Erkelenzer Innenstadt So entstand die Südpromenade

Erkelenz · Die vier Erkelenzer Promenaden umrahmen den historischen Stadtkern. Günther Merkens vom Heimatverein erklärt, wie sie einst entstanden sind und welche aktuellen und ehemaligen Gebäude dort standen.

So grün wie auf diesem Foto ist die Erkelenzer Südpromenade zu dieser Jahreszeit noch nicht.

So grün wie auf diesem Foto ist die Erkelenzer Südpromenade zu dieser Jahreszeit noch nicht.

Foto: Laaser (Archiv)

Mit seinem historischen Stadtkern, den drei Plätzen und den geschichtsträchtigen Gebäuden ist die Erkelenzer Innenstadt weit über die Grenzen des Kreises Heinsberg bekannt. Auch dass der Kern der Stadt von vier Promenaden eingerahmt wird, gibt es in dieser Form am Niederrhein nicht oft. Die vier Promenaden in Erkelenz sind bekannt und werden täglich von vielen Menschen begangen oder von Fahrzeugen befahren. Diese Promenaden können aber auch viel über die Erkelenzer Stadtgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts „erzählen“.

Zurück gehen die Promenaden auf die ehemalige Stadtbefestigung, von der heute nur noch wenige Fragmente übrig geblieben sind. Die Stadtbefestigung war eine erhaltene mittelalterliche Befestigungsanlage der Stadt Erkelenz. Sie galt als uneinnehmbar: In die 1,6 Kilometer lange Stadtmauer mit ihren vier Toren, das jedes für sich eine Torburg darstellte, waren 14 Wehrtürme eingelassen, dazu kam noch die in die Stadtbefestigung integrierte Burg. Davor lag ein doppelter, durch einen Wall getrennter Wassergraben. Im 18. Jahrhundert verfiel die Stadtbefestigung zusehends.

Als die Stadt im Jahre 1815 preußisch wurde, waren die Stadttore und -mauern schon an einigen Stellen eingestürzt oder drohten ein zustürzen, so dass die Regierung in Aachen die Stadt aufforderte, alles Mauerwerk entweder nach historischen Gesichtspunkten wieder instand zu setzen oder abzubrechen. Im Rat der Stadt entschied man sich trotz der Befürchtung, dass mit dem Abbruch der Stadtmauern auch die Stadtrechte verloren gehen könnten, letztendlich aus Kostengründen für den Abbruch. Um ihn zu finanzieren, wurde das Gelände vor der Mauer parzelliert und zwischen 1816 und 1819 auf Abbruch verkauft. Mit dem Abbruchmaterial wurden die Gräben zugeschüttet.

Heute existieren nur noch die in den 1950er Jahren restaurierte Burg an der Nordpromenade, in deren Modernisierung und Aufwertung die Stadt in den vergangenen Jahren zunehmend Zeit und Geld investiert hat, sowie Teile der Stadtmauer an der Wallstraße.

Nach dem Abbruch der Stadtmauer entstand, etwa an der Stelle des inneren Grabens, ein Weg mit einer Doppelreihe von Kastanien, teils auch Linden. An der Westpromenade steht eine Reihe dieser Bäume zum Teil bis heute noch, die andere wurde 1929 zur Verbreiterung des Fahrweges gefällt. An den ehemaligen Stadttoren blieben zunächst Parzellen als Brandweiher und Bleichen im städtischen Besitz.

Bis 1898 hieß dieser Rundweg um den traditionellen Stadtbezirk nur die „Promenaden“. Dann kamen als zusätzliche Bezeichnung die Namen der vier Himmelsrichtungen hinzu. Seitdem gibt es die Süd-, West-, Nord- und Ostpromenade.

Im ersten Teil dieser kleinen Promenaden-Serie blicken wir zunächst auf die Südpromenade. Sie verbindet die Kölner Straße mit der Aachener Straße. Anfang des 19. Jahrhunderts gab es hier nur am Kölner- und am Aachener Tor je einen größeren Hof, die aber beide ihre Frontseiten zur Bellinghovener Straße beziehungsweise Maarstraße hatten.

