Erkelenz Böses, garniert mit Lausbubencharme

Erkelenz · Martin Zingsheim gastierte mit "Kopfkino" in der Stadthalle. Der preisgekrönte Musikkabarettist beschäftigt sich darin vor allem mit der Sprache. Seinen Gedankenstrom, das "Assoziations-Hopping", würzt er dabei ausgiebig mit Wortspielen.

 Weit seltener als in seinem Debütprogramm "Opus Meins" haut Martin Zingsheim in seinem aktuellen Programm "Kopfkino" in die Tasten. Wenn er das aber tut (wie hier in Erkelenz bei seinem Revolutionssong), wird's sehr lustig.

Weit seltener als in seinem Debütprogramm "Opus Meins" haut Martin Zingsheim in seinem aktuellen Programm "Kopfkino" in die Tasten. Wenn er das aber tut (wie hier in Erkelenz bei seinem Revolutionssong), wird's sehr lustig.

Foto: JÜRGEN LAASER

"Kopfkino" definiert der Duden allgemein als "nur oder hauptsächlich in der Fantasie, in der eigenen Vorstellungskraft ablaufende Vorgänge und Geschehnisse". Martin Zingsheim hat das quasi zum Arbeitsprinzip erhoben: "Ich schreibe Texte eigentlich nicht auf, sondern gehe erst mal lange mit der ein oder anderen Idee im Kopf schwanger umher. Ich pflege bei der Herstellung meiner Texte eher eine Art ,orale Tradition'", merkt der preisgekrönte Kölner Musikkabarettist zu seinem Kreativitätsprozess an. Konsequenterweise hat er daher sein aktuelles Programm auch "Kopfkino" getauft.

Das ist in der Tat etwas für den Kopf, fordert den Zuschauer, wie er nun auch bei seinem Auftritt in der Stadthalle unter Beweis stellte. Da tischte er mit spitzer Zunge ebenso Scharfsinniges wie Bitterböses auf - ein interessanter Kontrast zum Lausbubencharme, mit dem Zingsheim das alles kredenzte. So seine Anmerkungen zu Foltermethoden: "Man kann auch CO2-neutrales Waterboarding machen - oder Elektroschocks mit Ökostrom."

Beim "Assoziations-Hopping" arbeitet sich Zingsheim an der Bildungspolitik ebenso ab wie an sozialen Netzwerken. So könne es durchaus lebensrettend sein, den Brandort zu verlassen, anstatt das Feuer auf Facebook zu posten.

Seine Lieblingswaffe ist generell das Wortspiel. So verarbeitet er lustvoll die Bestellung "Zwei Expressis bitte!" zum "Deutschen Espressionismus". Überhaupt hat es dem promovierten Geisteswissenschaftler die Sprache angetan - und das stellt er immer wieder unter Beweis. Was Nonsens und eine gehörige Portion Selbstironie mit einschließt. "Man sollte auf der Bühne nur über Dinge reden, mit denen man sich auskennt. Aber ein ganzer Abend nur über gut trinkbare Rotweine unter zwei Euro?" Oder auch: "Es ist wichtig, eine Meinung zu haben - aber doch bitte nicht jeden Tag die gleiche." Generell sei ja alles schon gesagt: "Aber noch nicht von mir." Und neulich habe er sogar mal eine E-Mail mit dem Füller geschrieben.

Richtig gut wird Zingsheim auch, wenn er sich an den Flügel setzt und in die Tasten haut - so für seinen Revolutionssong. "Eine Revolution muss tanzbar sein", lautet dabei sein Credo. Großartig ist auch seine musikalische Verballhornung der üblichen Bitte in Hotel-Badezimmern, die Handtücher der Umwelt zuliebe nicht täglich auszutauschen zu lassen. Das tut er abwechselnd im säuselnden Hermann-van-Veen- und drohenden Klaus-Kinski-Duktus. Klasse hat auch Zingsheims 90er-Jahre-Medley - eine Reminiszenz an seine Kindheit und Jugend.

(emo)
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