Erkelenz Der doppelte Feuerwehrmann

Erkelenz · In vielen Orten gehen den Freiwilligen Feuerwehren die Helfer aus. Michael Brockers macht vor, wie die Zukunft aussehen könnte.

 Michael Brockers aus Erkelenz (v.l.) mit dem Jüchener Feuerwehrchef Heinz-Dieter Abels und seinem Arbeitgeber Torsten Trost.

Michael Brockers aus Erkelenz (v.l.) mit dem Jüchener Feuerwehrchef Heinz-Dieter Abels und seinem Arbeitgeber Torsten Trost.

Foto: Lothar Berns

Der größte Brand des Jahres ereignete sich an einem Donnerstagmorgen im November dieses Jahres. Sämtliche Einheiten der Jüchener Gemeinde-Feuerwehr rückten um 7.40 Uhr aus, als ein Wohnhaus in Hochneukirch in Flammen stand. Von allen Einsatzkräften aber war nur ein Bruchteil aus Jüchen. "Wenn wir unsere Leute anfunken, kann vielleicht ein Dutzend Freiwilliger sofort von der Arbeit weg", sagt Heinz-Dieter Abels, Jüchens Feuerwehrleiter. Und während Jüchener in Hochneukirch mit Einsatzkräften aus dem Neusser Kreisgebiet den Brand bekämpften, sicherten Kollegen aus Korschenbroich-Glehn den Grundschutz in Jüchen.

"Interkommunale Kooperation", nennt Heinz-Dieter Abels das Konzept, das sich wie ein Wirrwarr liest, aber längst üblich sei in der Feuerwehr. Kooperation ist nötig, weil auch der Feuerwehr zunehmend die Ehrenamtler ausgehen. Dabei gibt es sie schon, die Lösungsoption. "Doppelte Mitgliedschaft", heißt sie. Und Michael Brockers aus Erkelenz, der erste doppelte Feuerwehrmann in der Gemeinde Jüchen, zeigt, dass das funktionieren kann.

Er ist ein starker Mann. Der 46-Jährige ist kräftig, kompakt. Und da schwingt so ein trockener Humor mit, als Michael Brockers erzählt, dass ihn ausgerechnet die Skepsis gegenüber den Gepflogenheiten in Vereinen in die Feuerwehr trieb. Aus Verbundenheit zur Dorfgemeinschaft in Erkelenz-Kückhoven wollte sich der Zugezogene einbringen. "Mit Karneval hab' ich aber nichts am Hut", sagt Brockers. Und er verzieht dabei nur leicht die Mundwinkel nach unten.

2008 fragte er bei der Freiwilligen Feuerwehr an. Und er blieb. Da gab es keine Berührungsängste, keine Barrieren, wie man sie aus Vereinen kenne, wenn "der Neue", einer von außen, dazustößt. "Ich war sofort Teil der Gruppe", sagt Brockers. Akzeptiert wurde er auch in Jüchen, als Brockers die Idee kam, sich auch im Löschzug dieser Gemeinde zu engagieren, in der er seit drei Jahren arbeitet. Bei allen größeren Einsätzen wägt Brocker erst ab. Und dann lässt ihn sein Chef ziehen. Hier zeigt sich die Prämisse der doppelten Mitgliedschaft. Sie hängt an einem seltenen, seidenen Faden: der Toleranz des Arbeitgebers.

"Jein", sagt Torsten Trost von der Sieben GmbH aus Jüchen. Er ist Brockers Chef. Die Erkenntnis "Ohne Feuerwehr geht es nicht" hat sich bei Trost sozusagen eingebrannt, als vor Jahrzehnten im eigenen Elternhaus ein Feuer ausbrach. "Da war ich auch froh, dass die Männer und Frauen angerückt sind." Bei Vorstellungsgesprächen sei die Tätigkeit in der Freiwilligen Feuerwehr kein Hinderungsgrund. War es auch vor drei Jahren nicht, als sich Michael Brockers bei der Firma Sieben vorstellte.

Die Zahl der freiwilligen Feuerwehrleute in ganz Deutschland ist rückläufig. Der Deutsche Feuerwehrverband gibt an, dass noch im Jahr 2000 etwa 1,07 Millionen Freiwillige tätig waren. 2013 lag die Zahl nur noch knapp über der Marke von einer Million. Längst tourt auch der Verband der Feuerwehren in NRW mit Workshops durch das Land und versucht, Mitgliedergewinnung zu schulen. Entgegen dem Trend ist die Zahl der Freiwilligen in Jüchens Feuerwehr von 152 auf mehr als 180 gestiegen, seitdem Heinz-Dieter Abels 2011 Leiter wurde. Zwölf Frauen sind darunter. Entgegen der kritischen Stimmen, begrüßt Abels die Möglichkeit der doppelten Mitgliedschaft am Wohn- und Arbeitsort, weil sie praktikabel ist.

Acht Jahre nach seinem Eintritt in die Freiwillige Feuerwehr, engagiert sich auch Michael Brockers für die Zukunft der Feuerwehr. Sein Sohn ist Mitglied in Erkelenz. Jugendarbeit leistet Brockers am Wochenende ebenfalls in seiner Heimat. Diesen Adrenalin-Kick aus der Anfangszeit spüre er nicht mehr, wenn der Melder losgeht. Wenn heute der Ruf kommt, dann wägt Brockers eben ab, ob er vom Installateur zum Feuerwehrmann wird. Stiefel, Kleiderbügel und Helm liegen bereit.

(ball)
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