Interview mit Martin Schäfer Masken aus Rees beim Einkauf in Manchester

Martin Schäfer aus Rees lebt seit fast zehn Jahren in Großbritannien. Er spielt die Bratsche im Hallé Orchestra und hat einen Lehrauftrag am Royal Northern College, der Musikhochschule Manchesters. Der 34-Jährige, dessen musikalische Karriere einst bei den Haldern Strings begann, berichtet, wie die Corona-Krise Großbritannien im Griff hat und weitreichende Folgen für das kulturelle Leben im Königreich hat.

 Martin Schäfer, seine Frau Jess und die Töchter Emilia (4) und Isabelle (1) erleben den „Lockdown“ in Manchester. Über Skype spricht Martin Schäfer regelmäßig mit den Eltern in Rees: Helma und Bernd Schäfer haben auch selbstgenähte Masken nach Großbritannien geschickt.

Martin Schäfer, seine Frau Jess und die Töchter Emilia (4) und Isabelle (1) erleben den „Lockdown“ in Manchester. Über Skype spricht Martin Schäfer regelmäßig mit den Eltern in Rees: Helma und Bernd Schäfer haben auch selbstgenähte Masken nach Großbritannien geschickt.

Foto: Martin Schäfer

Welche Maßnahmen wurden in Großbritannien getroffen, um die Corona-Pandemie einzudämmen?

Martin Schäfer Die Maßnahmen scheinen denen in Deutschland zu ähneln, auch wenn hier leider erst später gehandelt wurde. Der „Lockdown“ startete am 23. März: Kindergärten, Schulen, Gastronomie und alle Geschäfte, die nicht existentielle Waren verkaufen, mussten schließen. Man darf nur aus dem Haus gehen, um Lebensmittel einzukaufen oder Sport zu treiben.

Wie wirkt sich das auf Ihr Berufsleben aus?

Schäfer Das Leben hat sich drastisch verändert. Die Orchester und Konzerthäuser mussten schließen, die Musikhochschule, an der ich unterrichte, lässt alle Meisterkurse und Seminare bis zum Semesterende online stattfinden. Meinen Unterricht gebe ich momentan auf Programmen wie Zoom und Skype. Meine Frau, Jess, die als Cellistin beim BBC Philharmonic arbeitet, und ich sind in der, für Großbritannien, ungewöhnlichen Situation, geregelte Verträge mit unseren Orchestern zu haben und nicht auf freischaffender Basis zu arbeiten. So beziehen wir weiterhin unsere Gehälter, wobei meinen Arbeitgebern ein Großteil der Kosten bis mindestens Juli vom Staat erstattet wird.

Ihre Töchter sind ein und vier Jahre alt. Wie hat sich deren Alltag verändert?

Schäfer Sie können nicht mehr zur Tagesmutter bzw. in den Vorschulkindergarten gehen. So verbringen wir den Lockdown als Familie gemeinsam zu Hause. Wir wohnen in einem Haus mit Garten, und in der Nähe gibt es viele schöne Grünflächen. Das ist eine große Hilfe für uns und die Kinder. Man spricht in Großbritannien von einem gestaffelten Schulanfang im Juni, aber wann und wie die jüngeren Kinder wieder betreut werden, ist schwer zu sagen.

Ab wann können wieder Konzerte stattfinden?

Schäfer Ich fürchte, Konzerte vor Publikum wird es vor Jahresende nicht mehr geben. Und wenn doch, dann muss ein Mindestabstand auf der Bühne und im Publikum eingehalten werden. Auch viele Hygienemaßnahmen wie Masken und Desinfektionsmittel kommen dann zum Einsatz.

Wie war Großbritannien auf die Pandemie vorbereitet?

Schäfer Dem britischen Gesundheitssystem wurden leider in der Vergangenheit die Gelder so stark gekürzt, dass es im „Normalbetrieb“ schon nahe am Limit arbeiten muss. Mittlerweile hat sich das System stabilisiert, allerdings gibt es anscheinend immer noch erhebliche Mängel bei der Ausrüstung der Ärzte und Krankenpfleger, die mit Covid-19-Patienten in Kontakt sind. Deutschland scheint schneller auf das Virus reagiert zu haben und hat sehr früh viele Tests durchgeführt. Die hätte ich mir in dieser Zahl auch hier gewünscht.

In Deutschland besteht Maskenpflicht beim Einkaufen, in Arztpraxen und in öffentlichen Verkehrsmitteln. In Großbritannien auch?

Schäfer Hier noch nicht. Das Thema wird eher kontrovers diskutiert. Allerdings sieht man durchaus einige Menschen mit Maske. Die selbstgenähten Masken, die meine Eltern uns aus Rees geschickt haben, nutze ich jetzt beim Wocheneinkauf.

Bevor Corona die Schlagzeilen dominierte, war der Brexit ein wichtiges Thema. Wie verändert Großbritanniens Austritt aus der EU Ihr Leben und Ihre Arbeit?

Schäfer Ich werde weiter hier leben und arbeiten, allerdings wird es für britische Ensembles schwieriger werden, im europäischen Ausland zu touren und internationale Musiker, Schauspieler und Künstler zu rekrutieren. Der Brexit wird das kulturelle Leben in Großbritannien ärmer werden lassen.

(Michael Scholten )
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