Rees Proll-Poet testet Gags im Bürgerhaus

Rees · Atze Schröder war einer der Ersten, den das Kulturbüro vor Jahren nach Rees holte - jetzt war er wieder da. Und alle bekamen ihr Fett weg: Veganer, Frutarier, Bocholter, dicke Frauen, behaarte Männer, Bischof Tebarts-van Elst und die Problemfamilien in Duisburg-Marxloh.

 Pressefotos durften im Reeser Bürgerhaus nur in den ersten zehn Minuten gemacht werden. Atze Schröders Agentur hatte strenge Auflagen für die Berichterstattung erlassen, zudem reisten im Tross des Komikers reisten wuchtige Sicherheitsleute mit.

Pressefotos durften im Reeser Bürgerhaus nur in den ersten zehn Minuten gemacht werden. Atze Schröders Agentur hatte strenge Auflagen für die Berichterstattung erlassen, zudem reisten im Tross des Komikers reisten wuchtige Sicherheitsleute mit.

Foto: van Offern

Die Rheinstadt, "in der selbst Ziegen ein Denkmal bekommen", nannte Atze Schröder seine "mentale, moralische und sexuelle Heimat". Hier habe er schon in den Anfangsjahren seiner Karriere gespielt, mit der Hälfte der Reeser habe er Jägermeister gesoffen, mit der anderen Hälfte geschlafen: "Es waren tolle Frauen dabei, aber die Männer ... geht so."

Bruno Schmitz vom Kulturbüro Niederrhein blickte zufrieden auf die vollen Ränge im ausverkauften Bürgerhaus: "Wir holen seit 20 Jahren Kabarettisten und Comedians nach Rees. Atze Schröder war einer der Ersten, und ich finde toll, dass er uns die Treue hält."

Schröders Tournee mit dem neuen Programm "Turbo" startet offiziell erst am 12. Oktober und konzentriert sich dann auf große bis riesige Veranstaltungssäle. Doch um zu testen, wie einzelne Gags und Themen beim Endverbraucher ankommen, gibt er derzeit Vorpremieren an 27 Orten. Rees war die 16. Station, die Viller Mühle in Goch folgte einen Abend später.

"Bin da. Kann losgehen", stand auf Atze Schröders körperbetonendem T-Shirt. In der Tat fackelte er nicht lang und feuerte Phrasen und Witze ab, die überwiegend ihr Ziel trafen. Für politische Korrektheit blieb da kein Platz, und das gefiel Künstler und Publikum. Frauenfeindlich? "So war es auch gemeint!" Unter der Gürtellinie? Dafür sind Urologen-Witze halt erfunden worden. Und wenn in Limburg das Kinderlied "Fuchs, Du hast die Gans gestohlen" aus dem Repertoire eines Glockenspiels gestrichen wird, weil eine Veganerin sich beim Bürgermeister beschwert, dann bricht Schröders Weltbild vollends zusammen: "Der Reeser Bürgermeister hätte der Frau geraten, die Kurzen wegzulassen. Ohnehin würde in Rees, diesem Zentrum der geistigen Freiheit, in dem die Kiffer-Wolken aus Holland rüberwehen, nicht ,Fuchs, Du hast die Gans gestohlen' laufen, sondern ,Zehn nackte Friseusen'."

Zu Höchstform lief Schröder auf, wenn er die Ergebnisse der Primatenforschung aus seinem Ruhrgebietsrevier vortrug. Über Klischeefamilien, deren Kinder "mit der Geburt ihre Zukunft schon hinter sich haben" und die ihre Töchter beim RTL-"Bachelor" anmelden. Über Öko-Muttis, die ihrem Tristan Reiswaffeln geben. Oder über Weihnachtsfeiern der Sparkasse Essen, bei denen es reifere Damen mit der Treue nicht so ernst nehmen: "Bist Du verheiratet?" - "Ja, aber der Vertrag läuft bald aus."

Statt eines roten Fadens bietet die Preview-Tournee von "TURBO" ein buntes Allerlei. So sprang Schröder von der syrischen Nachbarsfamilie, der er als Verlegenheitsgeschenk eine Ziege aus dem Essener Streichelzoo mitbrachte, zur elitären Welt der vermeintlichen Weinkenner ("Tut mir leid, ich trinke keinen Industriewein. Der frisst Dich von innen auf") und zum vielleicht wichtigsten Thema: Fußball. "Jogi Löw hat den Sex in den Fußball gebracht.

Früher gab es Horst Hrubesch und Paul Breitner, heute haben die epilierten Spieler weniger Haare am Körper als Flipper", meinte Schröder und betonte in aller Deutlichkeit: "Wir sind noch immer amtierender Fußball-Weltmeister! Gut, mit der Europameisterschaft im letzten Jahr hat's nicht geklappt, aber wenn man schon Abitur hat, will man doch auch nicht den Realschulabschluss nachholen."

(RP)
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