Interview „Jetzt dringend auf die westliche Grenze schauen“

Erkelenz · Bundespolitisch dreht sich seit Tagen alles um die Flüchtlingspolitik, die Haltung des aus Bayern stammenden Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU) und von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie die Frage, ob die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU in Berlin noch zu halten ist. Wilfried Oellers, Bundestagsabgeordneter der CDU aus dem westlichsten deutschen Landkreis, dem Kreis Heinsberg, ist froh, dass zwischen beiden Parteien jetzt ein Kompromiss gefunden worden ist und will den Blick der Bundespolitik nun zügig auf die westliche Landesgrenze lenken.

 Wilfried Oellers.

Wilfried Oellers.

Foto: Tobias Koch

Herr Oellers, wie haben Sie die vergangenen Tage in Berlin erlebt?

Oellers Das waren turbulente Zeiten. Wenn ich Revue passieren lasse, was auf dem Spiel stand – die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU –, dann stand es auf Messers Schneide. Deshalb bin ich froh, dass eine Einigung in der Sache erreicht wurde und dass überall gesagt und geschrieben steht, dass niemand diese Fraktionsgemeinschaft anzweifelt. Alles andere hätte massive Folgen für das politische System in Deutschland gehabt.

Inwiefern?

Oellers Es wäre zu einer weiteren Zersplitterung in der Parteienlandschaft gekommen – unsere politische Stabilität in Deutschland wäre in Gefahr gewesen.

Dennoch ist viel Porzellan zerschlagen. Wie wird es zwischen den sogenannten Schwesterparteien weitergehen? Außerdem haben Sie noch die SPD als Koalitionspartner für den CDU/CSU-Kompromiss zu gewinnen ...

Oellers … mit unserem Koalitionspartner müssen wir das Thema jetzt besprechen und auf eine Umsetzung verständigen. Die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU wird weiter Bestand haben. Es gibt nach wie vor sehr gute Kontakte zwischen den Abgeordneten in beiden Parteien. Auch wenn wir schon häufiger um eine gemeinsame Position gerungen haben, die wir in einem ersten Schritt zwischen den Unionsparteien zu erörtern haben und danach mit dem Koalitionspartner, gibt es im Umgang miteinander einiges aufzuarbeiten.

Können Sie knapp beschreiben, was die Unionsfraktionen beschlossen haben?

Oellers Unter Berücksichtigung des Grundrechts auf Asyl sind die Kernpunkte, dass erstens an der deutsch-österreichischen Grenze ein neues Grenzregime installiert wird, das sicherstellt, dass Asylbewerber, die in anderen EU-Ländern ein Asylverfahren anhängig haben, dorthin zuständigkeitshalber zurückgeführt werden. Dies soll zweitens durch Transitzentren geschehen, die aufgebaut werden sollen, in denen Schnellverfahren durchgeführt werden sollen, um den Asylstatus zu prüfen und von wo aus gegebenenfalls die Rückführung erfolgt. Und drittens sollen darüber mit den betroffenen Ländern Verwaltungsabkommen geschlossen werden, die die Rückführungen regeln. Verweigern sich Länder, Verwaltungsabkommen zu schließen, so erfolgt die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich.

In der vergangenen Wahlperiode hatten Sie das Maut-Thema kritisiert, das aus Bayern vorangetrieben werde und das Sie für den Kreis Heinsberg als nicht passend bezeichneten. Kürzlich haben Sie darauf hingewiesen, dass in unserer Region zu wenig Bundespolizisten für die Grenzen und Bahnhöfe vorhanden sind, weil viele in Bayern für die Grenzsicherung eingesetzt würden. Jetzt die Flüchtlingsthematik. Wie viele politische Einlassungen aus Bayern können Sie dulden?

Oellers Als jemand, der im Bundestag ebenfalls eine Grenzregion vertritt, sage ich: Die aktuelle Streitigkeit mag durch die Vereinbarung erledigt sein, und inhaltlich kann ich Horst Seehofer nachvollziehen. Allerdings müssen wir dringend und unverzüglich auch auf die westliche Grenze von Deutschland schauen. Was nun für die bayrisch-österreichische Grenze diskutiert ist, muss schnell auch für unsere Grenze, aber auch für alle anderen Grenzen Deutschlands, beraten werden, sonst haben wir lediglich einen Verdrängungseffekt, der sicherlich schnell eintreten wird. Politisch ist das bereits in Berlin platziert. Kanzlerin Merkel hat jedoch Recht, dass wir nicht im nationalen Alleingang handeln können und dürfen. Das würde nicht der europäischen Partnerschaft entsprechen. Deshalb bedarf es der genannten Vereinbarungen.

Nach den „turbulenten Zeiten“, von denen Sie eingangs sprachen: Wie wird es in der Bundespolitik weitergehen?

Oellers Ich erwarte von allen Beteiligten, dass sie so professionell sind, dass sie im Sinne der Sache ihr emotionales Bauchgefühl ausblenden. Und es wird künftig wichtig sein, die Interessen Nordrhein-Westfalens noch deutlicher gegenüber der CSU zur Sprache zu bringen.

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