Dauerleihgabe aus Familienbesitz Ein Korbflechter fürs Scholten-Zimmer in Rees

Rees · Die Geschwister Winfried und Gudrun Raffel überlassen dem Reeser Museum eine Dauerleihgabe aus Familienbesitz. Warum der „Korbflechter“ ein durchaus bemerkenswertes Gemälde von Hein Scholten ist.

 Die Leihgeber des Bildes – Gudrun und Winfried Raffel – mit Kulturamtsleiterin Sigrid Mölleken.

Die Leihgeber des Bildes – Gudrun und Winfried Raffel – mit Kulturamtsleiterin Sigrid Mölleken.

Foto: Michael Scholten

Vor zehn Jahren wurde im städtischen Museum Koenraad Bosman ein eigenes „Scholten-Zimmer” eingerichtet. Es ist dem Maler Hein Scholten gewidmet, der 1894 in Rees zur Welt kam und 1967 ebendort starb.

Bis heute sind vor allem Scholtens Landschaftsbilder bekannt, die er in der Nachkriegszeit malte. Große Teile seines Frühwerks gingen im Zweiten Weltkrieg verloren. Umso größer war nun die Freude im Kuratorium des Museums, als die Familie Raffel der Stadt Rees ein Vorkriegsbild Heinrich Scholtens als Dauerleihgabe überreichte.

Das Ölgemälde „Korbflechter” ist eines der seltenen Bilder, in denen der Künstler einen Menschen gemalt hat. Diese Motivwahl sowie die Maltechnik weisen laut Expertise darauf hin, dass das 60 mal 80 Zentimeter große Werk vor 1939 entstanden sein muss.

Scholten hat die Farbe mit dem Spachtel und einem breiten Pinsel aufgetragen, manchmal recht dick, um die Wirkung des Lichts und der Körper im Raum herauszuarbeiten. In den Besitz der Reeser Familie Raffel kam das Ölgemälde in den 1970er-Jahren durch eine Erbschaft. Zuvor hing es in einem Haus am Stadtgarten. Fortan schmückte es eine Wand in dem Wohnzimmer von Günther und Hanni Raffel, die von 1955 bis 1971 einen Haushalts- und Spielwarenladen in der Dellstraße betrieben.

„Für uns symbolisiert dieses Bild ein Stück Heimat”, sagt der Sohn Winfried Raffel. Gemeinsam mit seiner Schwester Gudrun beschloss er, das elterliche Erbstück dem Museum und somit allen Reesern zu überlassen. „Das Gemälde gehört einfach in die Region”, sagen die Geschwister, die in Düsseldorf und Gelsenkirchen wohnen.

„Wir freuen uns, dass die Familie Raffel uns das Bild anvertraut hat und wir damit eine schöne Ergänzung zu den anderen Bildern im Scholten-Zimmer schaffen können”, sagt Kulturamtsleiterin Sigrid Mölleken. Insgesamt 13 Werke des Reeser Künstlers werden derzeit ausgestellt, weitere befinden sich im Museumsfundus.

Die jüngste Leihgabe sagt viel über ein traditionelles Handwerk am Niederrhein aus: In Körben wie jenen, die im Bild geflochten werden, brachten Bauern ihr Obst und Gemüse zum Markt. Auch bei der Ernte kamen diese Körbe zum Einsatz. Gefertigt wurden sie aus biegsamen Zweigen der Korbweide oder Kopfweide, die noch heute die niederrheinische Landschaft prägt.  

Hein Scholten wurde am 8. Mai 1894 in einem bekannten Reeser Haus geboren: der heutigen Stadtbücherei am Markt 18. Es war das Wohnhaus der Brauereifamilie Scholten, die im Nachbarhaus Nummer 17 Bier produzierte. Schon als Volksschüler und Gymnasiast malte Heinz Scholten. Er besuchte oft den neun Jahre älteren Reeser Maler Piet Leysing (1885-1933) in der Rünkelstraße 21. Die Eltern wollten, dass der Sohn zunächst etwas Bodenständiges lernt. So begann er eine kaufmännische Ausbildung in Neuss und besuchte – erst heimlich, dann mit Genehmigung seines Chefs – während der Arbeitszeiten die Kunstakademie in Düsseldorf.

Der Erste Weltkrieg durchbrach die Pläne. Scholten wurde Leutnant der Reserve und kämpfte an der Westfront. Er wurde mehrmals verwundet. Nach dem Krieg studierte er in Amsterdam und Leiden, von 1921 bis 1922 an der Kunstakademie Berlin.

In Rees fand er Künstlerfreunde wie Paul Biesemann und Piet Leysing, mit denen er Fahrten nach Ostfriesland unternahm. Als die Alliierten 1945 Rees zerstörten, wurde auch Scholtens Atelierhaus mit allen Werken ausgelöscht. Im Sommer 1945 gründete er mit Malerfreunden aus Rees und Wesel die Künstlergruppe „Die Niederrheiner“ und organisierte Ausstellungen in Dinslaken, Emmerich und Wesel.

Ab 1947 unternahm Scholten wieder Malreisen in die Eifel, den Westerwald, nach Ostfriesland und Oberbayern, wo er fast nur noch Landschaftsbilder malte. Scholten starb am 16. Oktober 1967 in Rees, sieben Jahre später widmete ihm seine Heimatstadt eine erste große Gedächtnisausstellung im Reeser Rathaus. Das städtische Museum Koenraad Bosman organisierte 2011 eine Sonderausstellung mit mehr als 60 geliehenen Scholten-Bildern aus Privatbesitz.

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