Haldern-Countdown Kraftmeier und Leisetreter

Emmerich · Am 11. August beginnt das Haldern-Pop-Festival. RP-Redakteur Sebastian Peters hat sich die aktuellen Alben der Bands bereits angehört. Hier sein Urteil:

 Damien Rice wird bereits am Festival-Donnerstag zu hören sein. Auf den Auftritt des Iren sind viele gespannt.

Damien Rice wird bereits am Festival-Donnerstag zu hören sein. Auf den Auftritt des Iren sind viele gespannt.

Foto: veranstater

Damien Rice - My Favourite Faded Fantasy Acht Jahre hat sich der irische Songwriter Damien Rice für "My Favourite Faded Fantasy" Zeit gelassen. Mit seinem Debüt "O" war er zum Role Model der Songwriterbewegung geworden, das nachfolgende Album "9" schlug in die gleiche Kerbe. Mit seinem dritten Album, Ende 2014 erschienen, macht der nunmehr 40-jährige Rice nun ebenda weiter. Stimmlich erinnert der Falsettgesang nicht selten an einen besänftigten Jeff Buckley, musikalisch sind die Songs dafür diesmal weniger geschliffen, erlauben sich Stimmungswechsel, neue Tempi, Interruption. Es gibt Songs auf diesem Album, deren einzige Konstante ist die Inkonstanz, wenn Rice etwa in "It Takes A Lot To Know" ab Minute vier für fünfeinhalb Minuten nur noch das Orchester spielen lässt. Ein Album als Trip - nehmen Sie sich diese Zeit.

Klingt nach Jeff Buckley, Jose Gonzales, Glen Hansard, Nick Drake (Punkte: 4/5).

Gewalt (ohne Album) Den Musiker Patrick Wagner, geboren in Österreich, aufgewachsen in Rheinland-Pfalz, kannte man als Frontmann der 2000er-Jahre-Noiserockband Surrogat. Für einen Sommer galten die Typen als wichtig und Wagner als das Großmaul der Rockmusik hierzulande. Danach machte der Mann zwölf Jahre keine öffentliche Musik mehr, gründete stattdessen ein eigenes Label, arbeitete beim Musikmulti Universal. Sein Comeback gibt Wagner mit zwei Mitmusikern unter dem nicht eben quotenträchtigen Namen "Gewalt" - aufgenommen mit Kassettenrekorder, brachialer Gitarre, Rückkopplungen, dazu ein schonungslos die eigenen Stimmbänder strapazierender Gesang. Hier bahnt sich Gewalt musikalisch ihren Weg. Besser so als anders.

Klingt nach: Fucked Up, Surrogat (ohne Wertung).

The Graveltones - Love Lies Dying Der Bluesrock ist zurück - seit längerem schon ist eine Rückbesinnung vieler Rockbands auf die Wurzeln im Blues erkennbar. Die Londoner Band The Graveltones geht den Weg weiter, den Bands wie The Black Keys schon vor ihr gegangen sind. Ihr Zweitwerk "Love Lies Dying" präsentiert eine knochentrockene Spielart des Bluesrock - nur dass Gerippe aus Gitarrenriffs, Bass und Schlagzeug wird vor dem Hörer ausgebreitet. Sänger Jimmy O, wie sein Bandkumpel Mikey Sorbello gebürtig aus Australien, zetert und schimpft dazu. Wohlwollend kann man ihm das als Gesang auslegen, nicht selten klingen die Worte auch wie ausgespuckt. Für diese Rockmusik sei hiermit das Adjektiv "kraftmeierisch" in den Duden aufgenommen.

Klingt nach: White Stripes, The Black Keys (Punkte: 4/5)

Glen Hansard - Didn't he ramble Der Zeitpunkt, als der Ire Glen Hansard auf der Bühne des Haldern-Pop-Festivals steht, eine junge Frau aus dem Publikum nach oben bittet und mit ihr gemeinsam spontan ein herzergreifendes Duett anstimmt - es wird wohl auf ewig einer der besten Festivalmomente der Haldern-Pop-Geschichte sein. Haldern hat Hansard seitdem in sein Herz geschlossen. Diese Vorschusslorbeeren weiß das aktuelle Album "Didn't he ramble" voll zu erfüllen. War der Vorgänger "Rythm and Response" von 2012 noch das filigrane Werk eines ehemaligen Straßenmusikers, so ist "Didn't he ramble" Ausdruck des musikalischen Mutes und vollendeter Reife. Hansard greift öfter zur E-Gitarre, lässt sich von Bläsern begleiten, reduziert seinen Sound nicht auf Britfolk, sondern packt Soul und Country rein. Erhabene Songs sind das, denen das tonnenschwere Pathos niemals die Leichtigkeit nimmt.

Klingt nach: The Swell Season, The Frames, Damien Rice, Tom McRae (Punkte: 5/5).

(RP)
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