Tradition Kuriositäten vom Krammarkt

Rees · Gewohnt wortreich priesen die fliegenden Händler ihre Waren bei der Traditionsveranstaltung an. An rund 130 Ständen konnten Reeser und Besucher stöbern, kaufen und ein Pläuschchen halten.

 Viele der Händler waren alte Bekannte beim Krammarkt.

Viele der Händler waren alte Bekannte beim Krammarkt.

Foto: scholten

Schon das älteste Dokument, das im Reeser Stadtarchiv liegt, handelt vom Markttreiben in der Innenstadt: Die Urkunde aus dem Jahr 1142 gewährte den Reeser Kaufleuten das Recht, frei und ohne Marktzoll zu Handelsfahrten nach Wesel, Xanten, Emmerich, Elten, Doetinchem und Schmitthausen aufzubrechen. Dieses Privileg, erlassen vom Kölner Erzbischof Arnold von Wied, beweist, dass in Rees schon vor gut 900 Jahren Waren auf einem Handelsplatz am Rhein angeboten wurden.

Der Krammarkt, der traditionell auf die Reeser Kirmes folgte, erinnerte auf angenehme Weise an den Freiluft-Handel früherer Jahrhunderte. Mehr als 130 Stände reihten sich aneinander. Im Angebot hatten sie Nützliches, Praktisches, Leckeres, Dekoratives und manchmal auch Wundersames. Neben selbsterklärenden Kuschelsocken, Miederwaren, Messersets und Kräuterbonbons gab es allerlei Haushaltshilfen, die mit vielen Superlativen angepriesen wurden. Glaubte man den Verkäufern und Werbeprofis, ist ein Leben ohne den „Nofleck“-Spezialreiniger, den „Gigant Multi-Schäler“ oder die formschöne „Fussel-Bürste“ kaum möglich. Wortreich wurde die Effektivität der neuesten Wischmops und Gemüsehobel demonstriert. „Für Linkshänder, für Rechtshänder, für Holländer“, hieß es an dem einen Stand, „Nicht aus China, nicht aus Hongkong, sondern aus Hamminkeln“ an dem anderen Stand. Während der eine Händler auf seinen Ruf als „ehrlicher Verkäufer“ pochte, überzeugte ein Kollege durch dezente Demut: „Kaufen Sie diesen Wischer nur, wenn Sie ihn unbedingt haben wollen. Sonst lieber Kuchen essen! Kuchen ist immer gut.“ Viele Händler waren alte Bekannte. Sie kommen jedes Jahr nach Rees und freuen sich über das Wiedersehen mit ihren Stammkunden. Auch die Reeser selbst nutzen den Krammarkt gern zum Plausch mit alten Bekannten. Ab dem frühen Vormittag lockte auch wieder die besondere Krammarkt-Spezialität: der grüne Hering. Das Team um Bettina Hebben aus Kleve hatte schon über die Kirmestage viele Vorbestellungen bekommen und versenkte einen ganzen Fischschwarm in der Fritteuse. Die Scherzfrage „Warum ist der grüne Hering denn nicht grün?“ stellten die Reeser schon vor mehr als 50 Jahren, als Bettina Hebbens Mutter Annette diese Fischspezialität in Rees verkaufte. „Grün bezieht sich nicht auf die Farbe, sondern auf die Frische des Fisches“, erklärte die reisende Gastronomin. „Damit wurde der Unterschied zum früher stark verbreiteten, konservierten Salzhering hervorgehoben.“

 Der Winter naht – beim Krammarkt gab’s die passenden Accessoires.

Der Winter naht – beim Krammarkt gab’s die passenden Accessoires.

Foto: scholten

Auch wer keinen Fisch mag, musste den Krammarkt nicht mit leerem Magen verlassen: Es gab Reibekuchen und Bratwurst, ganze Käseräder der Marke „Holland Glorie“, hausgemachte Marmeladen und Konfitüren aus der Region sowie Gewürze und Kräuter aus aller Welt. Vom Marrakesch-Pfeffer bis zum Ceylon-Zimt war alles zu haben. „Ich hab’ die ganze Zeit den leckeren Geruch in der Nase, ich werde wahnsinnig“, lachte eine Händlerin, die von Speiseständen umzingelt war.

 Foto: Michael Scholten

Foto: Michael Scholten

Foto: scholten

Die katholische Frauengemeinschaft (kfd) war mit einem Stand im Schatten der Pfarrkirche vertreten und sammelte Unterschriften für die Aktion „Frauen, worauf wartet Ihr?“ Gefordert werden Positionen für Frauen in allen Weiheämtern und eine gleichberechtigte Beteiligung an allen Entscheidungen der katholischen Kirche.

 Foto: Michael Scholten

Foto: Michael Scholten

Foto: scholten

Viele Reeser gönnten sich auch ein Frühschoppen-Bier, zum Beispiel am Bierstand des Männerchors Harmonie, und philosophierten über die vergangene Kirmes und die künftigen Problemchen in Rees und Umgebung. Dazu passte auch das Lebensmotto auf einem Emaille-Schild, das ein Händler gleich neben dem Bierstand anbot: „Alkohol tötet langsam. Aber wir haben Zeit!“

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