Erkelenz "Der zerbrochne Krug" ganz modern

Erkelenz · Die Burghofbühne Dinslaken spielte in der Stadthalle am Franziskanerplatz den Klassiker "Der zerbrochne Krug" von Heinrich von Kleist. Das Ensemble bekam vom Publikum minutenlangen Beifall.

 Die Darsteller: Frau Marthe Rull (Christiane Wilke, l.), Adam, der Dorfrichter (Arno Kempf, hinten l.), Eve, Tochter von Marthe (Julia Sylvester, hinten r.), Ruprecht (Patric Welzbacher, r.), Licht, Gerichtsschreiber (Frank Casali, vorne l.) und Walter, Gerichtsrat (Markus Penne, vorne r.).

Die Darsteller: Frau Marthe Rull (Christiane Wilke, l.), Adam, der Dorfrichter (Arno Kempf, hinten l.), Eve, Tochter von Marthe (Julia Sylvester, hinten r.), Ruprecht (Patric Welzbacher, r.), Licht, Gerichtsschreiber (Frank Casali, vorne l.) und Walter, Gerichtsrat (Markus Penne, vorne r.).

Foto: Ruth Klapproth

In einer ungewöhnlichen und für viele Besucher auch gewöhnungsbedürftigen Inszenierung präsentierte die Burghofbühne Dinslaken, das Landestheater im Kreis Wesel, das Lustspiel "Der zerbrochne Krug" von Heinrich von Kleist, das 1808 in Weimar uraufgeführt wurde, in Erkelenz. Bereits das Bühnenbild ließ erahnen, dass es nicht zu einer herkömmlichen Theateraufführung kommen sollte: Komprimiert auf einen rechteckigen Holzkasten, der die Gerichtsstube als einzigen Schauplatz darstellt, mit einer sich in den rückwärtigen Raum verengenden schrägen Ebene spielt sich das Geschehen ab, das der Autor in einer fiktiven niederländischen Kleinstadt angesiedelt hatte. Geblieben vom Original ist bei der Inszenierung von Moritz Peters, der zwei Figuren aus dem Original gestrichen hat, nur die aus heutiger Sicht nicht immer leicht verständliche Sprache.

Die Geschichte in wenigen Worten: Frau Marthe Rull klagt - der Grund ist ein zerbrochener Krug. Sie will Ersatz. Schuld soll Ruprecht sein, der Verlobte ihrer Tochter Eve, den sie in der Nacht aus deren Zimmer kommen sieht. Ruprecht bestreitet die Zerstörung und beschuldigt seinerseits einen Fremden, der der Geliebte seiner Verlobten sei, und der bei der Flucht aus dem Fenster den Krug zerbrochen habe. Bei dem Flüchtigen handelt es sich um Dorfrichter Adam, der nun selbst zu Gericht sitzen soll, um den Fall zu lösen. Dass er alles versucht, um sich nicht selbst zu entlarven, ist ein Thema des turbulenten Spiels. Das andere ist der Zwiespalt, in dem sich Eve befindet. Nur sie kennt die Wahrheit: Stellt sie Adam an den Pranger, verliert sie Ruprecht. Schützt sie den Dorfrichter, braucht ihr Verlobter nicht in den Krieg. Und dann ist da noch der Gerichtsrat Walter, der das Adamsche Dorfrecht verachtet und allgemeines Recht und die Gesetze in seinem Sinne anwendet.

Modern gekleidet, minimalistische Kulisse - da passte es ins Bild, dass der aus Eves Zimmer gestürzte Dorfrichter Adam nicht dem Vorbild entspricht, nach dem er dick, glatzköpfig und mit einem Klumpfuß versehen ist, sondern in Person von Arno Kempf als großer, stämmiger Mann mit schwarzem Zopf dargestellt wird. In der Eingangsszene nur in schwarzer Unterhose bekleidet muss er seinem Gerichtsschreiber Licht, gespielt von Frank Casali, erklären, warum er sich in einem derangierten Zustand mit zwei Wunden am Kopf befindet. Immer mehr verstrickt sich Adam in seine eigenen Erklärungen, die noch abstruser werden, als Gerichtsrat Walter aus Utrecht, gespielt von Markus Penne, erscheint. Mehr und mehr übernimmt Walter, der bei seinem Kontrollbesuch vermeintlich beruhigend sagt: "Sehen soll ich bloß, nicht strafen", die Federführung der Verhandlung, in der Frau Marthe Rull Recht (Christiane Wilke) für ihren Krug fordert. Auch nach Abschluss der Verhandlung bleibt für sie die wichtigste Frage, wie der Krug sein Recht bekommt. Wie es bei den Menschen angewandt wird, hat Gerichtsrat Walter bestimmt. Nach einem eindrucksvollen, minutenlangen Monolog hat Julia Sylvester als Eve Licht ins Dunkel gebracht und der Wahrheit zu ihrem Recht verholfen. Aber ob mit der Wahrheit das Recht zu seinem Recht kommt, bleibt eine offene Frage, die sich auch Ruprecht, gespielt von Patric Welzbacher, stellen muss.

Das Publikum in der Stadthalle, in der einige Reihen frei geblieben waren, dankte dem Ensemble mit minutenlangem Beifall. Manch einer hatte die Möglichkeit genutzt, nach der Pause den Platz zu wechseln und nach vorne zu rücken, um dadurch den akustischen Defiziten in den hinteren Reihen zu entgehen.

(kule)
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