Erkelenz Erfindergeist aus Gerderath

Erkelenz · 23 Kilometer sind es von Gerderath bis Mönchengladbach-Hermges bei Rheydt. Für den am 18. September 1850 in Gerderath geborenen August Monforts war es eine wichtige Distanz - die vom Bauernsohn zum Ingenieur mit Weltruf.

 Zeitweise im Besitz der Familie Monforts befand sich auch das Alte Gericht an der Palandstraße in Hückelhoven-Kleingladbach.

Zeitweise im Besitz der Familie Monforts befand sich auch das Alte Gericht an der Palandstraße in Hückelhoven-Kleingladbach.

Foto: Dietmar Schmitz

Als Gerderather mit Verwandtschaft in den Hückelhovener Stadtteilen Kleingladbach und Brachelen siedelte August Monforts mit seiner Maschinenfabrik auf dem Areal des Ückelhofer Hofs an, einem früheren Lehnshof der Familie von Hückelhoven, dem vor 130 Jahren (1885) das H am Anfang von der Stadt gemopst worden war. Die Wurzeln ermittelte der Klinkumer Geschichts- und Ahnenforscher Dietmar Schmitz, Leiter des Arbeitskreises Ahnenforschung im Heimatverein der Erkelenzer Lande.

 August Monforts vor gut einhundert Jahren.

August Monforts vor gut einhundert Jahren.

Foto: Repro: Dietmar Schmitz

Und bei einschlägigen Recherchen im Mönchengladbacher Raum stieß Dietmar Schmitz auf Wilhelm August Monforts und dessen Geburtsort Gerderath, wo das Geburtshaus von 1792 in der Lauerstraße 40 heute noch steht, es befindet sich auch auf der Denkmalschutzliste der Stadt Erkelenz.

 Briefkopf mit dem Firmengelände vor etwa 100 Jahren. Am oberen Bildrand ist der Abteiberg mit dem Mönchengladbacher Münster zu erkennen.

Briefkopf mit dem Firmengelände vor etwa 100 Jahren. Am oberen Bildrand ist der Abteiberg mit dem Mönchengladbacher Münster zu erkennen.

Foto: Dietmar Schmitz

Wilhelm August Monforts' Vater Peter Anton war "Ackerer", ein im 19. Jahrhundert gebräuchlicher Begriff für Landwirt, wobei Monforts auch als "Gutsbesitzer" bezeichnet wurde, Synonym für einen Großgrundbesitzer. Der sich offenbar intensiv mit den Bodenqualitäten seiner ausgedehnten Ländereien befasst hatte, denn er gehörte in den 1860er Jahren einer Kommission an, die eine Klassifizierung der Ackerflächen im Kreis Erkelenz vornahm. Für Anton Monforts' Kinder eine gute Vorlage, selbst in die Landwirtschaft einzusteigen, zu bleiben. Wilhelm August war allerdings unter den acht Kindern derjenige, der sich für Maschinentechnik interessierte, offensichtlich unternehmerische Dynamik mitbekommen hatte, eine entsprechende Ingenieur-Ausbildung durchlaufen und sich in die dynamische Textil- und Textilmaschinenindustriestadt Mönchengladbach orientiert hatte. Er trat in die Mönchengladbach-Eickener Textilmaschinenfabrik Franz Müller ein, die vor allem Textilveredlungsmaschinen herstellte, darunter Rauhmaschinen, die die Stoffoberfläche aufkratzten, aufrauten, um die Griffigkeit und die Wärmeisolation des Gewebes zu verbessern, hochwertige Maschinentechnik.

 Die Geburtsurkunde von August Monforts.

Die Geburtsurkunde von August Monforts.

Foto: Repro: Dietmar Schmitz

Die letzte Nachfolge-Firma von Müller ging laut einem Bericht der RP Mönchengladbach 2007 in die finale Insolvenz. Dem kam aber August Monforts vorausschauend zuvor, indem er 1884 als 34-Jähriger dieses Unternehmen verließ und (s)eine eigene Firma gründete, deren Geschäfts-Gegenstand Eisengießerei mit Produktion von Rauhmaschinen auf einem eigenen Grundstück in der Kronprinzenstraße war. Schon im Gründungsjahr, ermittelte Dietmar Schmitz, beschäftigte August Monforts, über den keine allzu üppigen Informationen vorliegen, bereits 52 Mitarbeiter und war damit ein ernsthafter Konkurrent für seinen bisherigen Arbeitgeber.

