Tausende bei Protestkundgebung Versuchte Lützerath-Stürmung überschattet friedliche Demo

Erkelenz · Viele Tausend Menschen protestieren am Samstag friedlich und bunt bei Lützerath – unter ihnen auch Greta Thunberg. Ein paar hundert Meter weiter kommt es allerdings zu hässlichen Szenen. Und die Polizei reagiert nachdem sie die Anstürmenden gewarnt hat.

 Teilnehmer der Kundgebung am Rand des Tagebaus in Lützerath.

Teilnehmer der Kundgebung am Rand des Tagebaus in Lützerath.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Eine solche Demonstration hat Erkelenz noch nicht gesehen: Von mindestens 15.000 Menschen sprach die Polizei, die Veranstalter wollen rund 35.000 Menschen gezählt haben. Sie alle haben am Samstag auf einem Feld bei Lützerath für Klimaschutz und den Erhalt des geräumten Dorfs protestiert.

Menschen tanzten im Matsch und forderten die Bundesregierung zum Handeln auf. Überschattet wurde der bunte und friedliche Protest allerdings von hässlichen Szenen, die sich nur einige Hundert Meter von der eigentlichen Kundgebung entfernt am Rand des von Polizisten umstellten Lützeraths abspielten. Bis zu 1000 Aktivisten versuchten eine Polizeikette zu durchbrechen und das Dorf zu stürmen. Zumindest ersteres gelang ihnen: Die Polizei musste Meter um Meter weichen, bis die Beamten zum Schluss mit dem Rücken am Zaun standen. Erst als die Polizei Wasserwerfer und Pfefferspray einsetzte, wichen die Aktivisten wieder zurück. Bis in den Abend blieb die Lage gefährlich und unübersichtlich, bis die Aktivisten schließlich ihren Rückzug antraten.

„Ich bin absolut entsetzt, wie normale Versammlungsteilnehmerinnen und -teilnehmer sich dazu hinreißen lassen, hier den absoluten Gefahrenbereich zu betreten“, sagte der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach der Deutschen Presse-Agentur am Abend.

Nicht zur Deeskalation beigetragen hatte zuvor bei der Kundgebung der Klimaaktivist Peter Donatus, der in einem Redebeitrag zwar zu friedlichem Protest aufrief – allerdings nur einen Halbsatz später das Publikum aufforderte, die Kohlegrube zu stürmen.

Lützerath Räumung: Aktivisten durchbrechen Polizeilinien bei Demo
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Aktivisten durchbrechen Polizeilinien vor Lützerath

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Foto: dpa/Oliver Berg

Mit Spannung hatten die meisten Teilnehmer der Demonstration den Redebeitrag von Greta Thunberg erwartet. „Veränderungen kommen nicht von Leuten, die an der Macht sind. Nicht von Regierungen und Konzernlenkern“, sagte die schwedische Aktivistin unter tosendem Applaus. Dass am Samstag so viele Menschen nach Lützerath gekommen seien, sei ein „Zeichen der Hoffnung“ für den Planeten.

Auch der Kuckumer David Dresen vom Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ rief den Anwesenden zu: „Tut alles, was ihr für nötig haltet!“ und „Lasst euch nicht aufhalten!“. Er warf der Bundesregierung und insbesonders den Grünen einen Vertrauensbruch vor: „Wenn ihr es ernst meint mit dem 1,5-Grad-Ziel, dann setzt euch hin und beschließt ein Budget, wie viel Kohle noch verfeuert werden darf. Macht ihr das nicht, dann nehmt nie mehr die Zahl 1,5 in den Mund“, sagte er in Richtung der Regierung.

Klimaaktivistin Greta Thunberg in Lützerath
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Greta Thunberg demonstriert in Lützerath

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Foto: AP/Michael Probst

Überhaupt waren es vor allem die Grünen, denen die Abneigung der Anwesenden entgegenschlug. Tausende Mittelfinger reckten die Teilnehmer in die Höhe, als Dresen dazu aufrief. Peter Donatus hatte zuvor schon gesagt: „Ich bin froh, dass ich hier keine Fahnen der grünen Partei sehe.“ Für seinen Ruf: „Grüne, ihr habt uns verraten“, erntete er tosenden Applaus.

Zu gefährlichen Szenen kam es an der Grubenkante, die nicht von der Polizei geschützt wurde: Trotz mehrfacher Aufforderungen der Veranstalter, sich der unbefestigten Kante nicht zu nähern, standen hunderte meist Jugendliche direkt davor. Dort geht es teilweise 30 bis 40 Meter in die Tiefe, der Wind wehte extrem stark. Ein Sturz in die Tiefe hätte Lebensgefahr bedeutet.

Schon am Vormittag waren die Straßen in Erkelenz gesäumt mit Menschen, die vom Bahnhof aus nach Keyenberg pilgerten, wo die Demo gestartet war. Auch in den umliegenden Dörfern um Keyenberg war für Autos kein Durchkommen mehr. Dutzende Busse hatten dort geparkt, um die Demo-Teilnehmer aus ganz Deutschland nach Erkelenz zu bringen. Züge, die in Erkelenz und Hochneukirch hielten, waren hoffnungslos überfüllt. Auf den Autobahnen A46 und A61 kam es zu Staus.

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