Braunkohle-Tagebau in Erkelenz Ein Fünkchen Hoffnung bleibt

Erkelenz/Düsseldorf · Die fünf bedrohten Orte in Erkelenz müssen dem Tagebau Garzweiler II weichen. Das hat NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart bekanntgegeben. Es gibt allerdings noch eine letzte Hintertür.

Ein Mitarbeiter von RWE Power steht im Rheinischen Braunkohlerevier im Tagebau Garzweiler vor einem Schaufelradbagger, der Braunkohle abträgt.

Ein Mitarbeiter von RWE Power steht im Rheinischen Braunkohlerevier im Tagebau Garzweiler vor einem Schaufelradbagger, der Braunkohle abträgt.

Foto: dpa/Oliver Berg

Die Erkelenzer Dörfer Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich und Berverath werden für den Tagebau Garzweiler II abgebaggert. Das sieht die neue Braunkohle-Leitentscheidung vor, die die NRW-Landesregierung am Dienstag in Düsseldorf veröffentlicht hat. Auch die bereits zu einem großen Teil rückgebauten Orte Immerath und Lützerath müssen weichen.

Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) sagte, dass die besagten Orte nicht vor 2026 in Anspruch genommen werden sollen. Bislang plante Tagebaubetreiber RWE, Keyenberg schon 2024 zu erreichen. Der Zeitpunkt 2026 sei bewusst gewählt worden, sagte Pinkwart. Vorher soll es noch einmal eine Überprüfung geben, ob die Inanspruchnahme tatsächlich noch erforderlich ist. „Das gibt den Menschen mehr Aufschub, viele wollen noch Zeit gewinnen“, sagte Pinkwart in Düsseldorf. Eine kleine Hintertür für die Rettung der Dörfer bleibt also noch offen.

In Erkelenz stößt die Leitentscheidung auf gemischte Gefühle. „Es bleibt ein Fünkchen Hoffnung“, sagte Bürgermeister Stephan Muckel unserer Redaktion. „Bei denen, die bereits umgesiedelt sind, wird die Leitentscheidung ein gewisses Magengrummeln auslösen. Es beflügelt aber diejenigen, die weiter kämpfen wollen.“ Auch Muckel hält es nicht für ausgeschlossen, dass die Dörfer erhalten bleiben können, falls etwa der Anteil an erneuerbaren Energien bis 2026 so hoch ist, dass eine zusätzliche Braunkohleverstromung nicht mehr notwendig ist.

Hans Josef Dederichs von den Erkelenzer Grünen sieht allerdings auch eine verpasste Chance: „Was ich vermisst habe: Mit dieser Leitentscheidung hätte man mehr Druck auf RWE machen können und das Unternehmen in die Pflicht nehmen können, bis 2026 zu prüfen, ob sie die Kohle, die unter den Dörfern liegt, wirklich brauchen“. Dass eine erneute Revision ansteht, sei eine „Hängepartie zu Lasten der Bürger“.

Thomas Schnelle CDU-Landtagsabgeordneter aus dem Kreis Heinsberg, sagte: „Ich bin insbesondere froh darüber, dass vor dem Revisionszeitpunkt 2026 keines der Dörfer in Anspruch genommen wird. Noch die letzte Landesregierung hat für diese Dörfer keinerlei Chance gesehen. Die Einwohnerinnen und Einwohner, welche in Ihrem Dorf bleiben wollen, können dies nun tun und die Revision 2026 abwarten.“ Menschen, die umsiedeln wollen oder derzeit noch hin- und hergerissen sind, hätten „die Sicherheit, dass die Konditionen der Umsiedlung erhalten und gesichert bleiben“. Pinkwart betonte, dass die Anwohner „deutlich mehr Zeit zur Abstimmung ihrer individuellen Umsiedlung mit ihrer ganz persönlichen Lebenssituation“ hätten. Bürgermeister Muckel lobte diese Zusicherung, die im Zuge einer sozialverträglichen Umsiedlung unabdingbar sei.

Die Tagebauranddörfer sollen einen Mindestabstand von 500 Metern zur Tagebaukante behalten. Das sei in vielen Fällen eine Verdoppelung des bisherigen Mindestabstands, in manchen gar eine Vervierfachung, sagte Pinkwart. Die Stadt Erkelenz hatte in einer Stellungnahme einen Abstand von mindestens 1,5 Kilometern gefordert. „Das ist deutlich weniger als wir uns erhofft hatten“, sagte der Erkelenzer Bürgermeister Muckel. Dederichs sprach dennoch von einem „Erfolg, den wir für die Bürger erzielt haben“. Insbesondere die Einwohner Kaulhausens können sich über einen deutlich größeren Abstand zur Grubenkante freuen. Sie hatten ursprünglich gar von weniger als 200 Metern ausgehen müssen.

In Düsseldorf hatte es bereits am Dienstagmorgen Proteste von Greenpeace und der Initiative „Alle Dörfer bleiben“ gegeben. Klimaschützer und Aktivisten kritisierten die Regierung erneut scharf. „Diese Leitentscheidung ist so realitätsfern, dass man sie gar nicht ernst nehmen kann“, sagte die Berveratherin Britta Kox. „Für mich und meine Familie steht fest, dass wir in unserem Haus wohnen bleiben. Aufgeben war für uns noch nie eine Option!“ David Dresen, Sprecher von „Alle Dörfer bleiben“, sagte: „„Die Leitentscheidung ignoriert nicht nur die zahlreichen Gutachten, laut denen die Kohle unter unseren Dörfern gar nicht mehr benötigt wird. Sie macht auch alle Anstrengungen zunichte, die globale Erhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen.“

Die Initiative „Menschenrecht vor Bergrecht“ hat derweil angekündigt, weiter den Rechtsweg suchen zu wollen. Man habe RWE erneut aufgefordert, Antrag auf Enteignung zu stellen, damit Gerichte über die Zukunft der bedrohten Dörfer entscheiden können.

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