Für mehr Gemeinschaft in Holzweiler Mit der Erzählbank auf Wanderschaft

Holzweiler · Noch bis Dezember ist die Erzählbank im Seilerdorf Holzweiler unterwegs. Dann geht sie bis zum Frühjahr in die Winterpause. Die Aktion fördert das Zusammenleben und den Zusammenhalt der Bewohner.

 Sigrid Kuß-Zumb ruch, Waltraud Schmitz und Sabine Wünschmann-Hages (v.l.) tragen die Erzählbank zum wechsel nden „Versammlungsort“.

Sigrid Kuß-Zumb ruch, Waltraud Schmitz und Sabine Wünschmann-Hages (v.l.) tragen die Erzählbank zum wechsel nden „Versammlungsort“.

Foto: Ruth Klapproth

Niemand in Holzweiler lacht, wenn sich Sabine Wünschmann-Hages und Sigrid Kuß-Zumbruch die hölzerne, grüne Friesenbank packen und mit ihr von der Hellenstraße aus durch das Seilerdorf laufen. Denn alle wissen: Die Erzählbank ist wieder unterwegs.

An jedem zweiten Freitag im Monat machen sich die beiden Frauen gegen 19 Uhr auf den Weg durch ihren Ort und stellen an einem vorher festgelegten Platz ihre leichte Holzbank auf. „Diese Bank ist zu einem echten geselligen Treffpunkt geworden“, berichten die beiden Frauen begeistert. Seit Mai 2018 sind sie allmonatlich mit ihrer Erzählbank unterwegs. „Wir haben aus der Not heraus eine Tugend gemacht“, erläutern sie. „Vorher haben wir uns aus der Nachbarschaft immer an der Holzbank unter der Linde am Anfang der Hellenstraße zum Plaudern getroffen. Die Stadt hat dann die marode Bank entfernt. Auf unsere Frage, wann es eine neue gibt, gab es nur ausweichende Antworten. Keiner wollte uns sagen, wann eine Ersatzbank aufgestellt werden sollte.“ Die liebgewordene Tradition des Plauderns an der Bank sollte aber nicht auf die lange Bank geschoben werden. „Ehe die bei der Stadt in die Gänge kommen, haben wir uns eben eine eigene Bank aufgestellt. Wir wollten nicht länger warten und vertröstet werden.“

Inzwischen hat die Stadt Erkelenz eine neue, blaue Bank aus einem Stahlgitter unter der Linde installiert. „Aber da waren wir mit unserer Holzbank schon längst im Einsatz.“ Schnell keimte die Idee, von Mal zu Mal den Standort zu wechseln. „Neue Orte bringen neue Kontakte und neue Gespräche“, meinen die beiden Frauen, die mit ihrem Angebot die Arbeit der rührigen Dorfgemeinschaft unterstützen. „Deshalb gibt es die Erzählbank auch nur einmal im Monat“, erläutert Waltraud Schmitz, die als Nachbarin und Aktivistin in der Dorfgemeinschaft das Projekt unterstützt. „Es ist keine Konkurrenz zu den vielen anderen Aktivitäten wie etwa unser Café in der Alten Schule oder der Wochenmarkt am Freitag und der Brötchenverkauf am Sonntag. Die Erzählbank ergänzt das bereits bestehende Angebot im Dorf.“

Eigentlich sei es wie früher, meint Sabine Wünschmann-Hages. „Da haben sich die Nachbarn nach der Arbeit abends zum Plaudern getroffen.“ In den letzten Jahren sei viel in Holzweiler abgeebbt oder eingeschlafen. „Klar, wenn man weiß, dass man wegen des Tagebaus Garzweiler II verschwinden muss. Erst als es vor zwei Jahren hieß, dass Holzweiler doch vor den Schaufeln der Tagebaubagger verschont bleibt, gab es die Umkehr und kam die Zuversicht zurück. „Mehr und mehr bringen wir wieder Leben in unser Dorf“, sagt Sigrid Kuß-Zumbruch. Die Erzählbank sei da ein wesentlicher Baustein. „Man erfährt bei den Treffen dort, was los ist im Dorf, wo es private Veränderungen gibt, wer Probleme hat, wo man helfen kann.“

Die Erzählbank ist inzwischen so beliebt, dass es eine lange Liste von Interessenten gibt, die die Bank gern einmal vor ihrer Haustür stehen haben wollen. „Großartig Werbung brauchen wir nicht mehr zu machen“, meinte Sigrid Kuß-Zumbruch. „Wir werden auf der Straße angesprochen und gefragt, wo wir das nächste Mal die Erzählbank aufstellen, und die Leute kommen“, ergänzt ihre Mitstreiterin Sabine Wünschmann-Hages. Die beiden Frauen können inzwischen Anekdoten ohne Ende über ihre Erzählbank erzählen. Da dort nur zwei Personen sitzen können, bringen sich viele ihre Klappstühle mit oder stellen Campingstühle auf. „Einmal haben wir sogar sechs Stühle in Beschlag genommen, die eigentlich für den Sperrmüll an den Straßenrand gestellt worden waren, was wir nicht wussten“, erinnert sich Sabine Wünschmann-Hages lachend.

Sigrid Kuß-Zumbruch freut sich besonders über eine Begebenheit, bei der ein zurückgezogen lebender Senior sich plötzlich wieder in der Öffentlichkeit zeigte und am geselligen Leben beteiligte. „Das zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind, um in Holzweiler das Zusammengehörigkeitsgefühl zu stärken.“ Über 20 Männer und Frauen stehen und sitzen zu Spitzenzeiten um die Erzählbank. Jeder, der will, bringt etwas zu essen oder zu trinken mit. „Aber das ist nicht das Wichtigste. Wichtig ist das Reden miteinander, das Besprechen von Dingen aus dem Ort und der wachsende Zusammenhalt“, meint Waltraud Schmitz, die sich noch gut an einen feucht-fröhlichen Abend erinnert, nach welchem die Erzählbank erst nachts um zwei Uhr zurück zur Hellenstraße getragen wurde.

Im Winter bleibt die Erzählbank im Schuppen. „Ab März geht es dann wieder los“, versichert Sigrid Kuß-Zumbruch. Zuvor aber wird noch einmal „auf Wanderschaft“ gegangen: Am zweiten Freitag im Dezember treffen sich die Erzählbank-Initiatoren und ihre vielen Freunde zum Jahresabschluss an und in der Alten Schule.

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