Mensch & Stadt Kirchenmusik überschreitet Grenzen

Erkelenz · Wolfgang Feuerlein: Ein Kantor für die drei evangelische Gemeinden Erkelenz, Lövenich-Baal und Linnich. Seit Mitte März ist er als Kirchenmusiker im Kirchenkreis Jülich angestellt.

 Der neue Kantor der evangelischen Kirchengemeinde Erkelenz, Wolfgang Feuerlein.

Der neue Kantor der evangelischen Kirchengemeinde Erkelenz, Wolfgang Feuerlein.

Foto: Laaser, Jürgen (jl)

Wolfgang Feuerlein kann viel über seine lange Berufslaufbahn als Kirchenmusiker mit vielen Stationen erzählen. Jetzt beginnt er ein neues Kapitel in seiner Biografie: Seit Mitte März ist er als Kirchenmusiker im Kirchenkreis Jülich angestellt. In seiner Funktion als Kantor ist der 61-Jährige gleich in drei evangelischen Kirchengemeinden tätig: in Linnich, wo er auch sein Büro hat, in Erkelenz und in Lövenich-Baal.

Personelle Engpässe und die finanzielle Lage dürften wohl ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass der Kirchenkreis zu dieser gemeindeübergreifenden Lösung gefunden hat, vermutet Feuerlein, der derzeit noch im Oberchemnitz im Erzgebirge unweit von Freiberg wohnt. Insbesondere für die Kirchengemeinde Erkelenz heißt es damit endgültig, Abschied zu nehmen von der Anstellung eines gemeindeeigenen Kantors. Nach dem Ausscheiden der vorherigen Kantorin, die auch die Gemeinde Lövenich-Baal betreute, war die Stelle lange Zeit vakant, in Linnich fehlte ebenfalls ein Kirchenmusiker. Reizvoll sei die Aufgabe, drei derart unterschiedliche Gemeinden zu betreuen und kirchenmusikalisch vielleicht sogar zu vereinen, meint der in Nürnberg geborene Feuerlein, der unter anderem in Erlangen, Freiburg und Detmold ein kirchenmusikalischen Studium absolvierte und 1995 auch ein internationales Meisterklassendiplom im Fach Dirigieren in Namur/Belgien erlangte.

Feuerlein sieht seine Aufgabe nicht darin, die kirchenmusikalische Begleitung der Gottesdienste in den einzelnen Gemeinden zu organisieren. „Dafür reicht ein Computerprogramm.“ Er möchte musikalisch etwas bewirken wie bei vielen seiner bisherigen Stationen, ob als Dekanatsmusiker in Solingen oder als Kirchenmusiker für den Pfarrverband München/Oberschleißheim. Wegen der Corona-Pandemie verlief sein Auftakt in der Region vollkommen anders, als er es sich vorgestellt hat. Praktische Arbeit mit Chören ist nahezu unmöglich. Gespräche und Besuche, in denen die Strukturen der einzelnen Gemeinden erforscht werden, bestimmen den Arbeitsalltag. Quasi sind Computer und Telefon statt Orgel und Dirigentenstab die Hauptarbeitswerkzeuge geworden. Feuerlein hat konkrete Vorstellungen von dem, was er bewirken will. „Wir haben in Erkelenz einen Kirchenchor und in Linnich einen Posaunenchor, da macht es wenig Sinn, weitere Ensembles in den einzelnen Gemeinden zu installieren.“ Feuerlein will beide Klangkörper stärken und fördern. Sie sollen gemeindeübergreifend werden – und selbstverständlich gemeindeübergreifend agieren. Auch schwebt ihm ein Kinder- und Jugendchor für seinen Zuständigkeitsbereich vor. Es gehe um ein strukturiertes Zusammenleben der Gemeinden. Er wolle den Gemeindemitgliedern die Angst davor nehmen, die eigene Identität zu verlieren.

Noch pendelt Wolfgang Feuerlein zwischen seinem aktuellen Wohnort im Erzgebirge und seinem Dienstsitz an der Rur. Der Umzug ist geplant, sobald seine Partnerin eine Anstellung als Grundschullehrerin in der Region erhält. Die langen Fahrten zwischen Oberchemnitz und Linnich lassen Raum für Gedanken. Feuerlein will sich nicht damit begnügen, Gottesdienste an der Orgel zu begleiten oder Chöre zu leiten. Ihm schwebt eine Stärkung der Kirchenmusik in der Region mit Konzerten junger, aufstrebender Musiker vor. „Das ist ein Gewinn für alle: Die Zuhörer bekommen einen Musikgenuss, die Musiker können Erfahrung vor Publikum sammeln.“ Wann es dazu kommt, ist in Zeiten von Corona ungewiss. Gerne möchte Feuerlein auch ein vorweihnachtliches Konzert anbieten. Wann, wo und mit wem ist zwangsläufig ungewiss.

Inzwischen hat der neue Kantor Wolfgang Feuerlein auch einen Blick über den religiösen Tellerrand geworfen. Selbstverständlich interessiert es ihn, wie es um die neue Orgel in der Pfarrkirche St. Lambertus in Erkelenz bestellt ist. Von der Planung und der Idee ist er begeistert. Nachdem er die ersten Teilstücke der neuen Hauptorgel in der Orgelwerkstatt Scholz bereits zu Gesicht bekommen hat, freut er sich schon auf die Inbetriebnahme – und vielleicht kommt er im Rahmen der Ökumene in den Genuss, selbst einmal darauf ein Konzert spielen zu können.

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