Der Reeser Nachtwächter Heinz Wellmann Lampenfieber hat er längst nicht mehr

REES · Seit zehn Jahren ist Heinz Wellmann als Nachtwächter unterwegs. Und rührt dabei kräftig die Werbetrommel für Rees.

  Bei der regenreichen Jubiläumsführung des Reeser Nachtwächters Heinz Wellmann waren trockene Vordächer wie das des Rathauses bei allen Teilnehmern gefragt.

Bei der regenreichen Jubiläumsführung des Reeser Nachtwächters Heinz Wellmann waren trockene Vordächer wie das des Rathauses bei allen Teilnehmern gefragt.

Foto: Michael Scholten

„Hört, Ihr Leut, und lasst Euch sagen: Unsere Uhr hat Sieben geschlagen.“ Als Nachtwächter Heinz Wellmann seine Jubiläumstour startete und ins Horn blies, nahm das Herbstwetter keinerlei Rücksicht auf die 40 Teilnehmer. Wind und Regen sorgten für eine rasche Neuberechnung der geplanten Route, sodass vor alle Sehenswürdigkeiten mit Vordach (Rathaus) oder Vorraum (Kirche) zu beliebten Attraktionen wurden. Dem Informationswert der Tour und der Spiellust des Protagonisten tat das jedoch keinen Abbruch.

 Der Nachwächter und sein „zänkisch Weib Ida“ (Brigitte Mölders).

Der Nachwächter und sein „zänkisch Weib Ida“ (Brigitte Mölders).

Foto: Michael Scholten

Heinz Wellmann, der mit der überraschungsreichen Führung ins zehnte Jahr seines Nachtwächterlebens einleitete, triezte zugereiste Gäste aus der Landeshauptstadt („Ihr lebt immer noch in einem Dorf an der Düssel, während Rees schon im Jahr 1228 die Stadtrechte erhielt“) und erhellte auch die Reeser Geschichtsfreunde mit Geschichten über die enge Freundschaft zwischen Henker und Bestatter, die Angst vorm „roten Hahn“ oder das 60 Jahre währende Gastspiel der Niederländer, die Rees zu einer riesigen Festung ausbauten.

Erstmals hatte auch „Ida, des Nachtwächters zänkisches Weib“, ihren Gastauftritt. Als Heinz Wellmann die „untreue Tomate“ im Haus des Barbiers in der Fallstraße erwischte, durften die Besucher einem stimmgewaltigen und (schimpf)wortreichen Ehestreit beiwohnen, der bis zum Kolpinghaus anhielt. Dort gab es, bei Glühwein, Lagerfeuer und Gesang, schließlich die Versöhnung und Auflösung: Brigitte Mölders, gewandete Stadtführerin aus Bocholt, war in die Rolle der zänkischen Ida geschlüpft, wohlwollend beäugt von Heidi Wellmann, des Nachtwächters „lieblich Weib“ im wahren Leben.

Heinz Wellmann nutzte das Jubiläum, um Rückschau auf die Anfänge seines Alter Egos zu halten: „Das Interesse für Geschichte war schon immer da, vor alle für das Mittelalter. Als ich eine Nachtwächterführung in Rothenburg ob der Tauber mitgemacht habe, war ich fasziniert von der Atmosphäre und wollte auch der Stadt Rees eine vergleichbare Attraktion vorschlagen.“ Umso größer war Wellmanns Überraschung, als kurz darauf der Reeser Uhrmacher Heinz Belting die Nachtwächterei in der Rheinstadt einführte. „Auch Egon Schottek war eine zeitlang Nachtwächter, bevor er sich wieder auf seine Musik konzentrierte“, sagt Heinz Wellmann, der fortan die privaten Touren übernahm und Heinz Belting im Bedarfsfall bei dessen öffentlichen Führungen unterstützte.

In der Anfangszeit hatte Wellmann noch Lampenfieber: „Meine erste Tour war mit 14 Lehrern, da war ich noch nicht so fest im Sattel und konnte die Stadtgeschichte nicht so umfangreich darlegen, wie ich heute. Aber im Laufe der Jahre bin ich immer mehr in die Rolle hineingewachsen. Heute lege ich mein Gewand an und – Peng! – bin ich der Nachtwächter.“ Im Jahr 2009 trat Heinz Wellmann der Deutschen Gilde der Nachtwächter, Türmer und Figuren bei. Zwei Jahre später wurde er zum Vorsitzenden gewählt und inzwischen viermal im Amt bestätigt. Fortan entwickelte er Figuren wie Hein vom Rhein, den Kastellan der Burg Empel, den Torwächter, den Mesner von Rees oder den bierseligen Mönch Paul Laner, der seit dem 500. Jahrestag des Reinheitsgebotes durch Reeser Lokale führt.

In Sachen Alkohol versteht der Gästeführer aber nur bedingt Spaß:

„Wenn Gäste heiter sind, ist das in Ordnung, aber wenn sie betrunken sind, ist die Führung sinnlos. Einmal musste ich eine private Tour abbrechen, weil mir die Gruppe eh nicht mehr folgen konnte.“ Die positiven Erfahrungen überwiegen: „Ich hatte eine Damengruppe, stieß ins Horn und wollte singen, aber alle Frauen fingen an, herzlich zu lachen. Der Grund war, dass die Kühe auf der benachbarten Wiese auf mein Hornsignal antworteten. “

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