Haushaltsdebatte im Stadtrat Nutzt Erkelenz seine Finanz-Spielräume?

Erkelenz · Hintergrund Im nächsten Jahr ist Kommunalwahl. Das zeichnete sich im Erkelenzer Stadtrat in den Haushaltsreden ab. Nicht aber im Abstimmungsergebnis. Dreiviertel des Rates votierte für den Finanzplan für 2020. Eines der besten Ergebnisse in dieser Wahlperiode.

 Der Erkelenzer Stadtrat stritt über die Frage, ob im Rathaus die Handlungsspielräume ausreichend genutzt werden, die sich aus der guten finanziellen Lage ergeben.

Der Erkelenzer Stadtrat stritt über die Frage, ob im Rathaus die Handlungsspielräume ausreichend genutzt werden, die sich aus der guten finanziellen Lage ergeben.

Foto: Speen

Finanzielle Möglichkeiten hat Kostenpflichtiger Inhalt Erkelenz sich in der Vergangenheit erarbeitet, um Zukunftsaufgaben wie die Innenstadtentwicklung, die Digitalisierung und den Klimaschutz vorantreiben zu können. Das unterstrich Stephan Muckel für die CDU am Haushaltsplan der Stadt Erkelenz für 2020, der Investitionen in Höhe von 20,3 Millionen Euro für 250 Maßnahmen vorsieht, die Grundsteuer B und die Kindergartenbeiträge senkt sowie den Schuldenabbau vorantreibt. Als „logische Fortsetzung der soliden Haushaltspolitik der letzten Jahre“ bezeichnete ihn Bürgermeister Peter Jansen in seiner letzten Haushaltsrede, bevor im Herbst 2020 ein neuer Bürgermeister für Erkelenz gewählt wird.

Während die Kritiker des Haushalts für 2020 von einem mangelhaften Umgang mit den erarbeiteten Freiräumen sprachen, zeigten CDU, SPD, FDP und Bürgermeister eine entgegengesetzte Bewertung auf – was in der Abstimmung letztlich zu 31 Ja- und zehn Nein-Stimmen führte; ein in dieser Wahlperiode besseres Ergebnis als für die Hauhaltspläne 2015, 2016 und 2018.

„Der Haushaltsentwurf für 2020 endet mit einem Plus, entlastet die Bürger und steht als eines der größten Pakete für die Zukunftsentwicklung im Angebot an die Bürger“, hob Bürgermeister Jansen hervor. Nicht zuletzt durch die „Langzeitstrategie zur Wohngebiets- und Gewerbegebietsentwicklung“ habe Erkelenz sich die dafür notwendigen Freiräume erarbeitet, von denen alle profitierten: „Bei der Grundsteuer geben wir allen durch die Senkung des Satzes auch ein Stück Spielraum zurück. Dazu noch angemerkt, die gilt auch für die Abwassergebühren, die stabil bleiben beziehungsweise in den letzten Jahren fünfmal gesenkt wurden. Rund 375 Euro spart die Erkelenzer Durchschnittsfamilie somit im Vergleich zu anderen in der Region – und zwar alle Bevölkerungsschichten.“

Steuernachlässe wie bei der Grundsteuer B, Entlastung junger Familien bei den Kindergartengebühren und hohe Investitionen in die Digitalisierung an den Erkelenzer Schulen – diese Punkte im Haushalt 2020 ließen die SPD zustimmen, wozu Rainer Rogowsky erklärte: „Er nimmt einige wichtige Vorschläge der SPD auf oder bewegt sich jedenfalls teilweise in die richtige Richtung.“ Sie fordert vor der Kommunalwahl aber auch ein, die Bürgerbeteiligung bei öffentlich geplanten Maßnahmen auszubauen und sozialen Wohnungsbau zu fördern. „Bezahlbarer Wohnraum für alle ist eine ultimative Forderung der Erkelenzer SPD. Kommunaler Wohnungsbau oder zumindest eine Unterstützung von Investoren, die bezahlbaren Wohnungsbau betreiben, muss einfach möglich sein“, erklärte Rainer Rogowsky. Möglich gemacht werden müsse außerdem „die kostenfreie Abgabe von Mittagessen von der Kita bis zum Schulabschluss“.

Freude an den guten Planzahlen äußerte Werner Krahe. Der FDP-Politiker lobte, dass „erstmals ein echter und nicht nur fiktiver Haushaltsausgleich, sowohl für 2020 als auch mittelfristig, geplant ist. Und das trotz Rekordinvestitionen. „Damit steigen wir in einen kleinen Kreis auf: Das schafft nur ein Viertel aller Kommunen in NRW.“ Vorbehalte habe er dennoch, griff Krahe Gedanken von Stadtkämmerer Norbert Schmitz auf: „Uns stehen Veränderungen der Rahmenbedingungen bevor.“ Wirtschaft, Export, Strukturwandel nannte Krahe als Schlagwörter, aber auch die jährlichen Landeszuweisungen: „Bei der künftig neuen Struktur kann bisher niemand sagen, wie der ländliche Raum künftig wegkommt.“ Momentan jedoch nutze Erkelenz die erarbeiteten Finanzspielräume „für ein selbstbestimmtes politisches Gestaltungshandeln“, und das werde „mit volle Überzeugung“ unterstützt, wenngleich Wünsche bestünden; Ausbau des digitalen Bürgerportals, selbstständige Gewerbegebietsentwicklung und Lösungen für die steigende Personalintensität in der Stadtverwaltung.

