Emmerich Tausend und eine Flaschenpost

Emmerich · Im Binnenschifffahrtsmuseum zeigt Joachim Römer einzigartige Fundstücke.

 Nur ein kleiner Ausschnitt: Insgesamt hat der Künstler Joachim Römer 1000 Flaschen mit unterschiedlichen Botschaften ausgestellt.

Nur ein kleiner Ausschnitt: Insgesamt hat der Künstler Joachim Römer 1000 Flaschen mit unterschiedlichen Botschaften ausgestellt.

Foto: Reichwein

Es gibt Künstler, die bekommen den Mund nicht auf und überlassen es dem Betrachter, sich seinen Teil angesichts der Kunstwerke zu denken. Der Kölner Künstler Joachim Römer dagegen könnte stundenlang über die Ausstellung sprechen, die jetzt im Museum der Deutschen Binnenschifffahrt in Ruhrort zu sehen ist. Das liegt nicht unbedingt an der Redseligkeit Römers, sondern an den Ausstellungsstücken, die ganz anders sind als alles, was man bislang in einem Museum besichtigen konnte.

Joachim Römer, Jahrgang 1957, sammelt seit 1998 Flaschenposten aus dem Rhein. Mit einer langen Pinzette zieht er die Schriftstücke aus der Flasche heraus, entziffert die Textinhalte und schreibt sie auf. Dann reinigt er die Flaschen, steckt die Schriftstücke zurück und verschließt die jeweilige Flasche wieder. Im Laufe der Jahre hat Römer rund 1500 Flaschenposten gefunden oder sie aus seichtem Wasser gefischt. Für 1000 hat Römer ein von hinten beleuchtetes Regalsystem gebaut. Die so entstandene gigantische Installation ist nun im Museum zu sehen. Wobei der Schau-Raum dazu zwingt, die Regale nicht geradlinig, sondern in Bögen aufzubauen. Wie es der Zufall so will, ist die Form einer Welle entstanden.

Sein Projekt sei unplanmäßig entstanden, berichtet Römer. Er habe einst nach Fundstücken am Kölner Rheinufer gesucht. Im Laufe der Zeit habe er immer mehr Flaschenposten gefunden. Besonders nach Silvester sei die "Ausbeute" stets groß gewesen. Beim Entziffern der in den Flaschen bewahrten Botschaften sei ihm aufgegangen, dass er es mit einem "wachsenden Buch der Poesie des Lebens" zu tun bekomme.

Das Besondere an der Flaschenpost ist, dass der Absender sich an einen unbekannten Empfänger wendet. Neben der häufigen Anrede "Lieber Finder" wählten viele Flaschenpost-Schreiber auch Formulierungen wie "Lieber Vater Rhein". Römer: "Nicht wenige Menschen benutzen den Fluss als übergeordnete Instanz, als symbolischen Strom des Lebens und Sterbens, um ihm ihre Nöte, Ängste, Träume oder Glücksgefühle anzuvertrauen."

Was Römer in Flaschenposten gelesen hat, ist vielfältig. Darunter Texte und Bilder von Kindern, aber auch Sentenzen zu Hochzeiten. Er habe auch Flaschenpost-Briefe gefunden, die ihn sehr gerührt hätten. Darunter Bitten, von schwerer Krankheit erlöst oder von der Angebeteten erhört zu werden. Etwa ein Viertel der Flaschenposten hätten, so Römer, Absender. Fast allen Absendern habe er geantwortet. Ein kleines Geheimnis liegt im Ausstellungstitel "Tausend und eine Flaschenpost", der an die berühmte Märchensammlung erinnert. Aber: In der Ausstellung sind tatsächlich nur 1000 Flaschen zu sehen. Dazu Römer: "Wo ist die eine, die tausendunderste? In Ihrem Kopf vielleicht? Oder in meinem? Noch im Fluss? Noch gar nicht geschrieben?"

Ausstellung bis 16. Mai 2016. Die Ausstellungsbroschüre mit den Flaschenpost-Texten (ohne Absenderangaben) kostet fünf Euro.

(pk)
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