Archäologische Jahrestagung 2019 „Archäologisches Rekordjahr“

Erkelenz/Wegberg · Mittelalterliches Adelsgrab in Immerath (alt) und frühmittelalterliche Münze in Wegberg entdeckt. Archäologen im Rheinland präsentieren Forschungsergebnisse des vergangenen Jahres in Bonn. 2018 nennen sie ein „Rekordjahr“.

 In Immerath (alt) fanden Forscher diesen römischen Weihestein. Der Inschriftenrest lautet ,ex imperio ipsarum‘ (Deutsch: auf ihren [den der Gottheit] eigenen Befehl hin).

In Immerath (alt) fanden Forscher diesen römischen Weihestein. Der Inschriftenrest lautet ,ex imperio ipsarum‘ (Deutsch: auf ihren [den der Gottheit] eigenen Befehl hin).

Foto: Jürgen Vogel/LandesMuseum Bonn

Mit den wichtigsten archäologischen Entdeckungen des vergangenen Jahres haben sich 450 Fachleute zwei Tage lang in Bonn beschäftigt – dazu gehörten eine in Wegberg gefundene Münze aus dem siebten Jahrhundert, ein mittelalterliches Adelsgrab in Immerath (alt) und eine frühe Bauernsiedlung in Borschemich (alt). Erich Claßen, der als neuer Leiter des Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland erstmals die Archäologische Jahrestagung leitete, sprach von einem „archäologischen Rekordjahr“ mit weit mehr als 500 Maßnahmen im Rheinland.

Bedeutend waren für den Landschaftsverband Rheinland vor allem drei Grabungsstellen, denn Claßen zufolge konnten „gleich an mehreren Orten – in Rheinbach, Erkelenz-Borschemich und Erftstadt-Blessem – Siedlungen der frühesten Bauern untersucht werden. Sie ergänzen das vor rund 7000 Jahren schon erstaunlich dichte Siedlungsbild.“

 Die in Wegberg gefundene Goldmünze, der so genannte Tremissis, wird dem siebten Jahrhundert zugeordnet

Die in Wegberg gefundene Goldmünze, der so genannte Tremissis, wird dem siebten Jahrhundert zugeordnet

Foto: Jürgen Vogel/LandesMuseum Bonn

Typisch für diese Ansiedlungen seien Langhäuser, aber auch Brunnen und Umzäunungen wie in Rheinbach. „In Borschemich umgab sogar ein Erdwerk mit tiefem, umlaufendem Graben einen Teil der Siedlung. Charakteristische Funde dieser ersten jungsteinzeitlichen Gesellschaft Mitteleuropas sind bandverzierte Keramikgefäße und Steinbeile“, fasste Erich Claßen nach der Tagung deren Ergebnisse in einer Pressemitteilung zusammen.

Die 15. Archäologische Jahrestagung des LVR wurde am Montag und Dienstag erstmals von Claßen geleitet, der seit Jahresbeginn das Bodendenkmalamt im Rheinland leitet. Er hat die Aufgabe von Professor Jürgen Kunow übernommen, der zum Jahresende 2018 in den Ruhestand getreten war. 450 Fachleute der Archäologie und Paläontologie waren der Einladung nach Bonn gefolgt, um ihre neuesten Forschungsergebnisse und eine Vielzahl von herausragenden Funden aus dem Vorjahr zu präsentieren. Einige davon können dort noch bis zum 18. März im LVR-Landesmuseum besichtigt werden.

Archäologen arbeiten nicht nur im Vorfeld der drei Tagebaue im Rheinischen Revier, so dass Funde wie im einstigen Borschemich gemacht werden. Münzschätze entdeckten beispielsweise lizensierte Sondengänger in Jülich und Mönchengladbach-Rheindahlen. Der Hort aus Jülich besteht laut LVR aus 56 Silbermünzen des späten dritten Jahrhunderts, die wahrscheinlich illegal hergestellt wurden. Der zerpflügte Münzhort aus Rheindahlen umfasst nach weiteren Untersuchungen durch den LVR mittlerweile mehr als 1300 kleine Kupfermünzen des vierten und beginnenden fünften Jahrhunderts. „Zudem gelang es, einen Pfostenbau und mehrere Gruben freizulegen, dabei fand sich auch eine Merkurstatuette.“

Einen weiteren wichtigen Münzfund meldeten die Bodendenkmalpfleger aus Wegberg, wo im vergangenen Jahr eine Goldmünze aus dem siebten Jahrhundert ans Licht kam: „Der sogenannte Tremissis wurde vom Münzmeister Madelinus im frühmittelalterlichen Handelsstützpunkt Dorestad (heute Niederlande) geprägt, wie die Umschriften auf der Münze verraten.“

Überraschende Ergebnisse erbrachten auch Ausgrabungen in der Pfarrkirche St. Anton in Schwalmtal-Amern anlässlich deren Umwidmung zu einer Begräbnisstätte. „Wie sich zeigte, war die heutige Kirche 1491 auf römischem Baugrund errichtet worden. Der älteste Vorgängerbau, ein rechteckiger Raum, ist in Teilen möglicherweise sogar auf römischen Fundamenten gegründet.“

Fundamente von Vorgängerbauten beschäftigten die Archäologen auch in Immerath (alt), wo im Januar 2018 der neoromanische Kirchenbau von St. Lambertus für den Tagebau abgerissen wurde. Bei den Untersuchungen fanden sich, wie im vergangenen Sommer bereits berichtet, unter dem Kirchenfußboden Fundamente, Mauerwerk und etliche Bauteile einer deutlich kleineren dreischiffigen Vorgängerkirche, die 1888 für den Neubau niedergelegt worden war. Diese wiederum hatte sich aus einem romanischen Kernbau, einer Saalkirche mit eingezogenem Rechteckchor, entwickelt.

Neu und aufschlussreich ist allerdings, was das LVR-Amt jetzt anlässlich der Tagung in Bonn mitteilte: „Unter den zahlreichen Gräbern aus dem Kirchenbau sei ein mittelalterliches Adelsgrab erwähnt, in dessen Kopfbereich ein unvollständiger römischer Weihestein verbaut war. Der Inschriftenrest lautet ,ex imperio ipsarum‘ (Deutsch: auf ihren [den der Gottheit] eigenen Befehl hin). Möglicherweise wurde das ,imper‘ dieser gängigen römischen Weiheformel als ,imperator‘ missverstanden und der Stein deshalb verwendet.“

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