Das ist das Stimmungsbild im Erkelenzer Land Unternehmer sehen Mindestlohn kritisch

Erkelenzer Land · Ab dem 1. Oktober soll der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben werden. Taxiunternehmer David Erren schildert die Herausforderungen aus Unternehmerperspektive, der DGB fordert weitere Schritte.

 Ein Taxi-Unternehmen wie  Erren in Wegberg muss die höheren Ausgaben erstmal erwirtschaften.

Ein Taxi-Unternehmen wie  Erren in Wegberg muss die höheren Ausgaben erstmal erwirtschaften.

Foto: Ruth Klapproth

Nach der bereits erfolgten Erhöhung zum Jahresbeginn ist für den 1. Juli eine standardmäßige Erhöhung der Lohnuntergrenze auf 10,45 Euro geplant, laut Gesetzesentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil soll der Mindestlohn dann Anfang Oktober einmalig durch die Regierung um weitere 15 Prozent auf 12 Euro brutto pro Zeitstunde steigen. Noch im Dezember prognostizierte das Statistische Bundesamt, dass etwa 7,2 Millionen Beschäftigte bundesweit von der kommenden Anhebung profitieren würden, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) geht sogar von 8,6 Millionen Betroffenen aus.

Während sich viele Beschäftigte im Land und auch im Kreis Heinsberg also über mehr Geld freuen dürfen, sehen einige Unternehmer wie David Erren, der das Wegberger Taxiunternehmen seiner Familie in fünfter Generation mitführt, die schlagartige Erhöhung des Mindestlohns nicht unkritisch – vor allem nicht vor dem Hintergrund der immer noch andauernden Pandemie. „Generell bin ich absolut der Meinung, dass Arbeit sich lohnen und entsprechend entlohnt werden sollte. Uns als Arbeitgebern muss aber auch die Chance gegeben werden, das Geld zu erwirtschaften. Wir sprechen in den neun Monaten von Anfang Januar bis Anfang Oktober von einer Lohnsummensteigerung von 25 Prozent. Wir wissen noch nicht, wie wir das auf der anderen Seite wieder auffangen sollen“, merkte Erren an. Die Lohnkosten würden jetzt schon 70 Prozent des Umsatzes in Anspruch nehmen, nun kämen in jedem Jahr etwa 180.000 Euro an Lohnkosten hinzu – für einen mittleren Familienbetrieb sei das in Anbetracht der coronabedingten Umsatzeinbußen eine große Herausforderung.

Gerade in der Taxibranche könne zudem aufgrund der vom Kreis vorgegebenen Tarifpflicht nicht einfach an der Preisschraube gedreht werden. Ein Antrag auf eine Erhöhung des Taxitarifs würde aber nicht nur lange brauchen, sondern aufgrund der Erhöhung im letzten Jahr aller Wahrscheinlichkeit nach abgelehnt. „Viele Krisen, vor denen wir heute stehen, waren zur Zeit der Beantragung aber noch gar nicht absehbar. Wir zahlen aktuell Spritpreise an den Tankstellen, die jenseits von gut und böse sind, dazu liegt durch geschlossene Diskotheken und abgesagte Veranstaltungen wieder das komplette Nachtgeschäft brach. Das Ganze summiert sich zu einer Lage, die uns doch viele Bauchschmerzen bereitet“, führte Erren aus, der nun inständig auf ein Entgegenkommen der Krankenkassen hofft.

Thomas Hartmann, Gewerkschaftssekretär der DGB Region NRW Süd-West und Ansprechpartner für den Kreis Heinsberg, begrüßt zwar angesichts des auch im Kreis weiter wachsenden Niedriglohnsektors den Mindestlohnbeschluss, kritisiert ihn aber als unzureichend, um den Arbeitsmarkt fair zu gestalten. Das Gesetz sei ohne entsprechende Kontrollen nutzlos. „Wir brauchen eine geeignete Umsetzungspraxis. Es gibt leider etliche Betriebe, die Strategien entwickelt haben, um die Gesetzmäßigkeiten systematisch zu umgehen. Wenn dann Kontrollen nicht regelmäßig und mit entsprechend scharfen Sanktionen durchgeführt werden, bleibt das Gesetz ein Papiertiger – darunter leiden nicht nur die Beschäftigten an der Existenzgrenze, sondern auch die Unternehmen, die sich fair verhalten“, schilderte er.

Um neben einem armutsfesten Mindestlohn auch eine saubere Strukturierung des Arbeitsmarktes zu gewährleisten, sei ein Dreiklang nötig: „Dazu gehört an erster Stelle eine Optimierung der Kontrollen durch mehr Personal und eine bessere Vernetzung der Behörden“, sagte Hartmann. An zweiter Stelle stünde eine moderne Vergabepraxis – die öffentlichen Mittel, die bei von Auftragsvergaben in den Markt gespült werden, würden aufgrund des Zuschlags für den günstigsten Anbieter zu oft bei Betrieben mit Dumpinglöhnen landen. Hier sei eine Reform nötig, die das Problem im Blick hat, sodass Aufträge an die gingen, die sich am Markt und ihren Beschäftigten gegenüber korrekt verhalten. Als dritten Schritt fordert der DGB die Beseitigung der Ausnahmen, die im aktuellen Mindestlohngesetz für alle Beschäftigten unter 18 Jahren oder Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten nach Wiederaufnahme gelten.

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