Braunkohle-Dörfer in Erkelenz Kirchen von Keyenberg und Kuckum werden entwidmet

Der Aachener Bischof Dieser hat die hochumstrittene Entwidmung veranlasst – und will sich trotzdem für den Erhalt der Gebäude einsetzen. Ein Demonstrant hatte in Keyenberg zuletzt fünf Tage im Hungerstreik verharrt.

 Die Keyenberger Heilig Kreuz Kirche – im Osten rückt der Tagebau Garzweiler immer näher.

Die Keyenberger Heilig Kreuz Kirche – im Osten rückt der Tagebau Garzweiler immer näher.

Foto: Ruth Klapproth

Das Bistum Aachen hat der Entwidmung der Keyenberger Heilig Kreuz Kirche und der Kuckumer Kirche Herz-Jesu zugestimmt. Zu dieser Entscheidung sei Bischof Helmut Dieser „nach ausführlichen und intensiven Beratungen im Diözesan-Priesterrat“ gekommen, wie das Bistum am Montag bekanntgegeben hat. „Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen. Ich habe sie dennoch nach intensiven Gesprächen mit vielen Gremien getroffen. Ganz besonders auch aus Respekt vor den stark belasteten ehrenamtlich Engagierten vor Ort“, wird Dieser zitiert.

Gleichwohl will sich das Bistum weiter für den Erhalt der vom Braunkohle-Tagebau Garzweiler II bedrohten Erkelenzer Dörfer und auch deren Kirchen einsetzen. „Unabhängig davon bleibt es dabei, dass wir uns auch weiterhin für das entwidmete und erhaltenswerte Kirchengebäude einsetzen“, sagte Bischof Dieser. „Ich hoffe sehr, dass die Dörfer erhalten bleiben.“

Die katholische Erkelenzer Pfarrei Christkönig hatte sämtliche kirchlichen Gebäude und Grundstücke bereits 2019 an RWE verkauft und sich früh darauf konzentriert, das Kirchenleben in den Umsiedlungsstandort zu verlagern, wo sich die Kapelle St. Petrus derzeit im Bau befindet. Eine Entscheidung, ob die Erkelenzer Dörfer abgebaggert werden, soll nun aber erst 2026 fallen – auch deshalb gab es von vielen Anwohnern in den Altorten und Kohlegegnern massive Kritik am Vorgehen der Pfarrei. Im März hatte das Bistum Aachen die von der Pfarrei geplante Entwidmung der Heilig Kreuz Kirche noch gestoppt. Anfang September ließ die Pfarrei dann für viele völlig überraschend doch mit Genehmigung der Denkmalschutzbehörde des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) die Kirchenglocken ausbauen – Kostenpflichtiger Inhalt auch dieses Vorgehen schockierte die Anwohner.

Kritik gab es vor allem für das desolate Kommunikationsverhalten. Während die unsichere Zukunft des Ortes und die schwierige Entscheidung, umzusiedeln oder abzuwarten, ohnehin für Unsicherheit und teils tiefe Gräben zwischen den Bewohnern sorgt, fehlte vielen ein Ansprechpartner in der Kirchengemeinde. Das hat auch das Bistum erkannt. Es will ein „Maßnahmenpaket mit verschiedenen Dialoginitiativen in der Braunkohle-Region auf den Weg bringen“, heißt es. Bischof Dieser erklärt: „Es ist entscheidend, dass wir auch weiterhin diejenigen unterstützen und begleiten, die bleiben wollen.“ Dazu soll kurzfristig auch ein diözesaner Ansprechpartner beauftragt werden.

Für das Kirchengebäude sieht Helmut Dieser Perspektive: „Die Kirche kann in Zukunft zu einem Ort vielfältiger kultureller Angebote werden. Sie kann das Ringen um eine nachhaltige und umweltverträgliche Energiewirtschaft symbolisieren. Und als Zeichen für das Ende des Braunkohle-Tagebaus stehen.“ Eine Chance, Teil eines kulturellen Angebots zu sein, hätte die Kirche dabei bereits am Sonntag beim Tag des offenen Denkmals gehabt. Sie blieb allerdings geschlossen, lediglich der Vorraum der Keyenberger Kirche war geöffnet.

Seit Dienstag hatte der Gummersbacher Denkmalexperte und Hausforscher Uwe Brustmeier im Hungerstreik vor der Kirche ausgeharrt und damit eine Öffnung für den Denkmaltag erzwingen wollen – seinen Protest brach der 57-Jährige am Sonntag erfolglos ab. „Bis zum Schluss hat sich weder die Pfarrei Christkönig, noch die Stadt Erkelenz bei mir gemeldet“, sagt Brustmeier am Montagmorgen enttäuscht.

 Uwe Brustmeier harrte fünf Tage im Hungerstreik vor der Keyenberger Kirche aus - erfolglos.

Uwe Brustmeier harrte fünf Tage im Hungerstreik vor der Keyenberger Kirche aus - erfolglos.

Foto: Laaser, Jürgen (jl)

Brustmeier hatte sich mit seinem Protest nicht nur gegen die Pfarrei und das Bistum Aachen, sondern auch gegen die Denkmalschutzbehörde des LVR gewandt. Die hatte der umstrittenen Entnahme der Kirchenglocken im vom Tagebau Garzweiler II bedrohten Ort Anfang des Monats schließlich zugestimmt. Für Uwe Brustmeier ein unglaublicher Vorgang: „Dass ausgerechnet die Behörde, die für den Schutz dieses Denkmals zuständig ist, zu seiner Zerstörung beiträgt, ist deutschlandweit bislang einmalig. Als ich vor wenigen Tagen auf einer Hausforscher-Tagung meinen Kollegen davon erzählt habe, konnten sie es nicht glauben.“

Uwe Brustmeier machte nach eigenen Angaben während seines Streiks fast ausschließlich positive Erfahrungen: „Ich hatte ständig Besuch von vielen Anwohnern, die alle sehr nett waren. Kaum ein Keyenberger kann fassen, was hier in den vergangenen Tagen rund um die Kirche passiert ist.“

Derweil hat Bischof Helmut Dieser erneut an die NRW-Landesregierung appelliert, eine schnelle Entscheidung gegen den Abriss der Erkelenzer Dörfer zu treffen. „Sorgen Sie für Klarheit, lassen Sie die Menschen nicht weitere fünf Jahre im Ungewissen, beenden Sie diese Hängepartie. Die Entscheidung für den Erhalt der bedrohten Orte muss jetzt zeitnah getroffen werden“, sagte er in Richtung der schwarz-gelben Regierung. Er beobachte eine „sich verschärfende Spaltung, der wir dringend entgegentreten müssen“ und betonte erneut die „offensive Rolle“, die das Bistum beim Kampf für den Klimaschutz einnehmen will. Mit seiner eindeutigen Positionierung hatte Dieser bereits Anfang des Jahres für Aufsehen gesorgt. Man wolle sich künftig verstärkt als „Gesprächspartner von Politik, Wirtschaft und Umweltschützern einbringen“, teilt das Bistum mit.

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