China-Schmuggel vor dem Landgericht Kleve Prozess gegen Emmericher Zöllner: Angeklagter sitzt jetzt in U-Haft

EMMERICH/KLEVE/NEUSS · Gut 20 Kilometer von der polnischen Hauptstadt Warschau entfernt liegt Wolka Kosowska. Die Stadt ist eine Art polnisches Chinatown und beherbergt einen riesigen Umschlagplatz für chinesische Waren. Kleidung, Teddybären, Handyfolien, Elektrogeräte – kaum ein chinesisches Exportgut findet nicht den Weg in die Hallen des Handelszentrums.

 Symbolfoto.

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Foto: dpa/David-Wolfgang Ebener

Lkw-weise werden die Waren nach Wolka Kosowska geschafft. Viele der Fahrten starten in Hamburg, nachdem die Container per Schiff in die Hansestadt transportiert wurden. 900 Kilometer liegen zwischen dem Hamburger Hafen und der polnischen Stadt. Dass ein Unternehmen da Gründe haben könnte, 600 zusätzliche Kilometer Umweg über Emmerich in Kauf zu nehmen, ist kaum ersichtlich.

Es sei denn, in Emmerich sitzen Zollbeamte, die die ordnungsgemäße Kontrolle und Verzollung der Waren beeinflussen. Zwei Beamte, die an dem Schmuggel mitgewirkt haben sollen, müssen sich seit Dienstag vor dem Klever Landgericht verantworten. Sie sollen laut Anklage Zollverfahren bezüglich in China produzierter Waren bewusst gesetzeswidrig durchgeführt haben.

67 und 61 Jahre sind die Angeklagten heute alt. Zwischen Juni 2012 und Mai 2014 sollen sie als Beamte des Emmericher Zolls einen Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerschaden von knapp vier Millionen beziehungsweise 500.000 € verursacht haben. Der Hauptangeklagte muss sich wegen gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels in 230 Fällen und Verletzung des Dienstgeheimnisses verantworten, der 61-Jährige wegen Steuerhinterziehung in 31 Fällen.

Groß verhandelt wurde am Dienstag aber nicht, denn der Hauptangeklagte erschien nicht zum Prozess. Ein Haftbefehl wurde erlassen, und die Polizei rückte zur Adresse des 67-Jährigen aus. Das Ergebnis: „Der Angeklagte lebt, aber es gab möglicherweise einen Selbstmordversuch“, sagt Gerichtssprecher Alexander Lembke. Ob der Versuch nur vorgetäuscht oder mit ernster Absicht gewesen sei, könne man noch nicht sagen, so Lembke. Der Angeklagte wurde danach jedenfalls in Untersuchungshaft genommen.

Es ist nicht der erste Prozess vor der Klever Wirtschaftsstrafkammer, der sich um den Schmuggel chinesischer Waren dreht. Im Juni waren bereits vier Angeklagte zu Freiheitsstrafen zwischen 21 und 45 Monaten verurteilt worden. Sie wirkten laut Urteil bei Firmen in Deutschland und Polen an dem Schmuggel mit. In dem Verfahren stellte sich heraus, dass Lkws direkt nach Polen gegangen und trotzdem am Emmericher Zollcomputer abgewickelt worden waren – wenngleich keine Kontrolle der Warenwerte stattfand.

In dem Prozess hatten auch die nun angeklagten Zollbeamten als Zeugen ausgesagt. Der 67-jährige Hauptangeklagte erklärte damals: „Ich muss eingestehen, dass es so ist. Ich habe unrechtmäßig Zollverfahren beendet.“ Profitiert habe er davon aber nicht, so der mittlerweile pensionierte Beamte. Es habe ihn nur genervt, dass die Unternehmen durch teils langwierige Zollverfahren stark belastet würden – deswegen habe er irgendwann angefangen, vieles durchzuwinken.

Acht Termine (bis Mitte Januar) sind für die Strafverhandlung gegen die beiden Emmericher Zollbeamten angesetzt, der nächste am 17. Dezember.

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