Emmerich RP-Redakteur reißt altes Neumarkt-Center ab

Emmerich · Das alte Neumarkt-Center liegt in Trümmern. Wie es sich anfühlt, eine Wand einzureißen, erlebte die RP hautnah mit.

 Jarno Albers (rechts) erklärt dem Schreibtischtäter im Bagger, worauf er achten muss. Nämlich darauf, dass ihm die riesige Schere nicht gegen den Kopf knallt.

Jarno Albers (rechts) erklärt dem Schreibtischtäter im Bagger, worauf er achten muss. Nämlich darauf, dass ihm die riesige Schere nicht gegen den Kopf knallt.

Foto: van Offern, Markus (mvo)

Jarno Albers strahlt. "Ach, Du willst jetzt für mich arbeiten. Super. Dann mache ich bei der Hitze frei", sagt der 38-Jährige, der seit Tagen mit dafür sorgt, dass das Neumarkt-Center in sich zusammenfällt. Jarno Albers ist nämlich Baggerfahrer. "Abrissbagger", wie er klarstellt. Seit 20 Jahren reißt er Gebäude ein, die andere vorher aufgebaut haben. Macht es nicht mehr Spaß, etwas zu bauen? "Kein Ahnung, ich habe immer abgerissen." Aber das sei auch nach 20 Jahren eine Sache, die ihm immer noch Spaß macht.

Spaß, auf den er jetzt allerdings 30 Minuten verzichten muss, weil ein eher schreibtischerprobter Redakteur sich den Kindheitstraum vom Baggerfahren erfüllen will. Wer jahrelang von seinem Arbeitsplatz auf das öde Neumarkt-Center blickt, dem juckt es auch in den Fingern, mitzuhelfen, wenn der Betonklotz endlich verschwindet.

Das Gerät selbst flößt auf jeden Fall erst einmal Respekt an. Vor allem die riesige Beton-Schere, die vorne am Bagger baumelt. Vier Tonnen wiegt allein das Schneidewerkzeug, das Steine zerteilt wie ein heißes Messer die Butter. Vom Experten gibt es gleich den ersten Tipp: "Du musst aufpassen, dass Dir die Schere nicht in das Führerhaus knallt, also immer vorsichtig mit den Hebeln sein." Nur gut, dass Bauleiter Toni Thelosen vorher erzählt hat, dass die Kabine mit Gittern und Panzerglas gesichert ist.

 Beglückt sitzt Sebastian Latzel in der Baggerkabine. Die Steuerhebel, mit denen er hantiert, lenken die Betonschere, die sich durch das Gemäuer frisst.

Beglückt sitzt Sebastian Latzel in der Baggerkabine. Die Steuerhebel, mit denen er hantiert, lenken die Betonschere, die sich durch das Gemäuer frisst.

Foto: van Offern, Markus (mvo)

In der Kabine ist es eng, aber angenehm kühl. Auch hier arbeiten High-Tech und eine Klimaanlage. Eine Sache fällt sogar dem Laien sofort auf: Es gibt kein Lenkrad. Stattdessen flankieren den Sitz zwei Steuerknüppel, die an Joysticks von Computerspielen erinnern. Vorne sind noch einmal zwei Schalthebel. Doch die sind tabu. Damit wird das Gerät nämlich fortbewegt. Doch so viel Vertrauen haben die Arbeiten in den Laien dann doch nicht. Gefahren werden darf nicht. Sicherheitshalber hat Jarno Albers den Bagger schon mal passend in Position gefahren.

Der Pfeiler an der Rolltreppe der Centerruine wartet auf den Einsatz der Betonschere. Die Einweisung ist kurz und praxisnah. Mit den Knüppeln wird die Schere bewegt, per Fußpedal schnappt sie zu. "Ich drossel mal das Gas, dann geht das etwas langsamer", sagt Jarno Albers.

Der Fortschritt an der Baustelle des Neumarktes
28 Bilder

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Ist vielleicht auch besser, denn schon die erste Bewegung mit dem rechten Joystick hat fatale Folge. Der Greifer packt vorne den Beton, drückt, und der ganze Bagger hebt vom Boden ab. Alles wackelt, der Schweiß läuft trotz Klimaanlage. Entspanntes Arbeiten sieht anders aus. Jarno lacht bei dem angstvollen Blick. "Keine Angst, ganz normal, jetzt einfach nur die Schaltung wieder zurückziehen, aber langsam bitte."

Tatsächlich. Ganz butterweich stellen die Kettenräder wieder Kontakt zum Boden her. Jetzt wird es echte Arbeit, vor allem für die Füße. Denn die müssen immer wieder die Pedale drücken, damit sich der Bagger wie ein Scherenmonster durch den Beton frisst. Aber nach der Arbeit kommt der Spaß, immer leichter geht es von der Hand, den Pfeiler in seiner Einzelteile zu zerlegen. Es staubt, es wackelt. So viel Spaß kann also Zerstören machen. Die Zeit auf dem Bagger ist aber um. Nicht für Jarno Albers, auf den noch drei Stunden Abriss-Arbeit warten. "Siehst Du, macht mehr Spaß als Bauen." Er muss es ja wissen.

(RP)
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