Umfrage Reaktionen zum Kohleausstieg-Fahrplan NRW aus Erkelenz
Bund und Länder haben sich in der Nacht zum Donnerstag, 16. Januar 2019, auf einen Fahrplan für den Kohleausstieg geeinigt. Für Nordrhein-Westfalen bedeutet das: Der Tagebau Garzweiler wird weiter abgebaggert, der in Hambach dagegen verkleinert. Tausende Menschen hatten 2018 und 2019 für eine andere Entscheidung rund um Keyenberg protestiert. Wir haben uns in Erkelenz umgehört, wie Betroffene und Politiker auf die Entscheidung aus Berlin reagieren.
Peter Jansen (CDU), Bürgermeister von Erkelenz: „Der im vergangenen Jahr im Januar in Berlin geschlossene Kohlekompromiss hat zu keiner Stunde bei mir Freude ausgelöst. Wenn in dem Papier steht, den Hambi zu erhalten, sei wünschenswert, ist das bereits das falsche Signal für Erkelenz gewesen. Deshalb habe ich immer vor übertriebenen Hoffnungen gewarnt, die Umsiedlungsdörfer könnten noch erhalten werden. Wir in Erkelenz sind für die Großpolitik nur ein Spielfeld, das sage ich seit Jahren. Für die Menschen, die in Keyenberg, Kuckum, Berverath, Ober- und Unterwestrich bleiben wollen und die bis zum letzten Tag kämpfen, habe ich größtes Verständnis – sie haben meinen höchsten Respekt. Mit Blick auf das, was mit dem Erhalt von Holzweiler schon erreicht wurde, muss man aber auch sagen: Die Bemühungen des Protestes, des Stadtrates und der Stadt waren nicht vergebens. Was jetzt geschehen muss, ist, dass das Land Nordrhein-Westfalen die Leitentscheidung von 2016 zum Tagebau Garzweiler ergänzt. Ich habe heute noch einmal die Zusage aus Düsseldorf erhalten, dass daran mit Hochdruck parallel zum Gesetzgebungsverfahren in Berlin, das bis Mai laufen soll, gearbeitet wird. Es muss darin die rote Linie für den Tagebauverlauf gezogen werden, und dabei erwarte ich schon noch eine Verbesserung zur Leitentscheidung von 2016. Die Linie wird nicht unsere fünf Dörfer erhalten, beim Abstand zu den Randdörfern muss aber noch etwas kommen. Außerdem erwarte ich für Erkelenz bei den Strukturhilfen großes Entgegenkommen.“
Ingo Bajerke, Keyenberg: „Ich bin enttäuscht und traurig. Es ist gut, dass der Hambacher Forst bleibt, aber unsere Dörfer springen über die Klinge. Leider habe ich das schon befürchtet, weil die Tagebaugrenze auf 500 Meter an den Ort herangerückt ist. Die Bagger standen Weihnachten hoch vor dem Dorf wie ein Mahnmal, das sagen will: Ihr habt keine Chance mehr. Wir haben versucht, beim Protest aus dem Schatten des Hambacher Forstes herauszutreten, was leider nicht geschafft wurde.“
Rainer Merkens, Fraktionsvorsitzender der CDU im Erkelenzer Stadtrat: „Ich bin völlig enttäuscht und bitte die anderen Fraktionen im Erkelenzer Stadtrat um ein zeitnahes Treffen. Wir sollten uns überlegen, ob wir gegen den Tagebau Garzweiler II klagen wollen. Mehr wie jetzt können wir nicht verlieren. Ich lesen zwar klar aus Berlin, dass Hambach verkleinert werden soll und dass Garzweiler als energiepolitisch notwendig festgesetzt wird. Ansetzen sollten wir bei der Frage nach dem Klageweg aber trotzdem dabei, ob für die Fortführung des Tagebaus wirklich noch die energiepolitische Notwendigkeit gegeben ist.“