So dicht bebaut wie heute war die Straße damals noch lange nicht: Das übrige Gebiet war stadtinnen Garten-, außenseits meist Wiesengelände. Die Bebauung begann hier erst nach 1900 zögerlich.

In den Jahren 1903/04 wurde an der Südpromenade die Brauerei Aretz gebaut. Die für eine Kleinstadt riesige Anlage entstand nach dem Brand der alten Brauerei. Es war ein repräsentativer Industriebau mit roten und gelben Klinkern. Kurz vor dem ersten Weltkrieg wurden die Gebäude verkauft. Hier war dann bis zum Ende des Krieges eine Chemische Fabrik. Im Krieg wurden die Gebäude teilweise zerstört und nicht wieder aufgebaut. Lange Zeit war es ein brach liegendes Gelände, später wurde das gesamte Gelände mit Wohnungen bebaut.

Das Gymnasium wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbaut, während des Kriegs aber vollkommen zerstört.

Das Gymnasium wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbaut, während des Kriegs aber vollkommen zerstört.

Foto: Wilhelm Schmitter

In den Jahren 1905/06 wurde auf der Südpromenade das Gymnasium gebaut. Den Bau ermöglichte eine Spende Anton Rakys. Der Konstrukteur und Maschinenbau-Pionier, der in Erkelenz viele Spuren hinterließ, stiftete zweckgebunden 50.000 Mark. Bis 1907 befanden sich hier dann die Höhere Bürgerschule, ab 1908 ausgebaut zum Progymnasium, 1920 zum Vollgymnasium. Auch dieses Gebäude wurde 1945 während des schweren Kriegsbombardements völlig zerstört. Auf dem Trümmergrundstück entstand 1951/52 ein Gewerbebetrieb. An dessen Stelle wurde dann 1994 ein Altenpflegeheim gebaut.

1912 bis 1914 erfolgte die erste Wohnbebauung, als Anlieger der Südpromenade am Maartor Gartenland für die projektierte spätere Wilhelmstraße abgeben mussten und dafür mit gegenüber der Promenade liegendem Land, das im Protokoll als Gemeindewiesen bezeichnet ist, entschädigt wurden. So entstanden die Häuser Nummer 5, 7, 9, 11 und 13.

Dem ehemaligen Gymnasium gegenüber gab es bis 1947 einen Tennisplatz (Grundstück des Turnvereins). Der Turnverein baute hier 1951 eine Sporthalle. Sie entstand damals zum großen Teil in Selbsthilfeaktionen. Erkelenzer Firmen unterstützten den Bau großzügig. In Erkelenz waren alle Säle zerstört. Die Halle wurde daher auch für kulturelle Zwecke genutzt. 1976 wurde das Gelände mit dem fünfstöckigen Miethaus mit Geschäftsetage bebaut.

1956 wurde an der Südpromenade das neue Finanzamt gebaut. Bis dahin gab es auf dem Gartengrundstück den sogenannten Jungsbluths-Berg. Diese Erderhöhung war ein Rest des alten Stadtwalls, der sonst überall eingeebnet war. In den 1970er Jahren und auch später entstanden auf der Südpromenade mehrere Mietshäuser, unter anderem auch das heutige Ärztehaus neben der ehemaligen Brauereiruine.

Die Karte von Wilhelmus Blaeu (17. Jahrhundert) zeigt deutlich die ehemalige Stadtmauer und die vier Stadttore.

Die Karte von Wilhelmus Blaeu (17. Jahrhundert) zeigt deutlich die ehemalige Stadtmauer und die vier Stadttore.

Foto: Heimatverein Erkelenz

Günther Merkens ist Ehrenvorsitzender des Heimatvereins der Erkelenzer Lande und berichtet für unsere Redaktion regelmäßig über historische Themen rund um Erkelenz. Mehr zur Geschichte der Stadt gibt es auch im Virtuellen Museum des Heimatvereins.

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