Serie Straßengeschichte – Teil 4.3 Kölner Straße 13 sorgt für Gesprächsstoff

Erkelenz · Das Müller-Zündorf-Grundstück reicht bis zur Südpromenade. Ausstatter Hut Jansen liegt am historischen Kölner Tor.

 Die Kölner Straße 13 mit Arkaden vor dem 2. Weltkrieg.

Die Kölner Straße 13 mit Arkaden vor dem 2. Weltkrieg.

Foto: Laugs

Kaum ein Leerstand eines Geschäftes in der Innenstadt sorgt bei den Erkelenzer Bürgern für so viel Gesprächsstoff wie die Ende 2015 geschlossene Filiale des ehemaligen Lebensmittelsupermarktes Kaisers, dessen Markenzeichen eine dickbauchige Kaffeekanne mit lachenden Wangen und spitzer Nase war. Bedauert wird seitdem der Verlust einer traditionsreichen wie gleichsam guten Lebensmittel-Einkaufsmöglichkeit im Innenstadtkern. Doch es scheint sich etwas zu bewegen, ist sogar von Verhandlungen die Rede, womit es gleichzeitig in den Kesseln und Töpfen der Gerüchteküche angefangen hat zu brodeln. Und darin scheint – allerdings fern vom Lebensmittelbereich - der Name der Drogeriemarktkette Rossmann zu garen. Dazu sagt eine Stimme am Rossmann-Firmensitz im niedersächsischen Burgwedel, von wo aus die mehr als 2100 Filialen mit über 32.000 Mitarbeitern verwaltet werden: „Erkelenz ist ein interessanter Standort für Rossmann. Doch grundsätzlich äußern wir uns bei Standortanfragen erst dann mit Informationen, wenn ein Mietvertrag von beiden Seiten unterschrieben wurde.“

Apropos Gerüchteküche: Da hört man auch, dass nicht nur die große Verkaufsfläche des ehemaligen Kaisers-Marktes renoviert, sondern auch der hintere Bereich der Garagen und Parkplätze an der Südpromenade mit einbezogen werden soll. An dieser Stelle stand viele Jahre eine Esso-Tankstelle.

 Ein Blick in die Geschäftsräume von Zündorf. Hinter dem Verkaufstresen Christine Laugs, geborene Zündorf, davor Sohn Wolfgang (Enkel von Mathias Zündorf), der heute 80 Jahre alt ist.

Ein Blick in die Geschäftsräume von Zündorf. Hinter dem Verkaufstresen Christine Laugs, geborene Zündorf, davor Sohn Wolfgang (Enkel von Mathias Zündorf), der heute 80 Jahre alt ist.

Foto: Laugs

Auch der dritte Teil der Erkelenzer Straßengeschichte zur Kölner Straße beschäftigt sich mit dem belebten Fußgängerzonenbereich zwischen Markt und Süd/Ostpromenade – explizit mit den Hausnummern 13 und 15 auf der „ungeraden Seite“:

 Heute: Kölner Straße 15 mit dem eingemeißelten Kölner Tor.

Heute: Kölner Straße 15 mit dem eingemeißelten Kölner Tor.

Foto: Archiv

Hausnummer 13 Die Vor- und erste Nachkriegszeit wurde zunächst von den Eheleuten Maria und Mathias Zündorf gestaltet. Er wurde 1877 in Beckrath geboren, Sie in Holtum, von wo aus beide zunächst mit einem Handwägelchen unter anderem Butter, Eier und Käse vertrieben. Das änderte sich mit dem Umzug auf die Brückstraße 47 in Erkelenz, wo der gelernte Kaufmann und Malermeister das erste Geschäft für Malerzubehör eröffnete, das schon bald in die Innenstadt (heute Kölner Straße 13) umzog. Dort reichte das Grundstück bis zur Südpromenade und Marktgasse. Hinter den Verkaufsräumen lagen Materialhallen um einen großen Innenhof, „dessen Blickfang ein prächtiger Nussbaum war“, erinnert sich der heute 80-jährig in Wassenberg lebende Wolfgang Laugs, Enkel von Opa Mathias und Oma Maria.

 Das Kölner Tor wurde 1976 von Schülern nachgebaut.

Das Kölner Tor wurde 1976 von Schülern nachgebaut.

Foto: Sammlung Peter Linden

Sein Berufsende erlebte Wolfgang Laugs 1998 als Lehrer an der Betty-Reis-Gesamtschule. Als Kind und Jugendlicher begleitete Wolfgang seine Mutter Christine ins Geschäft an der Kölner Straße, wo diese nach dem plötzlichen Tod (30. März 1947) von Firmengründer Mathias Zündorf intensiv mit anpackte. Wie übrigens auch Wilhelma, die jüngere der beiden Zündorf-Töchter. „Helma“, die damals sehr stolz auf ihre kaufmännische Ausbildung war. Sie heiratete Werner Müller, der als Soldat nach Erkelenz gekommen war. Der groß gewachsene, charismatische Westerwälder, den man meist in weißem Kittel im weiträumigen Ladenlokal in Tapeten, Teppichen, Lacken oder Fensterscheibenzuschnitt werkeln sah, war sich auch nicht zu schade, für 30 Pfennig Fensterkitt in Spezialpapier einzupacken. Lackfarbe wurde noch als Pulver verkauft, das in einem großen Schrank mit vielen Fächern gelagert wurde. Das Pulver kam in ein spitzes Tütchen, wozu meist auch Leinöl verkauft wurde, um aus dieser Kombination streichfähige Farbe anzurühren. Das geschah bei „Müller-Zündorf“ bis Mitte 1974, weiß auch Tochter Ulrike, die heute in Schleswig-Holstein lebt, ehe dann nach kurzem Umbau am 28. August 1974 in der Hausnummer 13 die Ära des Lebensmittelhandels begann. Das war eine äußerst umtriebige Zeit: Bis 1985 war Ida-Marie Niesten aus Arsbeck die Leiterin des In-Marktes von Coop (entstanden aus der Konsumgenossenschaft). Marktleiter von 1986 bis 2005 war der Erkelenzer Winfried Kofferschläger, allerdings mit wechselndem Firmenlogo auf dem weißen Arbeitskittel: ab August 1993 war es Schätzlein von der Metro, ab 1. Mai 1996 dann Kaisers.

