Kritik an Bedingungen für den Protest Lützerath vor der Demo am Samstag – „Eine ähnliche Kraft wie der Hambacher Wald“

Erkelenz/Lützerath · Für die große Demonstration am Samstag erwarten die Veranstalter weit über 10.000 Teilnehmende. Neben der großen friedlichen Mehrheit mobilisieren gewaltbereite Linksextreme ihre Kräfte. Innenminister Herbert Reul appelliert an die Menschen, sich von „Chaoten“ abzugrenzen.

Lützerath Räumung: Fotos Tag 2- Polizei räumt Heukamp-Hof
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Tag 2 der Räumung in Lützerath – Polizei räumt Heukamp-Hof

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Foto: dpa/Oliver Berg

Während die Räumung von Lützerath am Donnerstag voranschreitet, bereiten sich Umweltschutzgruppen und Sicherheitskräfte auf die große Demonstration am Samstag vor. Unter anderem ist die Teilnahme von Greta Thunberg angekündigt. „Lützerath entwickelt eine ähnliche Kraft wie der Hambacher Wald. Wer geglaubt hat, das geht hier schnell und leise über die Bühne, hat sich getäuscht“, sagt Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in NRW, der zu dem Aktionsbündnis gehört, das die Demo veranstaltet. Hier finden Sie das geplante Programm und weitere Infos zur Demo.

Der Zusammenschluss aus neun Organisationen erwartet für Samstag weit über 10.000 Teilnehmende. „Es gibt eine bundesweite Solidarisierung. Wir bekommen Rückmeldungen aus dem ganzen Land, überall werden Busse hieher gechartert. Das zeigt, dass viele Menschen mit dem Kurs der Landes- und der Bundesregierung hier nicht einverstanden sind.“

Den Veranstaltern ist die Fläche hinter Keyenberg, auf der sie ihren Protest abhalten dürfen, eigentlich zu weit weg von Lützerath, dem Symbol für die Folgen des Braunkohletagebaus und des Widerstands dagegen. Das Motto der Zusammenkunft lautet „Gegen die Räumung – für Kohleausstieg und Klimagerechtigkeit“. Mehrere Vorschläge für näher gelegene Treffpunkte seien aber abgelehnt worden, kritisiert Dirk Jansen. „Die Polizei befürchtet offenbar, dass die Demonstrierenden die Abläufe in Lützerath stören könnten. Aus unserer Sicht ist das völlig unrealistisch. Niemand von uns wird das Sperrgebiet betreten“, sagt er. „Ich wehre mich gegen Versuche, die Braunkohleproteste in einem Satz mit Gewalt zu nennen.“

Nach Informationen unserer Redaktion aus Sicherheitskreisen werden für die Begleitung der Demo am Samstag voraussichtlich sowohl Einsatzkräfte gebraucht, die derzeit in Lützerath sind, als auch weitere Kräfte aus dem Land hinzugezogen. Die Polizei in Aachen wollte das weder bestätigen noch dementieren, betonte jedoch: „Die Einsatzlage in Lützerath wird auf keinen Fall vernachlässigt.“

Man rechne mit für die Kundgebung einem breiten, friedlichen, bürgerlichen Teilnehmerfeld, sagte Polizeisprecher Thomas Hinz, sei aber auch auf Ausschreitungen gefasst. „Es ist nicht auszuschließen, dass sich Aktivisten aus der Ortschaft Lützerath oder solche, die noch anreisen, unter die friedlichen Demonstranten mischen. Schlimmstenfalls, um den friedlichen Protest zu benutzen, um aus seinem Schutz heraus Straftaten zu begehen.“

„Klimaaktivist ist nicht immer gleich Klimaaktivist. Das sehen wir in Lützerath dieser Tage“, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU) unserer Redaktion. „In der Protestszene sind auch Linksextremisten aktiv, denen das Klima gar nicht so wichtig ist. Sie wollen provozieren und suchen die gewalttätige Auseinandersetzung mit der Polizei. Deshalb appelliere ich an die Demonstranten, die sich für das Klima und unsere Umwelt einsetzen: Grenzen Sie sich deutlich von gewaltbereiten Chaoten ab.“

Nach Erkenntnissen des NRW-Verfassungsschutzes mobilisieren neben der gesamten Klimaschutzbewegung derzeit nämlich auch extremistische Akteure verstärkt zu einer Anreise nach Lützerath. „Es liegen Erkenntnisse über Anreise-Absichten von Linksextremisten im dreistelligen Bereich vor, darunter auch Gewaltbereite.“ Wie viele das sein würden, lasse sich derzeit nicht prognostizieren; die Lage sei sehr dynamisch.

Die Stimmung bei der Demo könne „in Teilen aggressiver werden, weil die Räumung von Lützerath nun viel schneller vorangeht als erwartet“, lautet die Einschätzung des Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Michael Mertens. So könnte auf Seiten der Protestbewegung Enttäuschung in Wut umschlagen; das sei aber nur eine Annahme. Auf jeden Fall sei es erwartbar, dass sich Gruppen von Personen aus dem geordneten Demonstrationszug heraus lösen und in Richtung Lützeraths oder des Tagebaus laufen würden. „Das ist eine Strategie, die wir seit Jahren kennen, und das wir sicher auch am Samstag passieren“, prognostiziert er.

Erfolgsaussichten bescheinigt er solchen Versuchen nicht: „Nach Lützerath wird niemand mehr hineinkommen. Aus Lützerath geht es nur noch raus.“

Am Donnerstagabend gingen Verfassungsschützer davon aus, dass sich noch maximal 100 Menschen in Lützerath selbst verschanzt haben dürften. „Davon können zirka 50 Personen der gewaltbereiten Aktivistenszene zugeordnet werden“, hieß es.

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