Selbsthilfegruppe feiert Einjähriges Mitten im Leben trotz Parkinson

Haldern · Sich mit 50 oder 60 Jahren dem fortschreitenden Verlust der Nervenzellen beugen? Die Gruppe der Jungen Parkinson-Erkankten ist höchst aktiv. Jetzt feierte sie einjähriges Bestehen.

 Andrea Köster (vorne rechts) feierte in der Halderner Kreativwerkstatt das einjährige Bestehen der von ihr gegründeten Jupa-Gruppe.

Andrea Köster (vorne rechts) feierte in der Halderner Kreativwerkstatt das einjährige Bestehen der von ihr gegründeten Jupa-Gruppe.

Foto: Michael Scholten

Vor vier Jahren erhielt Andrea Köster die Diagnose, dass sie an Parkinson erkrankt ist. Da war die Haldernerin 47 Jahre alt und konnte kaum glauben, diese vermeintliche „Alterskrankheit“ zu haben. Allerdings können auch junge Menschen vom fortschreitenden Verlust der Nervenzellen betroffen sein. Sie nennen sich Jupa (Junge Parkinson-Erkrankte) und treffen sich in ganz Deutschland zum Austausch über Therapien, Medikamente und den Umgang mit der Krankheit im täglichen Familienleben.

Im Januar 2018 rief Köster auch in Haldern eine Jupa-Gruppe ins Leben. Die Resonanz gab ihr Recht, dass solch ein Angebot bislang fehlte. Mittlerweile treffen sich regelmäßig 15 Betroffene und ihre Partner an wechselnden Orten. Das Durchschnittsalter liegt bei Mitte 50, die Teilnehmer kommen aus den Kreisen Kleve, Wesel und Borken. „Im Grunde sind wir ein Stammtisch“, sagt Köster. Mal trifft sich die Gruppe in der Kreativwerkstatt in Haldern, mal in Cafés, in Museen oder zum Grillen im privaten Garten. „Wenn wir schon so eine dämliche Krankheit haben und viel darüber reden, dann wollen wir das in angenehmer Umgebung tun und etwas Schönes mit nach Hause nehmen“, sagt Köster.

Künftig möchte die Gruppe Heilpraktiker und Ärzte als Referenten einladen, im April steht ein Besuch im Augusta-Hospital, das auf neurologische Erkrankungen spezialisiert ist, auf dem Programm. Die Kosten tragen die Teilnehmer selbst.

Köster legt großen Wert darauf, nicht in Konkurrenz zu etablierten Parkinson-Selbsthilfegruppen treten zu wollen, „aber es ist halt ein Unterschied, ob ich mich mit 50- bis 60-Jährigen austausche oder mit Betroffenen, die unsere Eltern sein können.“ Das Alterslimit für die Jupa-Gruppe ist trotzdem nicht in Stein gemeißelt: „Mein Grundsatz lautet: Die Leute müssen noch mitten im Leben stehen. Viele von uns haben schulpflichtige Kinder, wir gehen gern Feiern oder auf Konzerte. Da möchte ich von Gleichaltrigen wissen: Wie haltet Ihr so einen Abend durch? Wie meistert Ihr Euer Familienleben?“

Rein äußerlich vermutet niemand, dass Köster an Parkinson erkrankt ist: „Ich zittere nicht, sondern habe die andere Form der Krankheit: Ich werde steif.“ Medikamente und Sport helfen ihr, den Alltag mit Mann und drei Kindern zu meistern. Doch im Laufe des Tages verhärten sich die Muskeln. Sprechen und Gehen fallen ihr zunehmend schwer. Köster weiß, dass die Medizin derzeit ihre Krankheit nicht heilen kann. Deshalb hofft sie, dass zumindest die übrig gebliebenen Nervenzellen erhalten bleiben. „Mal geht es mir richtig gut, aber es kann sein, dass ich innerhalb von zehn Minuten total abfalle. Dann muss ich mich hinlegen oder eine halbe Stunde im Auto auf dem Parkplatz verharren“, erzählt Köster.

Diese Erfahrungen kennt auch Andreas Derksen aus Kranenburg. Er war 46 Jahre alt, als er die Diagnose Parkinson erhielt. Das ist sieben Jahre her. Zunächst besuchte er eine Selbsthilfegruppe in Düsseldorf, doch: „Die lange Anreise wurde immer mühsamer, zumal ich oft meine Frau oder einen Freund bitten musste, mich zu fahren.“ Aus der Rheinischen Post erfuhr er von Andrea Kösters Plan, eine Gruppe im Kreis Kleve zu gründen, und meldete sich zum ersten Treffen an. Seine Frau Ulrike ist immer dabei und schätzt den Austausch: „Das ist ein nettes Zusammensein, bei dem wir auf den neuesten Stand gebracht werden: Welche Medizin nehmen die anderen? Welchen Arzt empfehlen sie?“

Auch Karin und Manfred Breuer aus Dingden gehören seit dem ersten Treffen zur Gruppe. Karin Breuer erfuhr vor zehn Jahren, im Alter von 50, dass sie Parkinson hat. „Anfangs fiel es mir schwer, darüber zu reden, weil ich dachte, ich bin in meiner Altersgruppe die Einzige mit dieser Krankheit.“ Die Jupa-Gruppe hat sie vom Gegenteil überzeugt.

Christoph Telaar aus Suderwick kam vor fünf Monaten dazu. 2016, im Alter von 59 Jahren, wurde bei ihm Parkinson diagnostiziert, doch „mit dem heutigen Wissen vermute ich, dass ich schon zwei Jahre vorher betroffen war.“ Er hörte während einer Physiotherapie im Anholter Krankenhaus von der Jupa-Gruppe. „Der größte Vorteil ist, dass das Durchschnittsalter dieser Gruppe wesentlich niedriger ist als in allen Gruppen, die ich vorher kennengelernt habe“, sagt er. Auch seine Frau kommt zu allen Treffen mit.

Für die Partner plant Köster künftig eigene Programme: „Ich kann mir gut vorstellen, dass mein Mann mit den anderen loswandert, während sich die Betroffenen zusammensetzen, bevor wir uns später alle zum gemütlichen Teil wiedersehen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort