Erkelenz Bescheidener leben lernen

Erkelenz · Der Braunkohleausstieg kommt. Doch wann und wie kann der bevorstehende Wandel bestmöglich funktionieren? Die Akteure der Podiumsdiskussion im Rahmen des Klimacamps lieferten verschiedene Antwortmöglichkeiten.

 Im Foyer der Stadthalle beteiligten sich Teilnehmer des Klimacamps und Bürger an der Diskussion mit Klima-Aktivisten, einem Gewerkschafter und einem Wissenschaftler.

Im Foyer der Stadthalle beteiligten sich Teilnehmer des Klimacamps und Bürger an der Diskussion mit Klima-Aktivisten, einem Gewerkschafter und einem Wissenschaftler.

Foto: Uwe Heldens

"Was kommt nach der Braunkohle? Und wie wird der Weg dorthin sozial gerecht?". Unter diesem Leitthema trafen im Rahmen des 8. Klimacamps im Rheinland bei einer Podiumsdiskussion in der Erkelenzer Stadthalle unterschiedlichste Weltbilder aufeinander. Torsten Moll, der als Anwohner aus Holzweiler die Perspektive der Menschen am Grubenrand vertrat, und Janna Aljets, die in der BUNDjugend und im Presseteam der Protestinitiative "Ende Gelände" aktiv ist, diskutierten mit dem Alsdorfer Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) Manfred Maresch, der seit 24 Jahren hauptamtlich in der Gewerkschaft aktiv ist, und Dr. Stefan Gärtner vom Institut für Arbeit und Technik an der Ruhr-Uni Bochum.

Zum Einstieg wurden die Podiumsteilnehmer von Moderatorin Karin Walther gefragt, wie sie sich das Rheinische Revier im Jahr 2050 vorstellen. Schon hier gingen die Meinungen weit auseinander: Torsten Moll sprach sich vor allem dafür aus, dass Orte wie Holzweiler ihren Reiz bewahren können. Gewerkschafter Maresch sagte: "2050 ist der letzte Tagebaubetrieb eingestellt, die Arbeiter wurden umgeschult, die Restseen werden touristisch genutzt. RWE hat Flächen für zukünftige Gewerbe und Industrien bereitgestellt". Diese eher nüchterne Darstellung unterschied sich sehr von Aljets Utopie. Sie wies darauf hin, dass in den 33 Jahren viel zu schaffen sei, in ihrer Vision wurde die Region nach einem Strukturwandel renaturiert, der Strom werde zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gewonnen, Fahrräder und kostenloser ÖPNV prägten das Verkehrsbild, die Wirtschaft habe sich fast ganz von der Industrie abgewandt. Gärtner konterte damit, dass Deutschland auch mit regenerativen Energien wettbewerbsfähig bleiben müsse, auch wenn er ihr darin zustimmte, dass der Braunkohleausstieg deutlich vor 2050 abgeschlossen sein müsste.

In der folgenden Stunde wurden unter anderem die Frage der Versorgungssicherheit bei der Energiewende, die Herausforderungen der Speicherkapazitäten oder die gemeinsamen Gestaltungsmöglichkeiten diskutiert. Maresch pochte dabei auf Rücksichtnahme gegenüber den vom Braunkohleausstieg betroffenen Arbeitnehmern. "Wir haben eine Vorbildfunktion, aber wir können das Weltklima nicht im Rheinischen Revier retten", sagte er außerdem und führte weiter aus: "Erst, wenn die Technologie der effektiven Speicherung weiter fortgeschritten ist und großindustriell eingesetzt werden kann, kommt Bewegung in die Diskussion. Bis dahin bleibt die Braunkohle der einzige Garant für eine Brücke in ein erneuerbares Zeitalter". Janna Aljets machte deutlich, dass sich der Protest der Klimaaktivisten nicht gegen die Beschäftigten der Sparte richte. Dennoch sei Braunkohle die schädlichste Art der Stromerzeugung, und neben dem enormen Potenzial der Erneuerbaren stand für sie explizit ein Gesellschaftswandel auf der Agenda: "Wir müssen lernen, als Gesellschaft genügsamer zu leben, denn unser Lebensstil fußt auf Kosten von Mensch und Natur. Wir haben nur diesen Planeten als Lebensgrundlage", appellierte sie. Aljets persönlich habe das Vertrauen in die Politik verloren und sehe den Handlungsbedarf nun in der Bevölkerung.

Gärtner sprach sich für eine frühzeitige und präventive Gestaltung des Braunkohleausstiegs und der Alternativen aus. Darüber hinaus kritisierte er die gegenwärtige Angstschürung: "Wir wären weiter, wenn nicht immer nur gesagt wird, dass es nicht funktioniert. Eigentlich haben wir doch gemeinsame Interessen." Einen passenden Schlusspunkt setzte später Torsten Moll: "Jeder von uns ist auch selbst in der Pflicht, etwas zu tun - wir dürfen unsere Möglichkeiten nicht verschlafen."

(kasc)
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