Emmerich "Sie wurde nicht mal 15"
Emmerich · Üblicherweise verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig seine "Stolpersteine" selbst. In Emmerich hat er eine Ausnahme gemacht. Gestern waren es Kinder und Jugendliche der Realschule und vom Willibrord-Gymnasium.
Bislang erinnerte an der Steinstraße nichts daran, dass hier einmal Juden gelebt haben, die von den Nationalsozialisten getötet worden sind. Seit gestern ist das anders. Vor den Häusern Nummer 1, 4 und 8 liegen jetzt die so genannten Stolpersteine von Demnig. Das sind Pflastersteine, auf denen die Namen der Menschen stehen, die in der schlimmsten Zeit deutscher Geschichte leiden mussten.
Und das waren Hedwig Rosa Gompertz an der Steinstraße 1, Bertha Albersheim (Steinstraße 4) sowie Martha Lilienfeld, Siegmund Lilienfeld und ihre Tochter Eva Bertha.
Besonders das Schicksal der Tochter, die nicht einmal 15 Jahre alt wurde, bewegte Silke Eicher. Sie ist Lehrerin am Willibrord-Gymnasium und hat drei Kinder im Alter von 12, 14 und 16 Jahren. "Das hat mich betroffen gemacht, weil das Mädchen genauso alt war wie meine Kinder", sagte sie gestern. Sie hat deshalb mit ihrer Familie die Patenschaft für einen Stolperstein übernommen — und kam gestern mit den Schülern der Klasse 6 b vom Willibrord-Gymnasium zur kleinen Feierstunde an der Steinstraße.
Von der Realschule waren die Schüler vom Technik-Kurs der zehnten Klasse mit Lehrer Michael Wieczorek da. Sie haben sich mit dem Schicksal jüdischer Familien in Emmerich beschäftigt.
Das erklärte gestern auch Herbert Schüürman. Der bekannte Emmericher Geschichtsforscher hat sich besonders mit diesem Kapitel befasst.
Eine besondere Stunde war das gestern für das Ehepaar Hans Hagen Fröhlich und seine Frau Ursula aus Rees. Sie ist die Urgroßnichte von Siegmund Lilienfeld. Er war Lehrer an der jüdischen Schule in Emmerich. Als diese geschlossen wurde, wechselte er nach Wesel. 1938, die Rassegesetze der Nazis gab es bereits seit drei Jahren, brach er in Wesel auf dem Markt tot zusammen. "Gedemütigt, entrechtet" steht auf seinem Stein.
Ursula Fröhlich wusste bis vor wenigen Wochen nichts von diesem Schicksal. Erst die Familienforschung ihrer Tochter brachte die Erkenntnis. "Mein Vater war Jude, konvertierte zum katholischen Glauben, unsere Mutter war katholisch. Er hat nie über diese Zeit geredet", sagt Ursula Fröhlich. Dass die Familie unbehelligt blieb, ist für sie ein Wunder. Denn trotz des Übertritts blieb der Vater für die Nazis ja ein Jude. "Gerettet hat die Familie vielleicht die Stadt Rees."