich vehement für die gefährdeten Bürger einsetzte ("In einem halben Jahr muss Klarheit herrschen.") und RWE-Power angriff ("RWE muss umdenken.").

Der Einlassung von Moderator Michael Roehl, dass die Grünen in NRW doch Regierungsverantwortung hätten, wich Priggen keineswegs aus: "Wir müssen alles überprüfen. Brauchen wir heute noch, was vor 30 Jahren nötig war?" Staatssekretär Franz-Josef Lersch-Mense wollte sich nicht festlegen, meinte schließlich vage: "In einem halben Jahr wissen wir mehr."

(hg)
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