Haldern Countdown Größenwahnsinn aus Österreich

Emmerich · Heute beginnt das Haldern-Pop-Festival. RP-Redakteur Sebastian Peters hat sich die aktuellen Alben der Bands bereits angehört. Hier sein Urteil:

 Voodoo Jürgens - Antifolk aus Austria.

Voodoo Jürgens - Antifolk aus Austria.

Foto: Plattenlabel

Charlie Cunningham - Lines Ein Mann, seine Gitarre und nur ganz wenig Beiwerk: Der britische Songwriter Charlie Cunningham ist ein König der Reduktion. Wer die Songs seines Debüts "Lines" hört, der weiß, dass es bei dieser Stimme nicht viel mehr braucht. Für solche Kunst wurde das Modewort Entschleunigung erfunden. Cunninghams Gitarrenspiel klingt nach Sonne, nach Süden, nach Flamenco, was daran liegen mag, dass der Brite eine zeitlang in Sevilla gelebt und musiziert hat. Und wer hier an den Skandinavier José González denkt, liegt nicht falsch: Auf dessen Label erscheint "Lines". Mitunter fehlt hier ein wenig der Spannungsbogen. Aber diese Lieder sind alle Hits. Wozu also ein Bogen?

Klingt nach: Jose Gonzales, Nick Drake (Punkte: 5/5)

Voodoo Jürgens - Ansa Woar Weltgewandt oder provinziell, bescheiden oder arrogant? Über die Wirkung des österreichischen Dialektes auf den Hörer darf man trefflich streiten. Im Falle von Voodoo Jürgens, bürgerlich David Öllerer, kommt wahrscheinlich alles zusammen. Der in Tulln an der Donau aufgewachsene Songwriter hält seine Herkunft sprachlich so wenig hinter dem Berg, singt zu Gitarre derart breit im Dialekt, dass er stets ebenso mutig wie größenwahnsinnig klingt. Austropop ist spätestens seit dem Erfolg der Band Wanda ("Bologna") in aller Munde. Voodoo Jürgens, dessen Künstlername natürlich eine Verballhornung des österreichischen Schlagerkönigs Udo Jürgens ist, fügt dem Genre eine neue Note zu. Seine Musik ist Antifolk in dem Sinne, dass er Volksmusik imitiert, sie mit bitterbösen Texten versieht. Das ist Musik für fünf Uhr morgens, wenn fast alle Tische schon auf den Stühlen stehen, die Kellnerin schon durchfegt und ein paar Unentwegte immer noch auf der Tanzfläche kreisen. Wahnsinnig.

Klingt nach: Wanda, Adam Green

(Punkte: 4/5).

Loyle Carner - Yesterdays's gone Der Name: ein Witz. Loyle Carner heißt im wahren Leben Benjamin Coyle Larner, hatte aber als Kind mit einer Leseschwäche und ADHS zu kämpfen. Sein erstes Album klingt wie eine Rache an allen ärztlichen Befunden: Loyle Carner rappt mit derart viel Wort-Witz, so smooth und cool, dass es kaum verwundert, dass der Anfang-Zwanziger mittlerweile als kommender Superstar der britischen HipHop-Szene gilt. Er integriert Jazz, Soul und auch Rock. Eine E-Gitarre steht bei ihm gleichwertig neben der Drummachine. Und zum Auftakt erklingt im famosen Opener "Isle Of Arran" gleich ein ganzer gesampelter Gospelchor. Loyle Carner steht in der Tradition von A Tribe Called Quest und De La Soul, versteht sich als Geschichtenerzähler. Ein Familienalbum ist "Yesterday's gone" auch geworden, weil er seiner Mutter und seinem Stiefvater huldigt. Vom Stiefvater erklingt eine E-Gitarre, von der Mutter die Stimme. Loyle Carner - gewiss bald auch der Liebling jeder Schwiegermutter.

Klingt nach: De La Soul, Kate Tempest, The Streets (Punkte: 5/5).

(RP)
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