Erinnerung an 1860 Als der Kirchturm von St. Lambertus brannte

Erkelenz · Die Brandkatastophe von Notre Dame in Paris erinnert den Heimat- verein der Erkelenzer Lande an ein Feuer, das am 19. Februar 1860 den Kirchturm von St. Lambertus in Brand setzte. Hubert Rütten vom Verein hat dazu im Archiv einen Bericht gefunden.

     Der Erkelenzer Rainer Merkens hat die Kirche St. Lambertus, so wie sie aktuell aussieht, fotografiert und das Bild farblich verstärkt. Das historische Gebäude hat schon mehrere Brände und Kriege überstanden.

Der Erkelenzer Rainer Merkens hat die Kirche St. Lambertus, so wie sie aktuell aussieht, fotografiert und das Bild farblich verstärkt. Das historische Gebäude hat schon mehrere Brände und Kriege überstanden.

Foto: Rainer Merkens

„Die Uhr zeigte am Sonntag die 9. Stunde, als mit anhaltendem Schneegestöber und heftigem Sturmwinde die Bewohner der Stadt Erkelenz durch Donnerschlag und Blitz aufgescheucht wurden. Das Wetter brauste von Süd-West. Augenzeugen bemerkten über dem Kreuze der Thurmspitze der Pfarrkirche eine Feuerkugel, die sich zu theilen und in zweien blauen Strahlen dem Kreuze entlang bei einem knarrenden Geräusche in die Thurmspitze einzusenken schien. Aussprühende Feuerfunken machten es leider unverzüglich nur zu wahr, daß der Blitz gezündet.

In wenigen Minuten war der Thurm von braven Bürgern erstiegen und zeigte es sich, daß das Innere der Spitze an zwei Stellen vom Feuer ergriffen war. Es begannen an dieser gefährlichen Stelle von den Meistern Mertens, Heinrich Clemens, von Coeln und dem Kamin-Gesellen Schluns und von Anderen die Versuche das Feuer zu ersticken, dadurch, daß man in Wasser getunkte Tücher auflegte, daß man Brandspritzen in Thätigkeit setzte, daß man schwarze Seife verstrich, daß man Beile und Äxte handhabte, aber vergeblich.

Die gegen Himmel lodernde Flamme verkündete der am Fuße des Thurmes in dumpfer Verzweiflung harrenden Menge, daß alles Menschenwerk eitel! Umsonst waren die Anstrengungen jener unerschrockenen Männer. Das Signal zu den umfassendsten Löschungs-Vorbereitungen war damit gegeben. Durch reitende Boten wurden Feuerspritzen und Mannschaften aus den nahegelegenen Ortschaften requiriert. Gegen 10 ½ Uhr hatte das Feuer bereits einen solchen Schaden angenommen, daß die Bewohner der der Kirche zunächst gelegenen Häuser, insbesondere der Brückstraße, auf ihre eigene Rettung Bedacht nehmen mussten. Das entfesselte Element schien sich in Feuerregen auflösen zu wollen, der vom Sturmwinde bald nach dieser, bald nach jener Richtung hingepeitscht wurde.

 Erkelenz um 1850: In diese Zeit fällt das Feuer, das im Kirchturm von St. Lambertus ausbrach.

Erkelenz um 1850: In diese Zeit fällt das Feuer, das im Kirchturm von St. Lambertus ausbrach.

Foto: Heimatverein Erkelenz

Das südliche Seitenschiff der Kirche hatte Feuer gefangen und kam von dort bald die zweite und ebenso bedrohliche Gefahr. Kühne Bürger waren es wieder, die hier den Schauplatz ihrer Thätigkeit suchten; der Kamin-Geselle Schluns, der Dachdecker von Coeln, der Hausknecht Hermann Heinrichs hielten stundenlang Stand, arbeitetend. Man rettete, flüchtete – und es trat der ebenso erhabende als erhebende Moment ein, worin der Herr Oberpfarrer das Sanctissimum aus der Kirche entfernte: die Arbeit stockte, man betete!

