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Rees Glocken-Historie seit über 1000 Jahren

REES · Heinz Belting schilderte bei einem Ressa-Vortrag die spannende Geschichte der Reeser Kirchenglocken.

 1956 kamen drei neue Glocken aus Gescher nach Rees. Die Michaels, die Pius- und die Irmgardisglocke waren der Ersatz für das im Krieg zerstörte Kirchengeläut.

1956 kamen drei neue Glocken aus Gescher nach Rees. Die Michaels, die Pius- und die Irmgardisglocke waren der Ersatz für das im Krieg zerstörte Kirchengeläut.

Foto: Hubert Dahmen/Sammlung Hubert Dahmen

Jeder kennt ihren Klang, doch nur die wenigsten haben die Glocken der Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt schon einmal aus der Nähe betrachtet. Heinz Belting besuchte vor drei Jahren die Glockengießerei Grassmayer in Innsbruck und fing Feuer für die Geschichte und Herstellung von Kirchenglocken. Er bat um Erlaubnis, den Ostturm der katholischen Kirche in Rees erklimmen zu dürfen, und stellte sich viele Fragen, deren Antworten er im Rahmen intensiver Recherchen suchte.

Die Ergebnisse präsentierte er jetzt, auf Einladung des Geschichtsvereins Ressa, im Kolpinghaus. Die Zuhörer erfuhren alles über die sechs Bronzeglocken, die Maria, Michael, Pius, Irmgardis, Cyriakus und Georg gewidmet sind und nicht nur einen schönen Klang, sondern auch eine spannende Vergangenheit haben.

Die erste urkundliche Erwähnung von Reeser Glocken stammt aus dem Jahr 1245. Nachdem die damalige Kirche abgebrannt war, wurde der Verlust der Glocken betrauert. Belting blickte aber noch weiter zurück: Es dürften Benediktiner-Mönche aus Corbie (Nordfrankreich) gewesen sein, die um 800 eine kleine Niederlassung mit Kapelle in Rees gründeten und dort die ersten Glocken in Auftrag gaben.

Beltings besonderes Augenmerk galt der Marienglocke, die 1789 gegossen wurde und heute die Ordnungsnummer 1 trägt. Christian Diederich Voigt, der sich in Isselburg niedergelassen hatte und den Grundstein für die Isselburger Hütte gelegt haben dürfte, goss sie in Rees. Ein Transport aus Isselburg war nicht zu stemmen. Das genaue Gewicht gibt bis heute Rätsel auf, da Quellen drei verschiedene Gewichte nennen: 2076 Kilogramm, 2,4 Tonnen und drei Tonnen. Unklar ist auch der Durchmesser, weshalb Belting Ressa-Vorsitzenden Heinz Wellmann bat, bei einer seiner nächsten Touren, die in den Ostturm führen, einen Zollstock mitzunehmen.

Die Reeser Marienglocke wurde 1942 demontiert und mit zwei weiteren Reeser Glocken zum „Glockenfriedhof“ in Hamburg gebracht. Eigentlich sollte sie eingeschmolzen werden, weil Bronze für die Herstellung von Kanonen benötigt wurde. Doch angesichts ihrer langen Historie blieb der Marienglocke dieses Schicksal erspart. Nach dem Krieg, im Jahr 1949, kehrten die drei Reeser Glocken in die Rheinstadt zurück. Ironie der Geschichte: Die ehemals zweite Kirchenglocke, die 1641 von Peter von Trier gegossen worden war, hatte man 1942 in Rees belassen und so vom Einschmelzen verschonen wollen. Doch im Februar 1945, bei der Bombardierung von Rees, wurde sie zerstört.

Heute trägt die Michaelsglocke die Ordnungsnummer 2. Sie ist eine von drei Glocken, die 1956 von der Gießerei Petit und Gebrüder Edelbrock in Gescher gegossen wurden. Dazu gehörten auch die Piusglocke (Ordnungsnummer 3) und die St. Irmgardisglocke (Ordnungsnummer 4). Letztere ist in Rees am häufigsten zu hören, da sie bei allen Gottesdiensten, außer bei Beerdigungen, läutet. Sie trägt die Inschrift „Irmgardis, schütze Dein Land“ und das Wappen der Stadt Rees.

Die fünfte Glocke ist die Cyriakusglocke (1782), die 1949 unversehrt aus Hamburg zurückkehrte, wie auch die sechste Glocke, die dem Heiligen Georg gewidmet ist. Sie war einst als „Fünf-Minuten-Glocke“ bekannt, die letzte Nachzügler zum pünktlichen Erscheinen in der Kirche mahnte. 1996 kamen Glockenexperten zu der Erkenntnis, dass der eiserne Glockenstuhl im Ostturm dem warmen Klang der Bronzeglocken schade. Er wurde durch einen Glockenstuhl aus Holz ersetzt, sodass die Rheinische Post am 5. Februar 1997 melden konnte: „Das Geläut klingt jetzt zur Zufriedenheit aller Experten besser.“

Ressa bat Heinz Belting für seinen Vortrag auch die Glocke der evangelischen Kirche am Markt zu erforschen. Er sagte zu, ohne zu ahnen, dass es weder im Stadtarchiv noch im Kirchenkreis Wesel und bei der Landeskirche Düsseldorf Informationen dazu gibt. Erst ein Foto, das bei Wartungsarbeiten entstand, brachte ihn auf eine Spur. Die Aufschrift „Door dat Vier bin ick geflooten, Peter van Trier heft my gegooten, 1646“ gab Auskunft über Alter und Herkunft. Somit ist sie älter als alle Glocken der katholischen Kirche.

(Michael Scholten)
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