Landgericht Amt glaubte Missbrauchsopfer nicht

Emmerich/Kleve · Ein 52-jähriger Frührentner aus Emmerich hat den sexuellen Missbrauch an seiner Adoptivtochter gestanden. Unter Tränen schilderte die 17-Jährige ihren Leidensweg. Verwandte und Jugendamt hatten zunächst gezweifelt.

 Seit Freitag steht der 52-Jährige vor dem Landgericht. Zweiter Verhandlungstag ist am nächsten Freitag, 22. März, um 9 Uhr.

Seit Freitag steht der 52-Jährige vor dem Landgericht. Zweiter Verhandlungstag ist am nächsten Freitag, 22. März, um 9 Uhr.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Die Zahl der Fälle, wegen der sich ein 52-jähriger Mann aus Emmerich seit Freitag vor dem Klever Landgericht verantworten muss, ist hypothetisch. 133 Fälle sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen werden dem Mann vorgeworfen, 57 Mal in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes. Wie oft sich der Angeklagte tatsächlich an der Tochter seiner verstorbenen Schwägerin vergangen hat, wird aber wohl für immer im Dunkeln bleiben.

Gesichert scheint: Von August 2011 bis August 2016 soll das heute 17-jährige Mädchen immer wieder von ihrem Adoptivvater missbraucht worden sein. Eine Kripobeamtin hatte die Geschädigte im Rahmen der Ermittlungen umfangreich befragt. Anhand von Terminen, die dem Mädchen noch in Erinnerungen geblieben sind, rekonstruierte die Beamtin die Zahl der Fälle. Als Anhaltspunkte dienten etwa Konzertbesuche, an die sich das Mädchen noch genau erinnerte – und nach denen es grundsätzlich zu Übergriffen durch den Angeklagten gekommen sei. Die Frequenz der Missbrauchsakte variierte: Mal passierte es wöchentlich, mal ein paar Wochen nicht, mal jeden zweiten Tag.

Der Angeklagte hat die Vorwürfe am Freitag umfassend eingeräumt. An die genaue Zahl der Missbrauchsfälle kann auch er sich nicht mehr erinnern. Die Zahl in der Anklage erscheine ihm etwas hoch, könne aber ungefähr hinkommen, so der 52-Jährige.

Nach dem Tod der Schwägerin hatte der gelernte Mechaniker das dreijährige Kind zusammen mit seiner Frau adoptiert, gemeinsam lebte man in einem Haus in Emmerich. 2011 – die Geschädigte war damals zehn Jahre alt – begann der sexuelle Missbrauch, zog sich dann über fünf Jahre. Eine längere Unterbrechung gab es nur, als der Angeklagte wegen eines Aneurysmas mehrere Klinik- und Rehaaufenthalte durchlaufen musste. Und bei den Jahresurlauben in den Bergen, da sei nie etwas passiert, so der 52-Jährige.

Unter Tränen berichtete die Geschädigte am Freitag im Gericht von dem jahrelangen sexuellen Missbrauch. Irgendwann habe sie einer Freundin davon erzählt, dann auch der Adoptivmutter, ihrer Tante. „Die hat es mir aber nicht geglaubt“, so die junge Frau. Dann wandte sie sich an ihren leiblichen Vater, der mit ihr zum Jugendamt ging. Auch dort schenkte man ihr aber keinen Glauben. „Die haben nur gesagt, dass sie ohne Beweise nichts machen können. Es könne ja sein, dass ich nur ein rebellierender Teenager bin“, so die 17-Jährige.

Der leibliche Vater schlug dann vor, seine Tochter solle ihren Adoptivvater heimlich mit dem Handy aufnehmen. Das tat sie, stellte ihren Peiniger zur Rede und schnitt die Antworten mit. Danach erst kamen die Ermittlungen ins Rollen und das Kind wurde aus der Familie genommen.

Für den zweiten Verhandlungstag (siehe Info) ist unter anderem die Frau des Angeklagten als Zeugin geladen. Sie habe sich von ihm getrennt, nachdem der Missbrauch ans Licht kam, erklärte der Angeklagte, der nun in Kleve lebt. Nach Bekanntwerden des Missbrauchs habe er sich in die Landesklinik einweisen lassen, wolle das Geschehene nun in einer Therapie aufarbeiten.

Sexuellen Kontakt zu anderen Minderjährigen habe es jedoch nie gegeben, eine pädophile Neigung sehe er nicht. „Das war personenbezogen“, so der 52-Jährige.

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