Vortragsabend beim Erkelenzer Heimatverein Dunkelstes Kapitel deutscher Geschichte
Erkelenz · Auch am Erkelenzer Land ging die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten nicht vorbei. Zum 90. Jahrestag der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler lud der Erkelenzer Heimatverein zu mehreren Vorträgen ein, die nachdenklich machten.
Rote Hakenkreuz-Fahnen in der Kölner Straße und im Stadion an der Westpromenade, Fackelzüge der NSDAP, die völlig zerstörte Innenstadt: Auf Einladung des Heimatvereins der Erkelenzer Lande nahmen drei Referenten ihre Zuhörer mit auf eine Zeitreise, als sie ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte aufschlugen.
Im Alten Rathaus machte Rita Hündgen, die Vorsitzende des Heimatvereins der Erkelenzer Lande, deutlich, dass man keinesfalls von einer Machtergreifung sprechen könne. Vor 90 Jahren habe der damalige Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Eine ganze Reihe verschiedener Faktoren hätte dafür gesorgt, dass der Diktator an die Macht kam: die Hyperinflation von 1923, als ein Ei 15 Milliarden Mark gekostet habe, die Weltwirtschaftskrise, in der 44 Prozent der Erwerbstätigen keine Arbeit gehabt hätten.
Die Sturmabteilung (SA) als paramilitärische Kampforganisation der NSDAP habe während der Weimarer Republik großen Zulauf an Arbeitslosen gehabt, da sie ihnen Lohn und Brot geboten habe. Auch Unterstützer machten Hitlers politischen Aufstieg möglich, darunter Bankiers, Industrielle wie Fritz Thyssen, die sich vom drohenden Krieg satte Gewinne in der Rüstungsindustrie versprachen. Und Winifred Wagner. Die einstige Prinzipalin der Wagner-Festspiele von Bayreuth und Hitler-Verehrerin habe ihn salonfähig gemacht und ihn nach seinem Tod „USA“ genannt, Abkürzung für „Unser seliger Adolf“. Das Versagen einiger Politiker habe die Menschen damals in die Arme der Rechten und Linken getrieben, erklärte die pensionierte Geschichtslehrerin.
Dominik Mercks beleuchtete in seinem Vortrag die Parteienlandschaft in der Zeit von 1919 bis 1933. „In der Weimarer Republik wurde ständig gewählt“, erläuterte der Erkelenzer Musikjournalist. Damals seien die politischen Verhältnisse instabil gewesen. Die Parteienlandschaft sei religiösen und wirtschaftlichen Strukturen gefolgt, machte er deutlich. Die einzelnen Blöcke seien zersplittert gewesen, reichsweit wie auch im Erkelenzer Land, wo zunächst noch bei der Reichstagswahl im Juni 1920 die Zentrumspartei mit 83 Prozent der Stimmen die starke politische Vertretung des Katholizismus gewesen sei, jedoch mehr und mehr ihrer Macht eingebüßt habe.
Josef Hahn, nach dem der Burgplatz benannt ist, sei damals nicht nur Herausgeber des Erkelenzer Kreisblatts gewesen, sondern auch sehr engagiert in der Zentrumspartei, die in Stadtrat und Kreistag zunächst sehr stark gewesen sei. Die reichsweiten Entwicklungen seien auch im Erkelenzer Land spürbar gewesen. So hätten bei den Reichstagswahlen vom Mai 1928 andere Parteien mehr und mehr Stimmenanteile bekommen. Zum Vergleich: Neun Prozent der Erkelenzer Stimmen entfielen, so Mercks, bei den Reichstagswahlen im September 1930 auf die NSDAP, 44 Prozent waren es im März 1933. Rund 30 Prozent der Sitze in Stadtrat und Kreistag gingen laut Mercks nun an die Nationalsozialisten. „Der Aufstieg hatte hier ein niedrigeres Niveau, verlief aber ähnlich wie bei den Reichstagswahlen.“
Schließlich sei es zum Zusammenbruch demokatischer Strukturen gekommen, als Bürgermeister und Landrat beurlaubt, Anhänger von SPD und KPD verhaftet worden seien. In einer ersten Etappe hätten die Nationalsozialisten vor allem Gewinne aus dem bürgerlichen Lager eingefahren, danach auf Kosten aller anderen in einer beginnenden Diktatur. Günther Merkens, Ehrenvorsitzender des Heimatvereins, zeigte alte Fotos, die Einblicke gaben in die Stadt zur Zeit des NS-Regimes sowie danach ab Februar 1945. „Hier war es deutlich ruhiger als in Berlin“, sagte er.
Auch die lokale Medienlandschaft habe sich in dieser Zeit deutlich verändert. Das Erkelenzer Kreisblatt sei zwar nicht verboten worden, es habe aber nur noch unter Repressalien der Nazis erscheinen können.
Und: Auch Frauen und Mädchen seien an den Aufmärschen in der Erkelenzer Innenstadt beteiligt gewesen.