Eine solche Lösung griff Stephan Muckel (CDU) auf, der Investitionen in Personal und Material bei der Digitalisierung ein „Zukunftsversprechen“ nannte. Auf Dauer würden dadurch die Prozesse beschleunigt. Vision der CDU sei es, dass „2030 die Bürger alle Dienstleistungen digital erledigen können“. Bis zum selben Jahr wolle sie auch erreichen, dass sich der Stadtkern „zukunftsfest präsentiert“. Dazu seien „Perspektiven ohne Denkverbote“ zu entwickeln. Eine „intuitive Lenkung des Autoverkehrs zu größeren Parkhäusern“ und „autonom fahrende und emissionsfreie Busse“ sollten dazugehören. Der Haushalt 2020 lege mit dem Innenstadtkonzept dazu eine Basis wie auch die jüngst vereinbarte „Verpflichtungserklärung für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit“.

Erkelenz nutzt die Handlungsspielräume nicht, die sich aus der guten finanziellen Lage ergeben. Das ist die alles durchziehende Kritik der Grünen am Haushaltsplan für das kommende Jahr. Klimaschutz befinde sich im 800-seitigen Haushaltsplan „auf sage und schreibe vier Seiten“. Keine 10.000 Euro seien dafür veranschlagt, kritisierte Hans Josef Dederichs: „All die wertvolle und wichtige Arbeit des Klimaschutzmanagers verkommt zur bloßen Kulisse, eingezwängt auf vier Seiten des Haushaltsansatzes.“ Auch fehle darin Geld, um die Erkelenzer Forderung nach „so wenig Quadratmeter wie möglich für den Tagebau“ umsetzen zu können: „Uns Grünen fehlt der Haushaltsansatz zur Reduzierung der Tagebaufläche, zum Erhalt unserer Siedlungsfläche, zur Stärkung der Bürger in unseren Dörfern, die nicht an der Umsiedlung teilnehmen wollen.“ Begrüßenswert ist Hans Josef Dederichs zufolge der Plan, ab dem Jahr 2020 die Innenstadt attraktiver zu gestalten. Seine Fraktion stehe zu 100 Prozent dahinter: „Es ist ein grünes Konzept, das die Lebens- und Aufenthaltsqualität unserer Stadt nachhaltig verbessern kann.“ Kritik wiederum übte er am Personalmangel und „an zum Teil völlig unsinnigen Verwaltungsstrukturen“ im Rathaus.

Den Personaleinsatz hinterfragten auch die Freien Wähler/UWG, für die Peter Fellmin jedoch entgegengesetzt argumentierte: „Die Personalintensität ist in den letzten fünf Jahren von 22 auf über 27 Prozent im nächsten Jahr gestiegen.“ Derzeit bestehe keine Gefahr, weil „die sehr gute Ertragsentwicklung die dramatische Kostenentwicklung im Bereich der Personalaufwendungen aufgefangen hat“, was aber werde „bei wirtschaftlichen Problemen“ passieren? „Die Personalaufwendungen können nicht kurzfristig angepasst werden.“ Unter anderem diese Frage und das Innenstadtkonzept, in dem „bisher keine einzige der teils guten und wichtigen Anmerkungen der Bürger berücksichtigt“ sei und das „ausschließlich auf eine maximale Förderquote des Landes optimiert“ sei, lasse seine Fraktion dem „ansonsten besten Haushalt seit 2007“ nicht zustimmen, erklärte Peter Fellmin.

Ablehnung formulierte auch Karl-Heinz Frings von der Bürgerpartei. Erfreut sei er zwar über die Senkung der Grundsteuer B, „einer jahrelangen Forderung“ seiner Fraktion, und über die Senkung der Kindergartenbeiträge. Bei der Innenstadtentwicklung würden jedoch „Millionen in einem falschen Handlungskonzept verbrannt“, und der barrierefreie Umbau des Alten Rathauses könne „mit dem Einbau eines Treppenliftes kostengünstiger“ geschehen, hielt Frings fest. Zweifel hege er außerdem an der „Richtigkeit des Endergebnisses“, für ihn enthalte der Haushaltsplan „Sparstrümpfe, mittlerweile sind die sechsstellig und nicht nachvollziehbar“, erklärte Karl-Heinz Frings in seiner Haushaltsrede.

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