Für Forschung der jüdischen Geschichte Reeser mit Rheinlandtaler ausgezeichnet

Rees · Bernd Schäfer erhält den LVR-Preis für seine Forschungen über die frühere jüdische Gemeinde in Rees. Zuletzt wurde in den 80ern ein Reeser mit dem Rheintaler geehrt.

 Bernd Schäfer hat seinen Lieblingsort selbst ins Leben gerufen: den Raum der jüdischen Traditionen.

Bernd Schäfer hat seinen Lieblingsort selbst ins Leben gerufen: den Raum der jüdischen Traditionen.

Foto: Scholten

Als Bernd Schäfer den Brief in den Händen hielt, konnte er es kaum fassen. Darin teilte der Landesverband Rheinland (LVR) dem pensionierten Lehrer mit, dass ihn der Kulturausschuss für die seltene Ehre des Rheinlandtalers ausgewählt habe. „Ich war überrascht und gerührt“, sagt Schäfer. „Auch zwei Tränchen sind geflossen.“

Die Verleihung wird im September oder Oktober stattfinden. Als Ort kommen das Kreishaus in Kleve oder das Reeser Rathaus in Frage. Letzteres wäre Schäfer fast lieber: „Schließlich nehme ich den Rheinlandtaler stellvertretend für die Stadt Rees entgegen, in der mir alle Türen offen standen, wann immer ich Zeitzeugen oder auch die Mitarbeiter der Stadtverwaltung um Hilfe gebeten habe.“

Soweit es Schäfer bekannt ist, ging seit Mitte der 80er Jahre kein Rheinlandtaler mehr nach Rees. Damals zeichnete der LVR den Reeser Stadtarchivar Hermann Terlinden aus.

In Rees wird kein zweiter Name so sehr mit jüdischer Geschichte in Verbindung gebracht wie der des 67-jährigen Wahl-Reesers Schäfer. „Mein Interesse am Judentum begann in meiner Schulzeit in Münster“, sagt er. „Jeden Tag fuhr ich mit dem Fahrrad an der Synagoge in der Klosterstraße vorbei. Meine Eltern und Tanten, aber auch mein Geschichts- und Religionslehrer konnten viele Fragen beantworten.“

1980, als Schäfer seinen Schuldienst am Reeser Gymnasium begonnen hatte, richtete die Körber-Stiftung einen Geschichtswettbewerb aus. Vier Schüler erforschten mit ihm den Nationalsozialismus in Rees und die Geschichte der jüdischen Bürger. Durch Vermittlung des Stadtarchivars Terlinden und weiterer Zeitzeugen lernte Schäfer immer mehr Reeser Überlebende des Holocaust kennen. „Bis heute verbindet mich mit diesen Familien eine tiefe Freundschaft“, sagt er. „Das Wissen, das die Menschen jüdischen Glaubens mit mir teilen, gebe ich in Führungen, Ausstellungen und Buchbeiträgen weiter.“

1997 initiierte Schäfer im Reeser Rathaus die erste große Ausstellung über jüdische Geschichte. Das Interesse daran war beachtlich. Auch Paul Spiegel, der wenig später zum Vorsitzenden des Zentralrats der Juden gewählt wurde, besuchte die Ausstellung. 2009 war Rees die erste Kommune am Niederrhein, die durch das Verlegen von Stolpersteinen an das Schicksal von 35 jüdischen Mitbürgern erinnerte. Treibende Kräfte waren Schäfer und der damalige Vorsitzende des Verkehrs- und Verschönerungsvereins, Rolf Albring. Beide machten sich später auch für den „Raum der jüdischen Traditionen“ im Koenraad-Bosman-Museum stark.

Nur selten macht Schäfer die Erfahrung, dass Reeser die Gräueltaten der Nazis, die nicht nur am Pogrommorgen des 9. Novembers 1938 bis nach Rees reichten, vergessen wollen: „Die Mehrheit erkennt, wie wichtig der Blick in die Vergangenheit ist, um in der Gegenwart und Zukunft friedlich miteinander leben zu können“, sagt Schäfer, der auch zu den ersten gehörte, die das Schicksal der niederländischen Zwangsarbeiter in Rees im Kriegswinter 1944/45 erforschten. „Besucher aus ganz Deutschland, aus den Niederlanden und aus Israel zeigen sich dankbar, wie wir in Rees unsere Geschichte aufarbeiten“, weiß der Pädagoge aus vielen Gesprächen, Briefen und E-Mails.

Und dieser Dank manifestiert sich jetzt auch im Rheintaler für Schäfer. Dazu erklärt Jürgen Rolle, Vorsitzender des LVR-Kulturausschusses: „Die Damen und Herren, die mit dem Rheinlandtaler ausgezeichnet werden, (...) sind als Botschafter für die rheinische Kultur unterwegs. Für den LVR sind sie unverzichtbar, denn sie ergänzen, bereichern und verstetigen unsere kulturellen Aufgaben.“

(ms)
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