Kommentar Unbequem: Der Stadtdirektor a. D. redet Klartext

Rees · Es war einer dieser Augenblicke, in denen klar wird, wie rasend schnell sich die Uhrzeiger drehen. Es scheint, als hätte Gerd Klinkhammer erst gestern noch in seinem Büro im Rathaus gesessen, in dem er scharfsinnig, detailversessen und weitsichtig Rees steuerte. Mit Erfolg. Ohne ihn wäre Rees nicht das Vorzeige-Städtchen, das es heute ist.

Und der vermutlich beste Stadtdirektor (ein Verwaltungsjurist), den Rees jemals hatte, tritt nun im Rat an, um die Politik analytisch und stringent vor zu raschem Handeln in Sachen Betuwe-Unterführung in Millingen und Empel zu warnen. Früher hätte er dafür einfach nur die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD in sein Büro bitten müssen. Er hätte es ihnen erklärt, die Sache wäre so gelaufen, wie Klinkhammer es dem Reeser Rat jetzt vortrug.

Aber die Zeiten haben sich geändert. Klinkhammer hat kein Büro mehr im Rathaus, er hat nicht die Gespräche mit dem Verkehrsministerium in Düsseldorf geführt, sondern sein Nach-Nachfolger Christoph Gerwers. Dieser steht in einer Reihe mit Bruno Ketteler und Gerd Klinkhammer. Die CDU hat es in Rees immer wieder geschafft, Spitzenleute ins Rathaus zu bringen. Die, die nach Klinkhammer kamen, verstanden und verstehen was vom Verwaltung und Regieren.

Das muss man wissen, um zu begreifen, was am Dienstag im Rat geschehen ist. Wäre Christoph Gerwers ein politischer Anfänger, hätte es sein können, dass ein Teil der Politiker umgefallen und dem Ratschlag von Klinkhammer gefolgt wäre. So aber war es Gerwers, der CDU und SPD zum Gespräch geladen hat (vermutlich mehrfach ins Rathaus...) und sie an seinem Abwägungsprozess mitsamt Entscheidung hat teilhaben lassen: Die Verhandlungsposition weiter auskitzeln? Geht noch was beim Land? Nein, besser nix riskieren. Die andere Städte machen es ebenso...

Wie früher Klinkhammer hat es auch Gerwers geschafft, den Reeser Rat in Mehrheit hinter die Position der Verwaltung zu bringen.

Gerd Klinkhammer ist nicht so naiv, dass er am Dienstag nicht gewusst hätte, dass es wohl so kommen würde. Dennoch war seine Initiative, mitgetragen von Conny Meyboom, wichtig. Denn er hat erklärt, wogegen sich die Bürgermeister und ihre Parteien entlang der Bahnstrecke längst hätten wehren müssen (und was er wohl getan hätte): Gegen ihre Erpressung!

Aber die Furcht vor der Retourkutsche ist vielleicht zu groß. Schließlich sucht sich ja der Chef der Deutschen Bahn den Bundesverkehrsminister aus, wie es in Berlin augenzwinkernd heißt.

Deshalb: Danke für die klaren Worte, Herr Stadtdirektor a.D.

CHRISTIAN HAGEMANN

(RP)
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