Emmerich Rätselraten um Einsatz der Polizei am Heim

Emmerich · Gestern Morgen durchsuchten Beamte das Flüchtlingsheim an der Tackenweide. Anscheinend wusste die Polizei vorher schon alles Wichtige über den Terrorverdächtigen. Bürgermeister in Sorge.

Emmerich: Rätselraten um Einsatz der Polizei am Heim
Foto: Scholten/Schulmann TV

Mittwoch um 14 Uhr parkte ein Dutzend Polizeiwagen an der Ostermayerstraße hinter der Kaffeerösterei Reinhard-van Gülpen. 150 Polizeibeamte sollen in Emmerich gewesen sein. Doch nichts geschah. Erst gestern Morgen um 6 Uhr durchsuchte die Polizei die Flüchtlingsunterkunft an der Tackenweide.

Was sie dazu gebracht haben könnte, darüber rätseln viele. Stadtsprecher Tim Terhorst verwies gestern auf die Generalbundesanwaltschaft. Das ist die Staatsanwaltschaft des Bundes. Sagen dürfe im Rathaus niemand etwas zu der Sache. Nur so viel: Bedienstete der Stadtverwaltung seien nicht von der Polizei zum Gespräch gebeten worden.

Was dafür spricht, dass die Polizei schon eine Menge über Anis A. weiß. Schließlich war der Tunesier in Emmerich gemeldet und hatte im Flüchtlingsheim gewohnt. Seine Schecks hatte der Mann, der verdächtig wird, in Berlin den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt verübt zu haben, zudem im Emmericher Rathaus bekommen.

Deshalb hätten die Mitarbeiter und der Betreuer des Flüchtlingsheims vielleicht doch etwas beitragen können über den Mann und zu der Frage, mit wem er Kontakt hatte. Aber vielleicht ist das Umfeld des Tunesiers bereits gut ausgeleuchtet. Das erklärte möglicherweise auch die Durchsuchung des Heims an der Tackenweide erst am gestrigen Morgen. War dort für die Polizei nichts mehr zu holen?

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Foto: dpa, arn vge

Das war jedenfalls die Vermutung der zahlreichen Journalisten, die am Mittwoch vor dem Gebäude gewartet hatten. "Das ist hier ein Ablenkungsmanöver, ein medialer Nebenschauplatz", waren sich die Journalisten schnell einig, standen aber dennoch stundenlang in der Kälte.

Schnell machte der Witz die Runde, den der Kabarettist Bruno Jonas schon 1990 brachte, als die Live-Schalten zu Korrespondenten im Golf-Krieg in Mode kamen: "Journalisten interviewen sich gegenseitig und bestätigen sich, dass sie sich hören können."

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Ein Hauch davon wehte auch über die Tackenweide: Das waren ungezählte Wartezeiten und Arbeitsstunden von Polizisten an der Ostermayerstraße und von Journalisten, die fünf Autominuten entfernt an einem Ort froren, an dem über viele Stunden nichts passierte. Und sollte am Abend doch noch etwas passieren, dann wäre das mit Sicherheit belanglos. Einige harrten tatsächlich aus. RP-Fotograf Christoph Reichwein lieferte gestern in aller Frühe Bilder.

Was das alles mit der Hilfsbereitschaft der Menschen in Emmerich macht und ob sich das Verhältnis zu Flüchtlingen und Asylbewerbern verändert, das bleibt abzuwarten. Hasskommentare bei Facebook gab es natürlich bereits.

Bürgermeister Peter Hinze ist jedenfalls in Sorge: "Ich bin erschrocken, dass sich ein Mensch mit diesem Hintergrund in Emmerich aufgehalten hat." Er appellierte: "Ich hoffe, dass die Emmericher Hilfsbereitschaft nicht darunter leidet, dass es so einen Menschen gibt, der diese ausgenutzt hat."

Profitieren könnte nun die AfD, deren NRW-Landesvorsitzender bereits im Internet verbreitet hat, dass die Berliner Toten "Merkels Tote" seien. Die Rechtspopulisten rechnen sich bei der Landtagswahl in NRW mindestens zehn Prozent aus. Vielleicht sogar 14. Dann wären alle 40 Kandidaten auf der Landesliste auch im Parlament in Düsseldorf. So auch Christoph Kukulies aus Elten, der bekanntlich von der FDP zur AfD gewechselt ist. Er ist auf Listenplatz 24.

Unabhängig davon, dass der Landeswahlleiter derzeit Ungereimtheiten aufklären muss, die bei der Aufstellung der Liste vorkamen, wird Kukulies vermutlich keine Freude daran haben, sollte er durch Hetze ins Parlament kommen. In Emmerich hilft er bei der Betreuung von zwei Männern, die aus dem Irak geflüchtet sind.

(RP)
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