Erfahrung eines überzeugten E-Autofahrers Strom tanken: Gar nicht so einfach

REES · Horst Fischer hat sich ein E-Auto gekauft. Seine Erfahrungen zeigen die Probleme, die es damit derzeit noch gibt.

 Horst Fischer beim Laden seines Smart Electronic an der Schnell-Ladesstation hinter dem Reeser Rathaus.

Horst Fischer beim Laden seines Smart Electronic an der Schnell-Ladesstation hinter dem Reeser Rathaus.

Foto: Scholten/Michael Scholten

Horst Fischer weiß, wovon er redet. „Ich bin Uralt-Fahrer“, sagt der der pensionierte Physiker. Seit er in den 1950er Jahren sein Führerscheinprüfung bestand, hat er mehr als 20 Autos besessen. „Auch Porsche“, ergänzt er und räumt ein, dass es wilde Zeiten mit wilden Fahrten gab: „Einige Autos habe ich kaputtgefahren.“

Heute lebt Horst Fischer im Halderner Altenheim St. Marien. Trotz einiger gesundheitlicher Rückschläge in den letzten Jahren möchte er keinesfalls auf Mobilität verzichten: „Ich bin gehbehindert, aber nicht im Kopf“, erklärt er mit Nachdruck.

Sein Elektroscooter eignet sich für Fahrten in Haldern und auch im Stadtgebiet Rees. Doch da Horst Fischer alte Freundschaften in Wesel, Bocholt, Kleve oder Rheine pflegen möchte, hat er vor zwei Monaten einen Smart Electronic gekauft. „Überall wird getrommelt: Kauft Elektro! Schont die Umwelt!“, sagt der Witwer, der ganz bewusst auf die neue Technik setzt: „Ich möchte keinen Benziner oder Diesel mehr fahren.“ Der Neupreis von circa 20.000 Euro und die Wartezeit von derzeit sieben Monaten auf einen Neuwagen hätte Horst Fischer abgeschreckt, doch in Düsseldorf („bei einem sehr seriösen Händler“) erwarb er für 9000 Euro einen gebrauchten Smart Electronic. „Der hat nur 4600 Kilometer auf dem Buckel, die Elektromotoren sind langlebig, gehen nicht kaputt und lassen den Wagen weich wie Butter fahren.“

Der Smart läuft einwandfrei – doch seit Horst Fischer etwas für die Umwelt tun möchte, merkt er immer wieder, dass Wunsch und Wirklichkeit gerade in Deutschland weit auseinanderklaffen und E-Auto-Fahrer manchen Nachteil gegenüber Benzin- und Diesel-Tankern haben.

Das begann schon bei der abenteuerlichen Jungfernfahrt von Düsseldorf nach Haldern: „Ich habe eine Ausfahrt verpasst und mich verfahren. Schon war der Akku leer und ich bin an einer Tankstelle in Neukirchen-Vluysn gestrandet“, erzählt Horst Fischer. Einen „leeren“ Benziner hätte er dort sofort auftanken können. Aber so musste ein ADAC-Abschleppwagen aus Moers anrücken. Der „gelbe Engel“ hatte auch keine Ahnung, wo die nächste öffentliche Ladestation mit Schnellladesystem für E-Autos stehen könnte. Nach mehreren Anrufen und der Recherche im Internet wurde in 20 Kilometern Entferung eine Ladestation ermittelt. Der ADAC-Transport dorthin schlug mit 250 Euro zu Buche. Weit nach Mitternacht, viele Stunden später als geplant, traf Horst Fischer mit frisch geladenem Smart Electronic in Haldern ein.

Der Pensionär schätzt sich glücklich, dass er ein Handy besitzt, Physiker war und keine Scheu vorm Internet hat: „Anders könnte ich größere Fahrten mit meinem Wagen gar nicht verantworten: Wenn ich nach München will, muss ich genau recherchieren, wo ich unterwegs Ladestationen finde, und mich vorher telefonisch vergewissern, dass die auch wirklich funktionieren und dass ein Anschluss für mich frei ist.“

Zwar lässt sich der Akku zur Not auch über eine normale Steckdose aufladen, aber das dauert bis zu acht Stunden. „Ich fahre lieber zu öffentlichen Ladestationen“, sagt Horst Fischer. „Dann ist der Akku nach drei Stunden voll und ich komme mit dem Wagen wieder 200 Kilometer weit.“

Da Haldern keine Ladestation hat, nutzt er die Reeser Ladestation hinter dem Rathaus. Dort sind zwei Anschlüsse und zwei Parkplätze, die für E-Autos reserviert sind. Sofern dort nicht die stadteigenen E-Autos eingestöpselt sind, stehen sie der Öffentlichkeit zur Verfügung. „Ich bin nichts ahnend nach Rees gefahren“, erinnert sich Horst Fischer, der bei der dortigen Premiere wieder dazulernen musste:

„Manche Städte verschenken den Strom, in Rees muss man bezahlen.“ Allerdings nicht bar in die Stadtkasse, sondern über einen Vertrag, den der E-Auto-Besitzer im Vorfeld mit einem Stromanbieter eingeht.

„Erst muss man am Telefon heilige Eide schwören, dass man sauber ist, dann kriegt man nach einer Woche Post und muss viele Papiere ausfüllen und ein Nutzerkonto anlegen“, sagt Horst Fischer. „Um dann endlich an Strom zu kommen, muss ich jedes Mal beim Anbieter anrufen, mein Passwort nennen, und die kleingedruckte Kennung an der Ladesäule durchgeben, die Menschen in meinem Alter kaum lesen können.“ Er findet das Prozedere „extrem umständlich“ und hofft, dass „wir schon bald an jeder Tankstelle Strom tanken können, so wie wir es von Benzin und Diesel gewohnt sind“.

Ein weiteres Manko sieht Horst Fischer in der Vielzahl von Anbietern, mit denen ein eigener Vertrag geschlossen werden muss: „In Kleve ist das nicht mein Anbieter, sondern die Stadt selbst. In Hamminkeln hat die Stadt vier eigene Elektroautos, weshalb die zwei stadteigenen Ladestationen fast immer besetzt sind.“

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