Emmerich In Farbe stürzende Helden

Emmerich · Am Sonntag wird die Malerin Pia Fries mit dem mit 50.000 Euro dotierten Gerhard-Altenbourg-Preis ausgezeichnet. Am Donnerstag, 23. November, ist die Künstlerin, die als erste Frau den Preis verliehen bekommt, in Kleve.

 Die Himmelsstürmer des Barockkünstlers Hendrick Goltzius kreiseln durch Pia Fries Farbe (links). In Haarlem begutachtete die Schweizerin die Arbeiten des vor 400 Jahren gestorbenen Niederländers, mit dem sie sich seit Jahren befasst, auch im Original.

Die Himmelsstürmer des Barockkünstlers Hendrick Goltzius kreiseln durch Pia Fries Farbe (links). In Haarlem begutachtete die Schweizerin die Arbeiten des vor 400 Jahren gestorbenen Niederländers, mit dem sie sich seit Jahren befasst, auch im Original.

Foto: mgr

Der Gerhard-Altenbourg-Preis, der seit 1998 vergeben wird, gehört zu den renommierten Kunstpreisen in Deutschland. Die erste Frau, die diesen Preis für ihre "reinste Malerei" (so die Jury) bekommt, ist die in Düsseldorf lebende Schweizerin Pia Fries. Namhafte Museen in Bonn, in Essen und Leverkusen, Detroit, San Diego oder Los Angeles bewahren ihre Werke. Außerdem lehrte Pia Fries seit Jahren an diversen Kunsthochschulen. Seit vier Jahren unterrichtet sie an der Akademie der bildenden Künste München. Fries war die erste Künstlerin, die im Klever Museum 1997 eine Einzelausstellung hatte. Derzeit sind ihre Bilder in der laufenden Ausstellung "Hendrick Goltzius und Pia Fries: Proteus und Polymorphia" zu sehen und verdeutlichen, wie Fries' Verständnis von "reinster Malerei" aussieht und warum sie diesen Preis bekommt.

Emmerich: In Farbe stürzende Helden
Foto: Matthias Grass

Seit Jahren lässt sich die Künstlerin, die stets auf der Suche nach neuen Ideen, neuen Anregungen für Malerei an sich ist, von Arbeiten Goyas, von Sybille Merian und nicht zuletzt von Hendrick Goltzius anregen, den das Museum Kurhaus Kleve derzeit in einer großen Ausstellung würdigt. Im Kern dieser Ausstellung steht die überraschende Farbmalerei Fries'. Die Bilder sind so faszinierend, dass dieser Kern der eigentliche Mittelpunkt der Ausstellung ist, der der Reihung barocker Lebenslust die Farbästhetik der Moderne gegenüberstellt. "Sie sieht den kunsthistorischen Stoff mit gegenwärtigen Augen", sagt Kleves Museumsdirektor Prof. Harald Kunde. Sie greife den alten Stoff auf, lasse sich von der genialen Kunst des Kupferstechers Goltzius' animieren, neue Farbinterpretionen über dessen Figuren zu finden, sagt Kunde.

Und so neue Kunst zu schaffen, in der die Figuren Goltzius als Fragmente eingehen. Wie beispielsweise in den Himmelstürmern, aus denen die stürzenden Helden hier und da als Druck auf und unter der geschichteten Farbe erkennbar sind. Oder sie greift die kreisenden Bewegungen der Figuren auf manchen Blättern Goltzius' auf. Sie schafft neue Kunst wie die Farbmalerei, die die Schwünge und das Flattern der Fahne in Farbe umsetzt und den Mann, der die Fahne hält, weglässt. Weil sich Fries auf die Bewegung der Fahne konzentriert.

"Ich muss ja eine andere Aussage finden: Die Körperlichkeit, die Bewegung in Goltzius Bildern war das Ausschlaggebende, war der Impetus, der mich als Malerin interessiert", sagt Pia Fries. "Es geht um den Körper und dessen Haptik", fügt sie an. Etwas, das ihre Malerei im Grunde ausmacht, ihre Malerei, in der Farbe nicht allein Fläche ist, sondern in den Raum greift, in mächtigen Bergen auf der Leinwand steht und in ihren spontanen Schwüngen alles andere als statisch erscheint.

Fries' Bilder sind keineswegs die Übersetzung des barocken, meist auf antiken Sagen beruhenden Stoffes Goltzius' in die Moderne. Ihre Malerei und ihre Bilder zu Goltzius gehen viel weiter: Es entstehen neue Bilder, neue Wirklichkeiten, die die barocke Vorlage vergessen lassen, wie Kunde so treffend anmerkt. Sie zeigen in genialen Farbstrudeln den Fall, den Tanz, den Sturz ins Bodenlose - und das müssen nicht zwingend die Himmelsstürmer sein, die nur noch als Fragment erahnbar sind.

Es entsteht eine neue Realität, sagt Kunde. Es gehe um Rhythmus und Stofflichkeit: der Rhythmus der Schwünge auf dem Blatt, der den dicken Farbwulsten die Schwere nimmt und ihr die Körperlichkeit lässt. "Meine Malerei handelt direkt von den Kräften des Farbmaterials, das sich selbstredend formt, um sich wieder von neuem zu verwandeln", sagte Fries 2007. Das trifft auch hier zu.

Nach der Preisverleihung am morgigen Sonntag um 11 Uhr in Altenburg im Lindenau-Museum kommt die Schweizerin am Donnerstag, 23. November, 19.30 Uhr, nach Kleve in den "Resonanzraum Kunst". Zusammen mit dem Berliner Kurator Ory Dessau diskutiert sie mit Valentina Vlasic über die Ausstellung im Klever Museum.

(mgr)
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