Britta Kox, Berverath: „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Wir von ,Alle Dörfer bleiben’ werden weitermachen. Es gibt eine Studie, die besagt, dass die Kohle über das Jahr 2038 hinaus reicht, auch wenn der Hambacher Forst und unsere Dörfer stehenbleiben. Ich sehe für uns weiterhin eine Chance, weil es aus Berlin heißt, dass der Kohleausstieg möglicherweise schon 2035 erreicht werden soll. Bund und Land müssen entsprechend mehr tun als Bäume stehen zu lassen. Wenn der Forst sicher ist, gehe ich davon aus, dass der Protest jetzt komplett auf die Dörfer umschwenken wird.“
Katharina Gläsmann, Ortsverbandsvorsitzende der SPD Erkelenz: „Mein erster Gedanke war ein Fluch. Mich nervt, dass ein Wald Vorrang vor Menschen hat. Das ist nicht richtig. Da werden Bäume gegen Menschen, Arbeitsplätze gegen Heimat aufgerechnet – diese Rechnung funktioniert nicht, alles ist gleich existenziell. Wir werden uns mit den anderen Fraktionen aus dem Erkelenzer Stadtrat an einen Tisch und gerne über den CDU-Vorschlag einer Klage gegen den Tagebau sprechen. Dafür wird es sicherlich auch in meiner Fraktion eine Mehrheit geben. Meiner Meinung nach ist die Braunkohle nicht mehr in den angesprochenen Mengen nötig.“
David Dresen, Kuckum: „Wir sind unglaublich wütend und sauer auf Ministerpräsident Armin Laschet, der die Meinung der Betroffenen aus dem Dörfern ignoriert hat. Wenn der Bund Milliarden für Strukturhilfen ausgibt, macht es für uns keinen Sinn, wenn dafür weder die Dörfer noch das Klima gerettet werden. Was in der Nacht in Berlin von Bund und Ländern vereinbart worden ist, wird an unserem Widerstand nichts ändern – aber bisher ist das auch nur ein Entwurf. Wir werden unsere Dörfer nicht aufgeben, egal wie die Politik entscheidet.“
Thomas Schnelle (CDU), Landtagsabgeordneter für das Erkelenzer Land: „Wir alle in der Region haben uns gegen die Inanspruchnahme von Garzweiler II gewehrt. Zuletzt aber mit der rot-grünen Leitentscheidung 2016 war die schmerzliche und drohende Umsiedlung für alle klar. Der weitaus überwiegende Teil der Bewohner haben sich daran gemacht, diese Umsiedlung mit all ihren Problemen anzupacken. Auch die Vereine und Ortsgemeinschaften leisten hervorragendes, um diese Umsiedlung so gut wie möglich hin zu bekommen. Endlich ist jetzt auch durch die Vermittlung der Bundeskanzlerin eine Entscheidung getroffen worden. Diese hätte ich mir schon zu einem früheren Zeitpunkt erwünscht, weiß aber auch um die vielfältigen Probleme und Fragestellungen, die mit dem Kohleausstieg verbunden sind. Diese Entscheidungen halten sich an die Empfehlungen der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung. Schon in dieser habe ich bedauert, dass der Hambacher Forst als vorrangig vor den Umsiedlungsdörfern erachtet wurde. Mit der jetzigen Entscheidung ist die energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Tagebaus Garzweiler II in den Grenzen der rot-grünen Leitentscheidung von 2016 festgestellt wurde. Dies bedeutet die weitere Umsiedlung der Dörfer, so wie sie bereits 2016 beschlossen wurde. Ich habe großes Verständnis für diejenigen, die sich für den Erhalt ihrer Häuser einsetzen. Man muss aber auch berücksichtigen, dass die Umsiedlung schon weit fortgeschritten ist. Für die vielen, die sich auf den Weg gemacht haben und diejenigen, die an den neuen Ort folgen wollen, herrscht nun endlich Planungssicherheit. Es gilt nun, den vereinbarten Stilllegungspfad schnellstmöglich auf die Tagebauplanung für Garzweiler II anzuwenden. Hier werde ich mich weiter für Verbesserungen am Tagebaurand einsetzen und glaube fest, dass zum Beispiel der Emissionsschutzwall in Kaulhausen nicht an dieser Stelle bleiben wird.“
