Erkelenz Bis ins Detail glaubwürdig

Erkelenz · Charakterdarstellerin Ellen Schwiers beeindruckte nachhaltig in der Titelrolle von „Martha Jellneck“. „Das Ensemble“ sorgte mit seiner Inszenierung für einen gelungenen Abend. Eine wichtige Rolle spielte dabei ein Hund.

Der Hund ist tot, es lebe der Hund! Den Tod erleidet Mai Tai, der Rauhaardackel der Hauptdarstellerin Ellen Schwiers, nämlich nur auf der Bühne – was für die Handlung in „Martha Jellneck“ von erheblicher Bedeutung ist. „Das Ensemble“ brachte das Stück von Knut Koch nach dem Drehbuch Beate Langmaacks über späte Rache an einem SS-Verbrecher, auf die Bühne des Cusanus-Gymnasiums.

Beim Schlussapplaus im voll besetzten Atrium war Mai Tai aber wieder lebendig. Und als das Zweibeiner-Quartett Ellen und Holger Schwiers, Markus Maria Winkler und Josefine Merkatz die Bühne schon wieder verlassen hatte, blieb der Hund – dem Publikum zugewandt – sitzen und nahm seelenruhig die Ovationen entgegen.

Behutsam und sorgfältig

Was quasi die tierische Abrundung eines gelungenen Abends ist. Im Mittelpunkt steht eindeutig Mai Tais „Frauchen“ Ellen Schwiers in der Titelrolle. Sie mimt die einsame und behinderte alte Frau, die in einem Akt von Selbstjustiz am Ende ein lang zurückliegendes Verbrechen sühnt, bis in die Fasern glaubwürdig – und zwar von der Spitze ihrer Filzpantoffeln bis zum Scheitel ihrer weißen Haare. Passend dazu ist auch das recht aufwändige Bühnenbild, die Wohnung der alten Dame, sehr detailfreudig und stimmig – vom Tapetenmuster bis zur Wanduhr, die gut hörbar während der gesamten Vorstellung tickt.

Szenenartig und mit vielen Abblenden, die mit dem Spiel einer einsamen Geige vom Band musikalisch untermalt werden, führt Ellen Schwiers bedächtig in den Alltag ihrer Figur ein, entfaltet deren Charakter ebenso behutsam wie sorgfältig – sowohl in Monologen als auch im Zusammenspiel mit ihren beiden Bezugspersonen, dem Zivildienstleistenden Thomas (Markus Maria Winkler) und der ständig genervten, aber hilfsbereiten Nachbarin Hanne (Josefine Merkatz).

An Fahrt nimmt die Charakterstudie, bei der Ellen Schwiers mit ihrem Bruder Holger selbst Regie führt, nach der Pause auf. Da kommt es zum Aufeinandertreffen mit dem von Holger Schwiers verkörperten Bösewicht, einem ehemaligen SS-Mann, der nach dem Krieg die Identität von Marthas gefallenem Bruder angenommen und sich eine bürgerliche Existenz aufgebaut hat – ein durchaus gängiges Schicksal nach 1945.

Diese Kernszene überzeugt dramaturgisch freilich nicht. Ohne von der Hauptfigur richtig in die Enge getrieben und zwingend überführt worden zu sein, gibt der Kriegsverbrecher (zu) schnell seine wahre Identität preis – und seine Tat zu, den Mord an einem kleinen Kind.

Und was hat nun der Hund damit zu tun? Wegen Altersschwäche soll der mittels Giftspritze eigentlich eingeschläfert werden. Der stirbt dann aber eines natürlichen Todes. Das Gift mischt die Rächerin statt dessen ins Essen des Bösewichts.

(RP)
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