Krankenhausserie in Emmerich Leben ist Bewegung

Serie | Emmerich · Im St.-Willibrord-Spital werden seit fast 50 Jahren erfolgreich künstliche Hüft- und Kniegelenke implantiert. Bestand früher der Hauptanspruch an eine Endoprothese darin, ein Leben ohne Schmerzen zu führen, so rückt heute das Bedürfnis nach mehr Beweglichkeit immer mehr in den Vordergrund.

 Roland Hilgenpahl ist der Chefarzt der Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie im Emmericher Willibrord-Spital.    RP-Foto: Marku  s    van Offern

Roland Hilgenpahl ist der Chefarzt der Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie im Emmericher Willibrord-Spital.  RP-Foto: Marku s van Offern

Foto: Markus van Offern (mvo)

Die durchschnittliche Lebenserwartung der Bevölkerung in Deutschland beträgt inzwischen etwa 79 Jahre. Dieser zunehmende Altersdurchschnitt bedingt ein vermehrtes Auftreten von degenerativen Gelenkerkrankungen, den sogenannten Arthrosen, bei denen die Gelenke zunehmend zerstört werden. Die Folge der „Arthrosekrankheit“ sind Beschwerden mit mehr oder minder ausgeprägten Funktionseinschränkungen, die bei älteren Menschen die Belastungsfähigkeit bei den alltäglichen Verrichtungen und bei jüngeren Menschen den Verlust der Sport- oder Berufsfähigkeit bedeuten können. Die Lebensqualität geht zunehmend verloren.

„Wenn die gelenkerhaltenden Behandlungsverfahren, zu denen Physiotherapie, Medikamenteneinnahme und Injektionsbehandlungen, Umstellungs- und arthroskopische Operationen gehören, allerdings nicht mehr zu der erhofften Verbesserung der Beschwerden führen, bleibt häufig nur die Implantation eines Kunstgelenks“, erklärt Roland Hilgenpahl, Chefarzt der Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie. Die Entwicklung des künstlichen Gelenkersatzes im Verlauf der vergangenen 60 Jahre hat für die betroffenen Patienten ein großes Maß an Nutzen erbracht.

Heute werden in Deutschland jährlich etwa 400.000 Hüft- und Knieendoprothesen implantiert, was im internationalen Vergleich eine Spitzenposition darstellt.

„Im EndoProthetikZentrum am St.-Willibrord-Spital werden jährlich etwa 500 künstliche Gelenke implantiert“, berichtet Roland Hilgenpahl, der das Zentrum leitet. Er kann auf über 35 Jahre Tätigkeit in dieser Abteilung und damit auch auf eine entsprechende Erfahrung beim künstlichen Gelenkersatz zurückblicken.

Im Emmericher Krankenhaus gehört der künstliche Gelenkersatz an Hüft- und Kniegelenken seit 48 Jahren zum Behandlungsspektrum.

Beim Hüftgelenkersatz werden in Emmerich zementfreie, zementierte und kombinierte Prothesentypen mit wahlweise kurzen oder längeren Prothesenstielen und verschieden zu verankernde Hüftpfannen-Systeme angewendet. In manchen Fällen von Austauschoperationen kommen auch im Baukastensystem aufgebaute Spezialprothesen zur Anwendung. Minimalinvasive Implantationstechniken werden in geeigneten Fällen routinemäßig angewendet.

Der Schweregrad der Erkrankung entscheidet über die Auswahl der Implantat-Materialien. Es werden Teilprothesen, Oberflächenprothesen, achsgeführte und modulare Spezialprothesen angewendet.

Auch beim Kniegelenkersatz werden zementierte, zementfreie oder hybrid zu verankernde Prothesentypen verwendet. „Wir haben keine Vorgaben für bestimmte Systeme, sondern entscheiden unter Berücksichtigung der individuellen Erfordernisse der Patienten“, sagt Hilgenpahl. So kann bei der Versorgung von Allergikern gegen Metalle die einzige weltweit zugelassene vollkeramische Kniegelenkendoprothese der Firma Brehm verwendet werden.

Der Anspruch an eine Gelenkprothese hat sich geändert: Bestand früher bei den Über-65-Jährigen der Hauptanspruch an eine Endoprothese darin, ein Leben ohne Schmerzen zu führen, so rückt heute das Bedürfnis nach mehr Beweglichkeit immer mehr in den Vordergrund.

Der „Silver Ager“ entfaltet heute sportliche und andere Aktivitäten, die man früher eher in einer 30 Jahre jüngeren Altersgruppe erwartet hätte.

Die Angst vor der Implantat-Lockerung ist etwas in den Hintergrund getreten. „Eine wesentliche Grundlage für diesen Perspektivenwandel war die technische Entwicklung in der Endoprothetik. Verlässliche Verankerungsformen im Knochen und abriebarme Gleitpaarungen haben die Voraussetzungen für deutlich verbesserte Langzeitergebnisse geschaffen“, erklärt Hilgenpahl.

Um dem Patienten eine optimale Versorgung bei gleichzeitig kurzem stationärem Aufenthalt bieten zu können - zurzeit etwa fünf bis acht Tage - ist Teamleistung in Emmerich selbstverständlich.

Von den Sekretärinnen und Arzthelferinnen in der Ambulanz angefangen, über die Krankenschwestern und -pfleger auf den Stationen, dem OP-Team und den Physiotherapeuten, der Orthopädischen Werkstatt, dem Sozialdienst, der sich unter anderem um die Organisation der Rehabilitationsmöglichkeiten kümmert, dem Schreib- und Reinigungsdienst bis zu den Mitarbeitern in der Küche – alle kümmern sich mit Engagement um das Wohl der Patienten.

Die Kombination aus einem motivierten Team, modernen Operationsmethoden mit bewährten Implantat-Systemen und eine ständige Weiterentwicklung nach aktuellen wissenschaftlichen Standards machen den Erfolg des EndoProthetikZentrums Emmerich aus.

Um die Qualität in der endoprothetischen Versorgung zu erhalten und zu verbessern, ist ein hohes Maß an Spezialisierung, Kompetenz und Erfahrung erforderlich. Deshalb wurde seit Oktober 2012 ein Zertifizierungsverfahren auf Initiative der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), der Arbeitsgemeinschaft Endoprothetik (AE) und dem Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) bundesweit freigegeben.

Die Einhaltung höchster Qualitätsstandards und die Erfüllung der Anforderungen muss in jährlich stattfindenden Überprüfungen, sogenannten „Audits“, durch die operierende Klinik nachgewiesen werden.

Von Anfang an wurden diese Überprüfungen vom St.-Willibrord-Spital problemlos gemeistert. Dabei werden die Prozessabläufe und Standards jährlich angepasst.

Immer wieder erscheinen neue Prothesenmodelle auf dem „Endoprothesen-Markt“. Oft ist die wissenschaftliche Datenlage noch lückenhaft und Bewertungen sind noch nicht abgeschlossen. Langzeitergebnisse stehen meist noch aus.

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Foto: willibrord-spital

„Hier mit Ruhe und Bedacht sich für ein geeignetes Prothesenmodell für den jeweiligen Patienten zu entscheiden, auf Bewährtes zurückzugreifen und sich gleichzeitig aussichtsreichen Entwicklungen nicht zu verschließen, zeichnet den verantwortungsbewussten Operateur von heute aus, stellt für ihn aber auch eine Herausforderung dar“, so Hilgenpahl.

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