Kostenfalle Flüchtlingsaufnahme? Erkelenzer bleibt auf mehreren Tausend Euro sitzen - Ärger über Stadt

Erkelenz · Hans-Jürgen König aus Holzweiler hat zehn Ukrainer bei sich aufgenommen und sagt, dass er nun auf Kosten von mehreren Tausend Euro sitzen bleibt. Die Stadt widerspricht. Sie verweist auf klare Regeln.

 Sieben Wochen lang hatte Hans-Jürgen König zwei ukrainische Familien auf seinem Hof aufgenommen.

Sieben Wochen lang hatte Hans-Jürgen König zwei ukrainische Familien auf seinem Hof aufgenommen.

Foto: Hans-Jürgen König

Als vor etwas mehr als zwei Monaten der Ukraine-Krieg begann, war Hans-Jürgen König schnell klar, dass er helfen will. König lebt auf einem alten Bauernhof in Holzweiler, hat also durchaus Platz. Eine Flüchtlingsfamilie wollte König aufnehmen, letztendlich wurden es sogar zehn Ukrainer, die in seinem Haus Platz fanden. Bis zu diesem Donnerstag. „Wir haben uns gerade voneinander verabschiedet, es sind auch Tränen geflossen“, erzählt König. Er konnte nicht mehr, sowohl was seinen persönlichen Aufwand angeht als auch seinen finanziellen. Die Aufnahme der Flüchtlinge hat ihn mindestens einen mittleren vierstelligen Betrag gekostet, schätzt er – und die bürokratischen Hürden, die es zu erklimmen gilt, um das Geld von der Stadt Erkelenz zurückerstattet zu bekommen, bezeichnet er als „völlig realitätsfern“.

Die Stadt Erkelenz sieht das anders. Es gebe ein klar gesetzlich geregeltes System für die Aufnahme von Flüchtlingen, sagt der erste Beigeordnete Hans-Heiner Gotzen: Jede geflüchtete Person erhält die ihr zustehenden Sozialleistungen. Darüber hinaus zahlt die Stadt pro Person und Monat einen pauschalen Nebenkostenbetrag von 50 Euro bei einer Unterbringung im eigenen Haushalt und 75 Euro bei einer Unterbringung in einer separaten Wohnung an diejenigen, die die Flüchtlinge aufnehmen.

„Darüber hinaus gibt es auch die Möglichkeit, spitz abzurechnen“, erklärt Gotzen, also den genauen Verbrauch für Strom, Wasser und Heizung zu ermitteln. Die Krux dabei: Leistungen stehen laut Gesetz lediglich den Geflüchteten zu, nicht deren „Vermietern“ oder „Aufnehmern“. Gotzen erklärt: „Diese Regelung ist auch sinnvoll, denn es kann ja jederzeit passieren, dass ein Geflüchteter auch mitten im Monat den Wohnort wechselt.“

Was rechtlich nachvollziehbar ist, sorgt im Alltag bisweilen für hohe Hürden. „Haben Sie mal versucht, zehn Flüchtlinge überhaupt mal bei der Stadt anzumelden? Das ist ein wahrer bürokratischer Kraftakt“, sagt Hans-Jürgen König. Dass er überhaupt so viele Menschen aufgenommen hat, sei eine spontane Entscheidung gewesen. Über eine Facebook-Gruppe habe König Wohnraum angeboten, hatte eigentlich an eine vierköpfige Familie gedacht. Schließlich sei es aber eine sechsköpfige Familie (drei Kinder, Vater, Mutter und Oma) geworden. „Die erzählten mir dann noch von ihrer befreundeten Familie, eine Mutter und drei Kinder, mit denen sie gemeinsam aus dem Bombenhagel aus Kiew geflohen sind. Die habe ich dann auch noch mit aufgenommen“, erzählt König. Er habe kurzerhand sein komplettes Dachgeschoss freigeräumt.

Auf seinem Bauernhof, auf dem es auch Pferde gibt, hätten dank des großen Grundstücks „fast paradiesische Zustände“ gerade für die Kinder geherrscht, sagt Königs. Natürlich habe es zwischendurch auch mal Streit gegeben, „aber das ist doch normal, wenn man plötzlich mit elf Leuten unter einem Dach wohnt und es sich auch noch um Kriegsflüchtlinge handelt.“ Man habe sich insgesamt sehr gut verstanden, weswegen es König auch extrem schwergefallen sei, den Familien mitzuteilen, dass sie nicht länger bei ihm würden wohnen können. „Ich weiß noch gar nicht, wie ich denen das mitteilen soll“, sagte er noch in der vergangenen Woche. Die beiden Familien hätten aber sehr verständnisvoll reagiert. „So leid es mir tut, die Kosten sind explodiert.“

Die Stadt widerspricht der Darstellung, dass eine Kostenerstattung nicht möglich oder die bürokratischen Hürden dafür zu hoch seien. Für die beiden Familien habe man aber eine gute Lösung gefunden. Sie ziehen nun, wie bereits einige Flüchtlingsfamilien vor ihnen, in zwei zuvor leer stehende Häuser im Braunkohledorf Kuckum. „Nach nun sieben Wochen möchten sie natürlich gerne eine eigene Wohnung oder ein Haus haben. Es ist ja auch alles für den Start ins neue eigene Leben gegeben“, sagt Königs. Welch große Hilfsbereitschaft vor Ort und auch bei der Sachbearbeiterin in der Verwaltung geherrscht habe, sei sensationell. Umso enttäuschter sei er von der Stadtspitze. Die Pauschale von 50 Euro pro Person sei längst nicht kostendeckend.

König verweist auf andere deutsche Städte wie Dresden, wo Bürger, die Ukrainer aufnehmen, eine „Gastfreundschaftspauschale“ von fünf Euro pro Tag und Person erhalten. Andere Städte in Ostdeutschland zahlen teilweise ebenfalls dreistellige Pauschalbeträge pro Monat.

Hans-Heiner Gotzen erwidert: „Eine direkte Vergütung sieht das Recht nicht vor. Wir können niemanden vorab für die Aufnahme bezahlen, denn es handelt sich ja nicht um Einrichtungsträger.“ Man sei jedem Bürger dankbar, der Flüchtlinge bei sich aufnimmt.

Die Zahl der Flüchtlinge, die aus der Ukraine nach Erkelenz gekommen sind, hat sich in den vergangenen Wochen nicht wesentlich verändert. Man stehe bei rund 300 Menschen, sagte Gotzen. In dieser Woche seien lediglich sechs Personen hinzugekommen, für nächste Woche seien vier weitere angekündigt. Untergebracht seien sie meist in Privatwohnungen, häufig auch in RWE-Häusern, etwa in Kuckum oder Keyenberg.

Nicht vergessen dürfe man, dass es weiter auch eine fast ebenso hohe Zahl an Flüchtlingen in Erkelenz gibt, die aus anderen Regionen der Welt kommen und die gleichen Ansprüche haben. So seien für die kommende Woche auch acht Flüchtlinge aus dem weiter krisengeschüttelten Afghanistan angekündigt.

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