 Diese Aufnahme aus der Sammlung Peter Linden dokumentiert die erheblichen Kriegsschäden an der Ecke Kölner Straße/Südpromenade.

Diese Aufnahme aus der Sammlung Peter Linden dokumentiert die erheblichen Kriegsschäden an der Ecke Kölner Straße/Südpromenade.

Foto: Sammlung Peter Linden

Es folgte für mehr als zehn Jahre dann bis zum bitteren Ende die Übernahme durch Kaisers-Tengelmann, mit Lutz Neuhs als Filialleiter, ebenfalls ein angesehener Erkelenzer Junge. Mit ihm interessiert sich wohl auch „halb Erkelenz“ für das, was nun in den Räumen der Nr. 13 passiert. Zündorf-Enkelin Ulrike Linke meinte noch an den Weihnachtstagen im Kontakt mit unserer Redaktion: „Wir sind weiterhin im Austausch mit der Stadt Erkelenz und hoffen, dass wir in Kürze etwas Positives berichten können.“ Die Erkelenzer Bevölkerung ist gespannt wie ein Flitzebogen, zumal eine Umbaugenehmigung seitens der Stadt erteilt worden ist. Ob da 2019 als Baustart möglich ist?

 Der Firmengründer Mathias Zündorf.

Der Firmengründer Mathias Zündorf.

Foto: Laugs

Hausnummer 15 Wo einst Textilien (Bänder, Schnüre, Spitzen, Stickerei), Metallerzeugnisse (Pailletten, Flitter) oder Schmuckfedern – zusammenfassend also Damen-Putzwaren – gehandelt wurden, zudem ein Zahnarzt seine Praxis betrieb, da hatten Kriegsbomben für die totale Zerstörung gesorgt. So fiel lange Zeit zwangsweise ein nachdenklicher Blick von der Post über Trümmer bis hin zum notdürftig geflickten Turm der St. Lambertuskirche.

 Ein Blick in die Kölner Straße Richtung Markt im Jahr 1968. Links im Bild ist das Geschäft von Mathias Zündorf zu sehen.

Ein Blick in die Kölner Straße Richtung Markt im Jahr 1968. Links im Bild ist das Geschäft von Mathias Zündorf zu sehen.

Foto: Sammlung Peter Linden

Durch Ankauf und Neubau, aber auch Mut und Idealismus schufen die Eheleute Hilde und Heinz Jansen unmittelbar am Kölner Tor ein neues Geschäftshaus. „Das war unbedingt nötig“, erinnert sich Hilde Jansen (85), „denn unser am 13. November 1950 gegründetes Fachgeschäft für Herrenhüte, Herrenmodeartikel sowie Damen- und Herrenschirme platzte im Elternhaus auf der Nummer 1 schon bald aus allen Nähten.“

Der Umzug erfolgte am 4. April 1955, wobei auch noch das Blumengeschäft Fred Becker zur Seite von Haus Nr. 13 hin einen Zugang und ein Schaufenster hatte. Doch nur für kurze Zeit, denn „Hut Jansen Herrenausstatter“ entwickelte sich rasant, benötigte zunehmend Platz.

Im September 1987 übernahm Gisela Dahlen, unter ihrem Mädchennamen Jansen eine in Erkelenz sowieso, aber auch bundesweit viel beachtete Leichtathletin, die immerhin noch den am 6. Juni 1975 in Bonn aufgestellten Kreisrekord im 100 m-Sprint mit 12,0 Sekunden hält, das Geschäft ihrer Eltern. Das führt sie gemeinsam mit Ehemann Helmut Dahlen, ebenfalls ein in den 1970/80er Jahren erfolgreicher Leichtathlet mit Schwerpunkt Sprint. Beide haben die Entwicklung des Geschäftes konsequent weiter betrieben in Richtung eines an den aktuellen Trends orientierten Männer-Modehauses. Das sich nicht nur weiterhin auch der Tradition verpflichtet sieht als ein Spezialist für Hüte und Mützen, sondern auch der Verbundenheit zur Heimat – ersichtlich an der in den Klinkern des Hausgiebels eingemeißelten Darstellung des historischen Kölner Tores. Darauf weist übrigens unmittelbar vor „Hut Jansen“ ein am Ende der Fußgängerzone aus historischem Steinmaterial gemauerter Quader. Eine Erklärungstafel auf der 1998 bei Erdarbeiten gefundenen Grundmauer zeigt in Wort und Bild die Geschichte der gewaltigen Wehranlage aus dem 14. Jahrhundert, die bis 1817/18 Bestand hatte.

Das Kölner Tor lebte im Jahr 1976 mit viel Fantasie für wenige Tage kurz wieder auf, als zur 650-Jahrfeier der Stadt Erkelenz von Schülern aus alten Kartons eine Befestigungsmauer mit schmalem Durchgang quer über die Kölner Straße gebaut wurde.

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