Zerstörung Emmerichs am 7. Oktober 1944 Der Chronist des Untergangs

EMMERICH · Dem Fotografen „Batje“ Schmitz ist es zu verdanken, dass es Bilder von der Zerstörung Emmerichs am 7. Oktober 1944 gibt. Er machte die Aufnahmen heimlich. In der Wiederaufbauzeit sollten sie noch eine wichtige Rolle spielen.

Wenn am kommenden Montag um 14 Uhr wieder die Kirchenglocken in Emmerich läuten, wissen die meisten Menschen, was das zu bedeuten hat: Am 7. Oktober 1944 wurde die Stadt bei einem verheerenden Angriff zu 97 Prozent zerstört. Mindestens 600 Tote und rund 1000 Verletzte waren zu beklagen. 665 Tonnen Sprengstoff, über

707 000 Brandbomben sowie Phosphorkanister wurden über Emmerich abgeworfen.

Dass das Geschehen von damals nicht in Vergessenheit gerät, ist den Augenzeugenberichten zu verdanken, die vorrangig vom Emmericher Geschichtsverein in vielen Interviews aufgeschrieben und publiziert wurden. Richtig begreifbar wird das Grauen von einst allerdings erst durch die wenigen Bilder, die dokumentieren, was die 337 Lancaster-Maschinen der Royal Air Force konkret anrichteten; Straßenzüge, die nur noch Schuttberge sind, freie Sicht vom Rhein bis zum Bahnhof. Aufgenommen wurden sie alle von ein und demselben Fotografen: Albert „Batje“ Schmitz.

Schmitz, 1910 in Wuppertal geboren, war 1930 als junger Drogist an den Niederrhein gekommen und hatte 1932 das erste Fotofachgeschäft Emmerichs eröffnet. Zwei Jahre später übernahm er zusätzlich noch die Drogerie Disselmann auf der Steinstraße.

1940 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen. An der Ostfront wurde er unter anderem eingesetzt. Drei Tage nach dem Angriff auf Emmerich war Schmitz auf Fronturlaub in seine Heimatstadt zurückgekommen und griff sofort zur Kamera, als er das Ausmaß der Zerstörung sah. Was nicht ohne Risiko war. „Das Fotografieren der Kriegsschäden war strengstens verboten. Wäre er erwischt worden, hätte ihm mindestens Gefängnis gedroht. Da verstanden die Nazis keinen Spaß“, sagt Herbert Kleipaß, Vorsitzender des Emmericher Geschichtsvereins.

Welche Gefahr er einging, war auch Batje Schmitz bewusst. So unauffällig wie möglich versuchte er, sich durch die Trümmerfelder zu bewegen, blieb alle paar hundert Meter stehen und fotografierte heimlich durch das ausgerissenen Knopfloch seines abgeschabten Mantels. Den unentwickelten Film nahm er an die Ostfront mit und schmuggelte ihn nach Kriegsende durch die Kontrollen im amerikanischen Kriegsgefangenenlager.

Was er Jahre zuvor fotografiert hatte, sollte sich später als wichtiges Zeitdokument erweisen. Es sind, von den Aufnahmen der Alliierten abgesehen, die einzig existierenden Fotos der Zerstörung Emmerichs.

Herbert Kleipaß, der auch Leiter des Rheinmuseums ist, hatte Batje Schmitz noch persönlich kennengelernt. „Er war eine Institution. Ein Fotograf durch und durch. Er lebte mit seinen Bildern“, sagt Kleipaß, der Schmitz etliche Reproduktionen fürs Rheinmuseum in Auftrag gab.

Obwohl auch sein Geschäft zerstört worden war, blieb Batje Schmitz Emmerich nach dem Krieg erhalten. Auch in der Wiederaufbauzeit erwarb er sich mit seiner Fotografie Verdienste um die Stadt: So traf vor der Währungsreform eine Ministertagung in der Grenzstadt zusammen. Jedem der Politiker, deren Hilfe Emmerich beim Wiederaufbau dringend benötigte, wurde eine Mappe mit Bildmaterial übergeben, die das Ausmaß der Zerstörung zeigte. Die Fotos stammten von Batje Schmitz, der sich das dafür benötigte Filmmaterial auf dem Schwarzmarkt beschafft hatte. Auch Zuschuss-Anträge an das Wiederaufbauministerium wurden mit seinen Bildern versehen. Mit Erfolg: Der Wiederaufbau des Rathauses konnte zum Teil mit Geldern aus Bonn erfolgen.  Im Emmerich der Nachkriegszeit war Batje Schmitz stadtbekannt. Er war unter anderem im Elferrat des Bürgervereins sowie beim damaligen Verkehrsverein aktiv. Seine Drogerie und sein Fotogeschäft betrieb er mit seiner Frau bis 1977 weiter. Später zog er nach Denklingen (Bayern), wo er 1991 im Alter von 81 Jahren starb. Ein Teil seines Nachlasses ging ans Rheinmuseum.

Dort sind seine Bilder vom Kriegsende bis heute zentraler Bestandteil der stadtgeschichtlichen Abteilung.

(Markus Balser)
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