Beate Schirrmeister-Heinen (Grüne), Sprecherin der Fraktion im Rat der Stadt Erkelenz: „Als ich heute früh von der Entscheidung erfuhr, habe ich heulend im Bett gesessen. Für mich ist das alles nicht mehr nachvollziehbar. Ich kann einfach nicht verstehen, dass die noch verbliebenen intakten Dörfer wie Kuckum und Berverath noch umgesiedelt werden sollen. Es ist eine Unverschämtheit, dass jetzt der Steuerzahler das unternehmerische Risiko mitbezahlen muss. Meine Hoffnungen ruhen auf einer Klage der Eigentümergemeinschaft. Vielleicht kann auf diesem Weg doch noch der Erhalt eines großen Teils des Stadtgebiets erreicht werden.“
Stephan Pusch (CDU), Landrat des Kreises Heinsberg: „Soweit ich die Einigung zurzeit bewerten kann, wurde die finanzielle Beteiligung des Bundes festgeschrieben und die Möglichkeit eröffnet, den Ausstieg aus der Braunkohle noch weiter nach vorne zu ziehen. Was das konkret für Erkelenz bedeutet und die betroffenen Dörfer, kann man aus meiner Sicht erst abschließend bewerten, wenn das Land, das jetzt am Zuge ist, den Rahmenbetriebsplan für Garzweiler anpasst. Ich hätte mir natürlich gewünscht, das neben der Erwähnung des Hambacher Forstes auch ein Wort zu den betroffenen Dörfern gesagt worden wäre – mir liegen zurzeit noch keine detaillierteren Informationen vor, die eine abschließende Bewertung ermöglichen können. Positiv ist aber in jedem Fall, dass der Bund und die Bundesländer eine Einigung erreicht haben. Insofern ein Erfolg für Armin Laschet.“
Stefan Lenzen (FDP), Landtagsabgeordneter aus dem Kreis Heinsberg: „Mit der Einigung wird Klarheit geschaffen. Klarheit über den Fahrplan, Klarheit für die Menschen in unserer Region, insbesondere für die Menschen aus den Erkelenzern Umsiedlerorten. Die Ungewissheit, die seit dem sogenannten Kohlekompromiss bestand, hat die persönlichen Planungen für die Zukunft – darf beziehungsweise muss ich umsiedeln oder nicht – erschwert. Entscheidend ist jetzt, dass das Gesetzgebungsverfahren zügig umgesetzt wird und die Mittel für den Strukturwandel bereitgestellt werden. Diese sollten vorrangig in die besonders betroffenen Gebiete, allen voran Erkelenz und den Kreis Heinsberg, fließen. Schließlich sind es die Menschen in den hiesigen Umsiedlerorten, die ein hohes persönliches Opfer für die Energieversorgung der Allgemeinheit bringen. Der Strukturwandel kann, wenn wir ihn richtig gestalten, Chancen für unsere Region bringen sowie neue Ausbildungs- und Arbeitsplätze schaffen. Dabei sollten wir auf interkommunale Industrie- und Gewerbegebiete und den Ausbau der Infrastruktur vor Ort setzen.“
