Schießsport Der Traum von London
Jennifer van Lier will im kommenden Sommer bei den Paralympics starten. Die 20-jährige Sportschützin aus Esserden hat beste Aussichten auf eines der begehrten Tickets.
Wenn Jennifer van Lier in diesen Tagen zur Ruhe kommt, schweifen ihre Gedanken in die Ferne. Es ist ein Traum, der sie fesselt. Dessen Erfüllung so nah scheint, aber ebenso am seidenen Faden hängt. Der Traum hat einen Namen: London.
Handicap überwunden
Die Welt blickt im Sommer des nächsten Jahres auf die englische Hauptstadt, wenn nach den olympischen dann auch eben jene paralympischen Spiele ausgetragen werden, für dessen Qualifikation die zwanzigjährige Sportschützin an mehr als vier Tagen in der Woche schuftet. Ihr Handicap, der linke Arm endet unter dem Ellenbogen, hat sie überwunden.
Der Endspurt auf dem Weg zum olympischen Feuer ist angebrochen. Nein, dass sie eines Tages über die Qualifikation für die paralympischen Spiele rede, habe sie nie gedacht. Schon gar nicht im Alter von zehn Jahren, als ihre Liebe zum Traditionssport auf einem der Schützenfeste in ihrem Heimatort Esserden entflammte. Es sei eben nahe liegend, in einem beschaulichen Dorf dieser Sportart nachzueifern - zumal Eltern und Freunde nicht minder begeistert die Zielscheibe ins Visier nahmen.
Sechs Jahre später schlummerten in Jennifer van Lier dann erste Ambitionen, in ihrer Sportlerkarriere mehr als nur den heimischen Kirchturm sehen zu wollen. Die erste Deutsche Meisterschaft, das erste Sichtungsschießen und schließlich der erste Kontakt mit den Bundestrainern warteten. "All' dieses habe ich natürlich am Anfang nicht für möglich gehalten", erzählt van Lier bescheiden. Denn wichtig sei ihr auch: "Der Spaß darf nicht zu kurz kommen - und den habe ich auch, weil meine Freunde den selben Sport ausüben." Am Sportschießen mag sie ebenso die mentale Aufgabe, Schuss für Schuss punktgenau zu setzen.
"Es ist eine Frage der richtigen Konzentration", sagt van Lier. Um im kommenden Jahr an den Paralympics in London teilnehmen zu können, muss die Steuerfachangestellte über das ganze Jahr verteilt Punkte sammeln. Die internationalen Normen hat die Sportlerin bereits jetzt geschafft, auf nationaler Ebene gilt es noch nachzusatteln. Ihre Chancen auf ein Ticket für die Paralympics? Nicht schlecht. In der letzten Woche ist Jennifer van Lier vom Perspektivkader in den C-Kader befördert worden. Der Daumen in Bezug auf eine Teilnahme wird dann Mitte des nächsten Jahres gehoben oder gesenkt, wenn alle Sportschützen mit einer erreichten Mindestpunktzahl zum direkten Duell antreten und ein Ausschuss über die Teilnehmer für London befindet.
Zwischen Sekt oder Selters liegt dann ein schmaler Grad: "Dann zählt nur dieser eine Tag", sagt die zwanzigjährige Esserdenerin. Schon jetzt spricht sie vom olympischen Dorf, der Ausrüstung, den Wettbewerben. Die Paralympics in London - für Jennifer van Lier wären sie im wahrsten Sinne des Wortes ein Volltreffer.