Emmerich Schüler verhindert Tragödie

Emmerich · Die Geistesgegenwart von Tom Sinke (19) hat einer 72-jährigen Frau das Leben gerettet. Er war auf dem Weg zum Gymnasium, als an der Hansastraße Feuer in einem Haus ausbrach. Danach schrieb er noch seine Abiturprüfung.

 Tom Sinke vor dem Unglückshaus. Er war zur Stelle, weil er fast zu spät zur Schule kam.

Tom Sinke vor dem Unglückshaus. Er war zur Stelle, weil er fast zu spät zur Schule kam.

Foto: markus van Offern

Es ist Freitag um 8.20 Uhr, als sich das Unglück im Erdgeschoss des Zweifamilienhauses ereignet. Der Fernseher im Wohnzimmer eines Ehepaares (77 und 72 Jahre) implodiert. Das Gerät steht im Wohnzimmerschrank, so dass zunächst nur der laute Knall zu hören und ein wenig Qualm zu sehen ist. Der Mann und die ebenfalls anwesende Reinigungskraft (54) überlegen, den Fernseher aus der Wohnung zu bringen oder selbst zu löschen. Doch dann brennt es schon, Qualm ist zu sehen.

Der Mann und die Putzfrau gehen zur Haustür, das Telefon in der Hand. In diesem Augenblick kommt Tom Sinke an dem Haus vorbei.

Dieser Tag ist für ihn anstrengend. Um 9 Uhr steht seine schriftliche Abiturprüfung in Erdkunde an. Eigentlich ist er schon spät dran, denn er hat noch einmal umkehren müssen, weil er zu Hause seinen Taschenrechner vergessen hatte. Tom wohnt an der Schillerstraße. "Wäre das nicht passiert, hätte ich von der Sache gar nichts mitbekommen", sagt er.

"Als ich an dem Haus vorbeikam, sah ich, wie der Mann mit der Putzfrau in der Haustür stand und das Telefon in der Hand hatte. Ich hab das erst gar nicht richtig registriert, bin weitergegangen. Dann habe ich den Qualm gerochen und die Flammen gesehen."

Tom Sinke geht zurück, spricht den Mann an, ob er helfe kann. "Er sagte mir, der Fernseher wäre implodiert und gab mir das Telefon. Da war schon jemand von der Feuerwehr dran. Ich habe gesagt, was passiert ist und dass wir Hilfe brauchen."

In diesem Augenblick erscheint auch die Ehefrau an der Tür. Aber nur kurz. Sie geht wieder zurück, will ins Schlafzimmer, um dem Qualm zu entfliehen, schätzt die Lage total falsch ein.

Tom Sinke: "Ich bin hinter ihr her ins Wohnzimmer und habe gerufen: ,Sie müssen hier raus.' Da hing schon dichter Qualm unter der Decke." Tom bugsiert und schiebt die Frau mitsamt Rollator zur Haustür und nach draußen. "Dann fing es hinter uns auch schon richtig an zu brennen."

Das Feuer greift rasend schnell vom Wohnzimmer auf die Diele über. Das gesamte Haus wird durch die Flammen und den Qualm so in Mitleidenschaft gezogen, dass es unbewohnbar wird. Sogar die obere Etage, in der der Sohn des Paares lebt. Auch hier ist nicht mehr zu retten. Der Sachschaden liegt bei 100 000 Euro. Und wäre Tom Sinke nicht da gewesen, hätte es vermutlich auch noch einen Toten gegeben. "Nur durch die absolut richtige Einschätzung der Situation und das sofortige Handeln des jungen Mannes wurden Personenschäden vermieden", lobte gestern die Polizei.

Tom Sinke hat nach seiner Rettungstat noch eine zweite Sache gut gemacht. Er hat direkt im Anschluss im Willibrord-Gymnasium eine fünfstündige Abiturklausur im Fach Erdkunde über "Strukturwandel in Mitteldeutschland" geschrieben.

"Zu Anfang war ich noch aufgeregt und nicht konzentriert. Aber nachher ging's. Hat ganz gut geklappt", schmunzelt er.

(RP)
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