Michael Königs, Anwohner des künftigen Tagebaurandortes Kaulhausen: „Unerträglich ist für mich, was ich aus Berlin höre. Ich bin maßlos enttäuscht. Wir kämpfen für einen größeren Abstand zwischen Kaulhausen und dem Tagebaurand. Das aber scheint jetzt ausgeschlossen, weil ganz Garzweiler II ausgekohlt werden soll. Ministerpräsident Armin Laschet hatte sich 2018 angesehen, wie unser Haus unter 100 Meter vom Emissionsschutzwall und damit vom künftigen Tagebau entfernt liegt. Dass das nicht geht, hatte er nach meiner Sicht damals eingesehen. Für mich ist der jetzt in Berlin zwischen Bund und Ländern getroffene Fahrplan zum Kohleausstieg unverständlich, weil die Politiker vor den Klimaaktivisten aus dem Hambacher Forst zurückgeschreckt sind. Unsere Politiker Oellers, Schnelle, Jansen und der Stadtrat müssen weiter für uns kämpfen.“
Werner Krahe, Fraktionsvorsitzender der FDP im Erkelenzer Stadtrat: „Zunächst begrüße ich es, dass die Bundesregierung endlich und hoffentlich zügig Klarheit und Rechtssicherheit für alle Betroffenen schaffen will. Enttäuschend ist es, dass bei der Bund-Länder-Einigung der Erhalt eines Waldstückes offensichtlich wichtiger war, als das Schicksal der betroffene Menschen in Erkelenz. Durch die Entscheidung, den Tagebau Garzweiler nach Plan fortzuführen, rückt das Thema ,Mindestabstand zu den Tagebaurandgemeinden’ unmittelbar in des Fokus. Hier müssen Verwaltung und Politik mit aller Kraft auf die Erfüllung unserer seit Jahren immer wieder erhobenen Forderung nach einem Mindestabstand von 500 Metern drängen. Da den Mitgliedskommunen des Zweckverbandes Landfolge Garzweiler und insbesondere die Stadt Erkelenz durch diese Einigung offensichtlich die höchste Betroffenheit auferlegt wird, müssen auch künftige Fördermittel für den Strukturwandel schwerpunktmäßig in unsere Region fließen. Es darf nicht sein, dass wir hier in Erkelenz die Opfer bringen und andere Regionen weit ab vom Tagebau die Fördermittel erhalten.“
Karl-Heinz Frings, Fraktionsvorsitzender der Bürgerpartei Erkelenz: „Ein Jahr wurde verschenkt seit die Kohlekommission den Grundsatzbeschluss zum Kohleausstieg gefasst hat, nur um gestern Nacht mal wieder einen faulen Kompromiss zu finden, der eher kosmetischer Natur ist. Dieses Jahr hätte man zum früheren Ausstieg nutzen müssen und sich um die wirklich wichtigen Themen zu kümmern. Schön ist: Der Hambacher Forst bleibt erhalten. Das ist aber nur als Symbolpolitik und als Beruhigungspille zu verstehen. Den ersten Pressemeldungen zufolge geht es zuallererst nur um milliardenschwere Entschädigungen der Kohleindustrie, nicht um die Menschen, die betroffen sind. Für uns ist es weiterhin nicht akzeptabel, dass Menschen ihre Heimat verlieren für eine umweltschädliche Kohleverstromung, die die Mehrheit unserer Bevölkerung nicht mehr will. Wir fordern weiterhin den vorzeitigen Stopp des Braunkohletagebaus. Leider zeigt sich daran wieder, dass Herr Laschet es nicht wirklich meint mit dem Kohleausstieg und er erst, wie beim Hambacher Forst gesehen, zum Umweltschützer mutiert, wenn es nicht mehr anders geht. Wir fordern ihn auf, mutig und Vorreiter zu sein, um die Umsiedler vor RWE zu schützen.“
Christoph Moll, Fraktionsvorsitzender von Freie Wähler/UWG Erkelenz: „Die Entscheidung zum Kohleausstieg ist richtig, kommt allerdings aus Sicht der Freien Wähler Erkelenz viele Jahre zu spät! Eine Änderung zum jetzigen Zeitpunkt – mitten während der letzten Phase der Umsiedlung – hätte die ohnehin schwere Situation für die unmittelbar Betroffenen nicht tragbar gemacht!“

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