Bürgermonitor Ablehnung bis zuletzt

HAFFEN/Kreis KLeve · Norbert Zuckermann, der mit dem Kreis über seinen Schwerbehindertenausweis stritt, ist seiner Krankheit erlegen. Einen Tag vor seinem Tod wurde ein neuerlicher Antrag von ihm abgelehnt – aus gesundheitlichen Gründen.

 Behindertenparkplatz

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Foto: Pexels

Am Ende ging alles ganz schnell. Noch im Oktober hatte Norbert Zuckermann mit der RP telefoniert und überlegt, sich an Vertreter des Kreistages und politischen Parteien zu wenden. Doch dazu ist es nicht mehr gekommen. Nur wenige Tage nach dem Telefonat erlag der Haffener seiner schweren Erkrankung. Er starb im Alter von 60 Jahren.

Wie berichtet, war bei Norbert Zuckermann im Jahr 2018 ALS diagnostiziert worden, eine tödlich verlaufende Nervenkrankheit Schon nach kurzer Zeit stark gehbehindert, hatte er beim Kreis Kleve einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung) beantragt, was die Behörde ihm jedoch nicht gewährte. Sie stufte ihn im vergangenen Jahr zunächst als zu 30 Prozent schwerbehindert ein, nach einem Widerspruch zu 70 Prozent.

Für Norbert Zuckermann immer noch keine adäquate Beurteilung, der sich vom Kreis Kleve zudem hingehalten und wie ein Bittsteller behandelt fühlte. Er hatte sich an die Öffentlichkeit  gewandt, weniger, weil er sich Hoffnungen machte, in seinem Fall noch etwas bewirken zu können, sondern vielmehr, weil er sich auch für andere in der gleichen Situation einsetzen und sich mit ihnen vernetzen wollte. „ALS ist eine teure Krankheit. Für ärmere Leute als mich ist es eine Frage der Existenz, welchen Grad der Schwerbehinderung sie bescheinigt bekommen“, hatte er der RP gesagt.

Die Berichterstattung über den Fall von Norbert Zuckermann hatte eine große Resonanz zur Folge. Bei ihm und der RP meldeten sich zahlreiche Betroffene, die eine ähnliche Erfahrung mit dem Kreis Kleve schilderten. Tenor vieler Zuschriften waren Beschwerden über langwierige Verfahren, Kritik an den Beurteilungen und die Behandlung durch die Sachbearbeiter. Der Kreis Kleve verfahre restriktiver als beispielsweise der Kreis Wesel, betonten viele. Auch die behandelten Ärzte hätten dies den Betroffenen oftmals gesagt.

Dass der Kreis Kleve härter als andere Landkreise in Sachen Schwerbehinderung urteilt, lässt sich laut Sidney Sevriens mit Zahlen nicht belegen. Dennoch weiß der Anwalt mit dem Schwerpunkt Sozialrecht in der Kanzlei Verhoeven und Partner aus Geldern, dass eine große Zahl von Fällen, die vor dem Sozialgericht landen, im Sinne der Betroffenen entschieden wird. „Der hohe Anteil dieser Fälle, die vom Gericht korrigiert werden, ist schon relativ auffällig“, sagt Sevriens. Ein Grund dafür sei, dass es im Falle einer Verhandlung immer zu einem erneuten Gutachten komme, das nicht selten anders als das des vom Kreis Kleve beauftragten Ärztlichen Dienstes ausfalle.

Doch auch wenn auf diesem Wege etliche Entscheidungen des Kreises revidiert würden, sei das Vorgehen der Behörde rechtskonform. Sevriens: „Die Sachbearbeiter können nur aufgrund der Aktenlage entscheiden, die Berater des Ärztlichen Dienstes nur aufgrund der Befundakten der behandelnden Ärzte. Und aus denen geht nicht immer zwingend hervor, unter welcher Teilhabeeinschränkung die Patienten tatsächlich zu leiden haben“, weiß der Jurist.

Er rät Betroffenen, deren Schwerbehinderung nicht anerkannt wird, zur anwaltlichen Überprüfung. „Die Erfolgsaussichten sind groß. Außerdem ist es für Menschen mit einer schweren Erkrankung oder Beeinträchtigung eine große Entlastung, wenn sie sich dann nicht auch noch selbst mit Behörden auseinandersetzen müssen.“

 Norbert Zuckermann litt unter ALS. Mit dem Kreis Kleve lag er im Streit um seinen Schwerbehindertenausweis.  

Norbert Zuckermann litt unter ALS. Mit dem Kreis Kleve lag er im Streit um seinen Schwerbehindertenausweis.  

Foto: Markus Balser
Schwerbehinderung: Kreis Kleve verweigerte Todkranken bis zuletzt Merkzeichen aG
Foto: grafik
Schwerbehinderung: Kreis Kleve verweigerte Todkranken bis zuletzt Merkzeichen aG
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Auch Norbert Zuckermann hatte einen Anwalt eingeschaltet. Vor Gericht kam sein Fall jedoch nicht mehr. Ein zwischenzeitlich weiterer Antrag des Haffeners auf Gewährung des Merkzeichens „aG“ wurde vom Kreis Kleve erneut abgewiesen. „Ein höherer Grad der Behinderung steht Ihnen nicht zu. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG liegen bei Ihnen nicht vor“, heißt es wörtlich in dem Schreiben, das der Kreis Kleve am 12. November aufgesetzt hatte. Am Tag darauf erlag Norbert Zuckermann seiner Krankheit.

(Markus Balser)
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