Rees Reeser Kirmes-Erinnerungen

Rees · Heute beginnt die Reeser Kirmes. Seit 1948 hat der Reeser Konditor- und Bäckermeister Helmut Terhorst keine verpasst.

 Oben: Aufbau der Reeser Kirmes. Sie wird heute um 15 Uhr eröffnet. Links unten: Ein Blick auf das Volksfest in der Vergangenheit. Das Bild stammt vermutlich aus dem Jahr 1956. Rechts unten: Helmut Terhorst 1953, im zarten Alter von sieben Jahren.

Oben: Aufbau der Reeser Kirmes. Sie wird heute um 15 Uhr eröffnet. Links unten: Ein Blick auf das Volksfest in der Vergangenheit. Das Bild stammt vermutlich aus dem Jahr 1956. Rechts unten: Helmut Terhorst 1953, im zarten Alter von sieben Jahren.

Foto: Michael Scholten/privat

Seit 775 Jahren gibt es die Reeser Kirmes. Die erste nach dem Zweiten Weltkrieg fand 1948 statt, als Rees zum Teil noch in Trümmern lag. Helmut Terhorst war damals zwei Jahre alt. Seither hat der Konditor- und Bäckermeister keine Kirmes vor seinem Elternhaus am Markt 27 verpasst. "Als Kinder haben wir die Kirmeswagen schon an der Empeler Straße begrüßt und bis zum Markt begleitet", erinnert sich Terhorst. Die Fahrgeschäfte, die vor der Bäckerei aufgebaut wurden, bekamen vorn dort auch Strom, Wasser und Brote. Sie bedankten sich, indem sie die Familie Terhorst jedes Jahr mit 50 bis 70 Freikarten versorgte. Der kleine Helmut und seine Freunde lösten sie begeistert auf den Karussells ein.

Die Eltern Wilhelm und Gerta Terhorst hatten seit jeher ein gutes Verhältnis zu den Schaustellern. "Mein Vater schloss am Kirmesmontag die Bäckerei", sagt Helmut Terhorst. "Er hielt es für fair, am Kirmeswochenende den Waffelbäckern und fahrenden Gastronomen ihr Geschäft zu gönnen." Der Sohn hält diese Tradition bis heute bei: Am Kirmesmontag bleibt die Backstube kalt, die Angestellten bekommen bezahlten Urlaub.

Helmut Terhorst erinnert sich an viele Details aus den frühen Kirmesjahren: der schwarze Bulldozer, der den Wagen der Waffelbäckerei Rissarts zog, der burgundrote Hanomag, der die Überschlagschaukel an den rechten Platz rückte, der Billige Jakob, der Wasserpistolen verkaufte ("die gelben spritzten weiter als die grauen") oder der auffallend korpulente Fischverkäufer, dessen grüne Heringe vorbestellt werden mussten, wenn man von der beliebten Spezialität etwas abhaben wollte.

Helmut Terhorst erzählt auch vom Eklat, den es rund um die Autoselbstfahrer gab: "Der Andrang war so groß, dass die Fahrzeit auf 30 Sekunden reduziert wurde. Die Schausteller argumentierten, so komme jeder mal dran, doch die eingeschalteten Ordnungshüter der Stadt Rees setzten längere Fahrzeiten durch."

Mit der Raupe, in der viele Reeser ihre ersten heimlichen Küsse austauschten, verbindet Helmut Terhorst keine guten Erinnerungen: "Ich war 14 Jahre alt und beobachtete eine Stunde lang ein unglaublich hübsches Mädchen an der Raupe. Dann nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und bat sie, mit mir eine Runde zu fahren. Doch sie sagte nur: ,Fahr mal lieber alleine, Kleiner!" Das passierte am Kirmessonntag. Am Dienstag hatte ich mich noch immer nicht davon erholt."

Ab 1968 wurde der Kirmesstart von Sonntag auf Samstag vorgezogen, 1971 fand das erste Feuerwerk statt. Im selben Jahr kam es beim Kirmesfrühschoppen in der Fährstube des heutigen Rheincafés Rösen zu einer verrückten Wette. "Um Spenden für eine neue Orgel zu sammeln, bot Organist Theo Koppers an, im Rhein baden zu gehen. Das tat er auch, aber mit Gummischuhen und einem Seil, das ihn sichern sollte. Gleich darauf bot Auwi Dresen an, sich gegen weitere Spenden eine Glatze schneiden zu lassen." Das passierte erst nach Abschluss der Kirmes, der Kahlschlag brachte mehr als 1000 Mark für die Orgel ein.

Der 1972 neugegründete Verkehrs- und Verschönerungsverein Rees führte zur Kirmes einen Bierstand ein. Als Vorstandsmitglied gehörte Helmut Terhorst sofort zum ehrenamtlichen Verkaufsteam. "Wir erzählten allen, Rolf Albring hätte uns zum Schaustelleraufstellerseminar nach Düsseldorf geschickt, aber das war nur ein Witz, mit dem wir Kompetenz heuchelten", gesteht der Bäckermeister. Anfangs verkaufte der VVV auf der Kirmes auch Essen, erst Haxen, dann Fisch. Danach konzentrierte er sich auf die Kernkompetenz (Bier) und finanzierte mit den Einnahmen die ersten Bronzeskulpturen in Rees. Am Bierstand hing eine Glocke aus Auwi Dresens Fährstube. Wer sie läutete, spendierte den VVV-Helfern eine Runde. "Dann riefen alle Bingo, Bingo und machten zwei Minuten Zapfpause", sagt Terhorst.

Wie alles im Leben, hat auch die Reeser Kirmes zwei Seiten: Wehmütig denkt Helmut Terhorst an den Kirmesdienstag 2003 zurück. "Um 20 Uhr verabschiedete sich Auwi Dresen, um sich den Feuerwerksgästen auf dem Balkon seines Hotels zu widmen. Am nächsten Morgen kam Theo Lörcks um halb vier in die Backstube und sagte, dass Auwi in der letzten Nacht gestorben sei. Wir denken bei jeder Kirmes an ihn."

Doch es gab auch freudige Familienereignisse: "Als Felix Eyting zur Kirmes 1989 geboren wurde, hisste ich spontan die Flagge und versprach dem Kirmeskind, ihm bis zum 21. Geburtstag jedes Jahr eine Kirmesmaus aus Marzipan zu schenken."

Und Terhorst hielt Wort - Felix Eyting bekam bis zum Jahr 2010 zur Kirmes eine kleine Kalorienbombe.

(RP)
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