Haldern Countdown Grandiose Songs und Geknüppel

Emmerich · Am 10. August beginnt das Haldern-Pop-Festival. RP-Redaktionsleiter Sebastian Peters hat sich die aktuellen Alben der Bands bereits angehört. Hier sein Urteil:

 Genial eingängig: "Annenmaykantereit" beim Auftritt in Haldern vor zwei Jahren.

Genial eingängig: "Annenmaykantereit" beim Auftritt in Haldern vor zwei Jahren.

Foto: Sebastian Latzel

Annenmaykantereit - Alles nix Konkretes So groß war der Hype um das Kölner Trio Annenmaykantereit, dass bei der Veröffentlichung des Albums "Alles nix Konkretes" im Juni 2016 plötzlich die Euphorie gedämpft wurde. Da arbeiteten sich viele Kritiker plötzlich an den Leerstellen des Werks ab, anstatt auf die teils grandiosen Popsongs zu schauen, die sie bis dahin etliche Male gehört hatten. Diese kleine Medienschau sagt etwas über die Schnelllebigkeit des Popgeschäfts, aber auch etwas über die Songs von Annenmaykantereit, die so genial eingängig sein können, die so logisch auf den großen Refrain zulaufen, die am Ende geprägt sind durch dieses unglaubliche Reibeisen-Organ von Sänger Henning May, dass man natürlich genervt sein kann. Es geht aber auch anders: Man kann mit der Distanz eines Jahres nochmal diesen Downer "Barfuß am Klavier" hören, das rumpelnde "Oft gefragt" oder "Pocahontas" mit dem feinen Bläserpart. Und am Ende kommt man doch zum Ergebnis: War schon verdient, der Hype.

Klingt nach: Gisbert zu Knyphausen, Wanda, Tomte (Punkte: 5/5).

Idles - Brutalism Der Name ist Programm: Idles sind eine Hardcore-Punkband aus Bristol. Wenn man sich einen Album-Titel hätte erfinden müssen, wäre man - bei zehn Versuchen - wahrscheinlich auf "Brutalism" gekommen. Ein brutales Geknüppel ist das hier mitunter: Der Bass und das Schlagzeug funktionieren wie Peitschen, die die Gitarre zum Refrain treiben. Leadsänger Joe Talbot schafft es aber immer wieder, so etwas wie Struktur und Melodie in die auf extreme Weise berührende Musik zu legen. Idles sind keine klassische Punkband, weil sie ihren Songs durchaus Zeit geben, zu reifen. Die Lieder werden zwar hingerotzt wie im Punk, aber doch mit viel Liebe für das Detail.

Klingt nach: Black Flag/Dead Kennedys (Punkte: 4,5/5).

Martin Kohlstedt - Nacht Martin Kohlstedt macht am Piano Musik auf der Grenze von Klassik zu Neuer Musik und Electro. Die Songs seines aktuellen Albums "Nacht" muss man als Komplementärwerk zum davor erschienenen Album "Tag" verstehen. Die Musik ist reduziert auf Klaviertöne und man spürt, dass Kohlstedt auch Filmsounds macht. Am besten funktioniert dieses Album, wenn man sich zu den Liedern die verschiedenen Stimmungen von Nacht hinzudenkt. Mal erklingt eine freudige Nacht, dann wieder eine tiefdunkle traurige - Kohlstedt weiß mit der Kraft der zehn Finger den Aufbruch ebenso zu vertonen wie den Niederschlag. Gute Nacht!

Klingt wie: Ólafur Arnalds, Yann Tiersen (Punkte: 3,5/5).

(RP)
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