Dynamik und Erfindergeist beseelten den Ackerersohn aus Gerderath in einem Maß, dass er mit der von ihm entwickelten 24-walzigen Strich- und Gegenstrich-Rauhmaschine Weltruf errang, so mit der höchsten Auszeichnung auf der Weltausstellung 1893 in Chicago.

Es blieb auch der wirtschaftliche Erfolg nicht aus, konnte Dietmar Schmitz an der Baugeschichte von Monforts nachvollziehen, der schon 1897 12,5 Hektar neuen Lands im nahegelegenen Hermges an der heutigen Schwalmstraße, der Verlängerung der Ückelhofer Straße, im Rückraum des Einrichtungshauses Schaffrath an der historischen Stadtgrenze Rheydt-Mönchengladbach erwarb zur Erweiterung der Produktionsanlagen. Die neue Eisengießerei wurde mit hydraulischen Formmaschinen ausgerüstet und damit bei der Herstellung der Maschinen-Grundkonstruktionen auf eine neue Leistungsebene gehoben.

1916, mitten im Ersten Weltkrieg, wurde eine völlig neue Fabrik in Betrieb gegeben, die Verwaltung siedelte 1918 von der Kronprinzenstraße um, ab 1920, August Monforts war 70 Jahre alt, wurden auch Werkzeugmaschinen hergestellt.

Zuvor hatte August Monforts bereits in Rheindahlen-Peel Land gekauft, dazu große Teile des Waldes zwischen Rheindahlen und Hardt, auf dem er unter anderem ein Jagdhaus bauen ließ, das in Peel noch existiert.

1912 bereits war August Monforts zum Kommerzienrat ernannt worden, ein Ehrentitel von Preußen verliehen für Verdienste im Staat nach Stiftungen und anderen öffentlichen Aktionen. Monforts hatte eine Unterstützungskasse für in Not geratene Menschen ins Leben gerufen und baute Werkswohnungen für die Mitarbeiter.

Seit 1911 wurde Monforts' Sohn Josef Teilhaber der Firma und führend tätig, war zweimal kinderlos verheiratet und adoptierte 1938 die Kinder seiner Schwester Ernestine, die mit Dr. Siegfried von Hobe verheiratet war. Deren Nachkommen leiteten die heute noch existierenden Zweige des Unternehmens Monforts, das allerdings in chinesischen Händen liegt. August Monforts' Schwester Maria Johanna war mit dem Maschinenbauingenieur Wilhelm Reiners (die Familie kam ursprünglich aus Randerath) verheiratet, der 1896 in die damals kleine Firma Wilhelm Schlafhorst eintrat, das Unternehmen umkrempelte, Patente für Textilmaschinen und dafür 1913 die Goldmedaille auf der Weltausstellung im belgischen Gent erhielt, konnte Dietmar Schmitz ermitteln. Monforts und Schlafhorst entwickelten auch gemeinsame Unternehmen, nachdem Reiners 1910 Schlafhorst-Alleineigentümer geworden war. Alles in allem eine tiefe Verwurzelung im Mönchengladbacher Maschinenbau.

Der gebürtige Gerderather August Monforts starb 1926 mit 75 Jahren, Sohn Joseph war damit Alleininhaber, unterstützt von seinem Vetter Franz Reiners. Als dritte Generation stiegen Josephs Neffen und Adoptivsöhne Dietrich und Caspar Monforts von Hobe in das Unternehmen ein. Deren Nachkomme Clemens-August Monforts von Hobe leitete Monforts noch von 1986 bis 2006, wurde zum Weltmarktführer im Textilmaschinenbereich - mit seinem Ausscheiden gingen alle Geschäftsanteile an die traditionsreiche Lübecker Stiftung Possehl. 2013 ist die Firma A. Monforts Textilmaschinen Teil der chinesischen CHTC Fong's Group, einer der größten Textilmaschinen-Hersteller der Welt. Im 134. Jahr seit der Gründung durch August Monforts existiert das Unternehmen also immer noch - unter Globalisierungsbedingungen.

(isp)
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