Gegen 1 Uhr Nachts war das Feuer des südlichen Seitenschiffes ziemlich gelöscht. Inzwischen wurde von einem Bausachverständigen, um zu verhindern, daß die Feuermassen der abbrennenden Thurmspitze, welche auf einer Art von Gewölbe – einem Estrich – lagerten, sich dem Glockenstuhl mittheilten, der Vorschlag gemacht, über diesem Estrich ein Hilfsgewölbe anzubringen durch Auflegen von Planken und Erde. So weit aussehend die dazu erforderliche Arbeit war, sie wurde unternommen, aber leider nur, um sie, sei es als verspätet, sei es als undurchführbar, bald wieder einzustellen.

Als einem der Unterzeichneten die Ansicht gemacht wurde, daß nunmehr der Einsturz bevorstehe, wurden zur Verhütung von größerem Unglück Anstalten getroffen, die Kirche von Menschen zu räumen und die bedrohten Straßen absperren zu lassen. Um zu verhindern, daß wenn dieses Unglück wirklich einträte, das Feuer sich mindestens nicht unverzüglich dem Hauptschiffe mittheilte, erbot sich in diesem kritischen Augenblick der Meister Edurad Mertens von hier, den Eingang, der aus dem Thurme dorthin führte, durch Bretter, Schiefer und Erde zu versperren, ein Wagestück, das er auch sogleich ausführte.

Auch mußte zu dieser Stunde die Aufmerksamkeit auf das nördliche Seitenschiff der Kirche gerichtet werden, wo ebenfalls Feuer ausgebrochen war. Den anhaltenden Bemühungen der Dachdecker Jackels und von Coeln gelang es indes hier die Gefahr zu beseitigen. Mittlerweile überzeugte man sich immer mehr und mehr, daß die ganze Thätigkeit darauf gerichtet sein müsse, der Feuermassen der nunmehr abgebrannten Thurmspitzte auf dem Estriche, dessen eigenthümliche Construktion nicht hinlänglich bekannt war, Herr zu werden. Zu diesem Zwecke war es aber erforderlich, Wasser zu schaffen und zwar der Thurmtreppe entlang in einer Höhe von 130 Fuß. 80 Personen waren mindestens erforderlich, um diesen Dienst in der Treppe gehörig zu versehen, es war die letzte verzweifelte Anstrengung gegen 3 Uhr Morgens. Nachdem die Behörde durch Ersteigen des Thurmes sich überzeugt, daß das Aufpflanzen der Hilfsmannschaft in der Turmtreppe hinreichend gefahrlos schien, erfolgte der Aufruf zur Hilfeleistung sowohl an die kleine Schar der noch ermattet Anwesenden, als dadurch, daß zu den Nachbarorten mehrmals Boten entsendet und endlich die bereits heimgekehrten Bewohner der Stadt abermals zur Stelle alarmiert wurden.

Zwischen Jung und Alt, Hoch und Niedrig begann der Wetteifer, nachdem die Bürger Mertens, Heinrich Clemens, Schlunks, Schreinergeselle Rütter, Dachdeckermeister Lemmen und andere zur Feuerstelle geeilt, um mit ihrer äußersten Kraftanstrengung dieses letzte Rettungsmitteel zu versuchen. Ausdauer! Ausdauer! rief es von allen Seiten. Man denke sich 80 Leute in der Nacht, in einer mit Eis bedeckten Thurmtreppe, der Eine über dem Anderen. Alle mit gefüllten Wassereimern versehen, und darüber ein FEUERMEER! Drei Mal wurden die Mannschaften gewechselt, inzwischen gelang es, das Feuer auf dem Estrich, und namentlich dem Meister Mertens, die unter demselben glühenden Balken mit einer Brandspritze zu löschen, indem er die Hauptkirchenglocke als Schutzdach benutzte. Gegen 8 Uhr Morgens war das entfesselte Element bewältigt.

Unterzeichnet ist der Bericht von den Herren Landrath Claessen, Bürgermeister Büschgens und dem Beigeordneten A. Spieß.“

(RP)
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